Schweigende und nichtwählende Mehrheiten nutzen nichts / Information ist Trumpf
MÜNCHEN (DTZ/fok). Am 4. Juli steht der Volksentscheid in Bayern zu einem totalen Rauchverbot in der Gastronomie an. 15 Wochen Zeit noch, um Bayerns Bürger dafür zu sensibilisieren, dass es Sinn macht, sich an dieser Wahl zu beteiligen. Und ebenso viel Sinn, beim Volksbegehren mit „Nein“ zu stimmen.
Denn vielen potentiellen Wählern ist nicht klar, worum es geht: Nichtraucherschutz gewährleistet bereits die derzeit bestehende gesetzliche Regelung in Bayern, die lediglich einige Ausnahmen für die getränkeorientierte Kleingastronomie und für abgetrennte Raucherräume in größerem Gastrobetrieben zulässt.
Wirte fürchten um Existenz
Das Volksbegehren aber will das totale Gastrorauchverbot ohne Ausnahmen, gegen den Willen der meisten Gastwirte und ihrer rauchenden (und nichtrauchenden) Gäste. Für die Wirte geht‘s in vielen Fällen um die Existenz, denn sie hatten schon in der Vergangenheit erfahren müssen, dass die Umsatzeinbußen durch Rauchverbote vor allem in getränkeorientierten Kneipen enorm sind. Und viele haben zwischenzeitlich eine Menge Geld investiert, um getrennte Raucher- und Nichtraucherbereiche einzurichten.
Auch der bayerische Tabakwarengroß- und Einzelhandel ist beunruhigt. Hat er doch viele Kunden im Gastrobereiche. Da geht es nicht nur um den Automaten aufstellenden Großhandel mit seinen zahlreichen Arbeitsplätzen, die durch den Volksentscheid gefährdet sind. Auch der Facheinzelhandel unterhält teils selbst gastronomische Aktivitäten oder versorgt Wirte mit Zigarren. Und will vor allem seinen rauchenden Kunden den Rücken stärken.
Facheinzelhändler nehmen Problematik sehr ernst
Eine Umfrage bei einigen bayerischen Facheinzelhändlern zeigt, dass sie die Problematik sehr ernst nehmen und sich teilweise heute schon intensiv darüber Gedanken machen, wie sie ihre Kunden für die Beteiligung am Volksentscheid mobilisieren können.
Thomas Weiherer mit Tabakladen und Bar in Passau beispielsweise, der im Falle eines Total-Gastrorauchverbots auch die Existenz seiner kleinen Raucherbar stark gefährdet sieht, die er seit mehr als zehn Jahren erfolgreich betreibt. Ob sich ein Weiterbetrieb des Barbereichs im Falle eines Rauchverbots überhaupt noch rentiert, das sieht er mit erheblicher Skepsis.
Gastrobetriebe fallen bei Rauchverbot als Zigarrenabnehmer weg
Und auch dem parallel betriebenen Tabakladen drohen Einbußen, weil beispielsweise Kunden aus Österreich künftig wegbleiben könnten und weil andere Gastronomiebetriebe, die er bisher mit hochwertigen Zigarren versorgen konnte, bei einem Totalrauchverbot als Abnehmer wegfallen würden.
Aber Weiherer wirft das Handtuch nicht schon vorab, er will kämpfen, seine Kunden informieren und zur Beteiligung an der Wahl bewegen. „Derzeit wird über das Thema im Kundenkreis relativ wenig gesprochen, aber wenn der Volksentscheid heranrückt, wird es wieder hochkochen. Die letzten 14 Tage vor dem Volksentscheid sind die wichtigsten. Da werde ich auch verstärkt zur Aufklärung unserer Kunden beiragen.“
Sonne als „Gefahrenherd“
Sorge hat Weiherer allerdings für den Fall, dass am Tage des Volksentscheids Sonnenschein herrscht. „Dann besteht die Gefahr, dass Leute zwar gegen ein totales Gastrorauchverbot sind, aber denken, das wird alles nicht so schlimm, und dann nicht zur Wahl gehen. Raucher und tolerante Nichtraucher sind halt nicht so verbissen wie die fanatischen Nichtraucher.
Deshalb müssen wir Fachhändler und die Gastronomie gemeinsam unsere Kunden mobilisieren und ihnen ganz klar verdeutlichen, dass man ihnen hier ein Stück Freiheit nehmen will“, ist Weiherer überzeugt.
Auch Ulrich Mayer mit seinem feinen Genussfachgeschäft „Steingasse No. 7“ in Augsburg sieht die Problematik, dass gerade lebensfrohe, genussfreudige Menschen toleranter sind, die Dimension nicht richtig einschätzen und deshalb vielleicht den Weg zur Wahlurne scheuen. Deshalb will er ca. vier Wochen vor dem Volksentscheid damit beginnen, über Plakate zu informieren. Er hofft, möglichst alle seiner Kunden zur Wahlbeteiligung zu animieren.
Gelassenheit in Bamberg
Thomas Schmidhuber von Zigarrenhaus Riegler in Höchstadt bei Bamberg stellt fest, dass das Thema Gastrorauchverbote in seinem Kundenkreis derzeit gar nicht im Fokus steht. Er ist aber optimistisch, dass die Gesetzesverschärfung abgelehnt wird, „denn schließlich haben fast 90 Prozent der Bürger ja nicht am Volksbegehren teilgenommen.“
Er ist überzeugt: „Die Raucher werden sich ihr Recht nicht nehmen lassen“. Mit eigenen Informationsmaßnahmen will er bis kurz vor dem Wahltermin warten, „weil das sonst bei den Kunden wieder in Vergessenheit gerät“. Breitere Kampagnen gegen das Totalverbot will er gerne mittragen.
Fachhändler Falkum setzt sich vehement ein
Immer an vorderster Front im Kampf gegen ein totales Gastrorauchverbot stand und steht der Miltenberger Fachhändler Gerd Falkum, der sich auch in der Brancheninitiative MUT vehement für dieses Ziel einsetzt.
„Die Kunden sind im Regelfall nicht gut über das Thema informiert, da hat gerade der Fachhandel eine entscheidende Aufgabe. Hier geht es um unsere Existenz, da müssen wir kämpfen. Und es sollte uns allen klar sein: Wenn das Totalverbot in Bayern kommt, dann wird es nach und nach auch in ganz Deutschland kommen. Solche Vorstöße beginnen beim Tabak, werden aber, wenn sie nicht gestoppt werden, bald weitere Bereiche unseres Lebens erfassen. Daher trifft die MUT-Slogan ‚Wer in der Demokratie schläft, wird in der Diktatur aufwachen‘, den Nagel auf den Kopf. Ich hoffe, dass meine Fachhandelskollegen alle den Ernst der Lage wirklich erkannt haben und sich intensiv an der Aufklärungsaktion beteiligen. Wir müssen uns heute schon auf unsere Aktivitäten für den Volksentscheid vorbereiten, individuell und im Netzwerk mit anderen, auch wenn die intensive Kundenansprache frühestens 6 Wochen vor der Wahl Sinn macht. Mit der MUT-Feuerzeugaktion werde ich einen aktiven Aufhänger nutzen, um meine Kunden aufzuklären.“
(DTZ 12/10)