Liebe Leserinnen, liebe Leser,

blicken Sie noch durch? Die Zahl der positiven Testergebnisse in Sachen Corona steigt praktisch täglich – und der Sieben-Tage-R-Wert liegt seit Tagen unter 1, rechnerisch stecken damit 100 „Infizierte“ weniger als 100 weitere Menschen an.

Nachträgliche Korrekturen
Damit sollte eigentlich die Zahl der neuen Fälle sinken. Allerdings: So richtig aussagekräftig ist die Reproduktionszahl ohnehin nicht. Selbst das Robert-Koch-Institut teilt mit, der Wert müsse mit Vorsicht interpretiert werden. Zudem liegen die nachträglichen Korrekturen dieser Zahl bei bis zu 0,2 Punkten – was schon mal die Vorzeichen verändern kann, also die Frage, ob die Zahl der positiven Testergebnisse tendenziell zu- oder abnimmt.

Vater Staat
Fest steht: Trotz womöglich bald verfügbaren Impfungen werden wir noch lange durch Tests und Erkrankungen beeinträchtigt werden. Aber Vater Staat hilft ja. Finanzminister Olaf Scholz kündigt weitere Finanzhilfen an. Ob und wie nachhaltig die bei den Betroffenen ankommen, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Ohnehin sind die Mittel nicht so großzügig dimensioniert, wie es nach der ersten Ankündigung klang. Und was auf Ebene einzelner Unternehmen bereits schwierig ist, setzt sich auf gesamtwirtschaftlicher Ebene fort: eine Vorhersage, wie sich die Lage entwickeln wird. Die Wirtschaftsweisen jedenfalls haben zwar eine relativ optimistische Prognose abgegeben (BIP-Veränderung in Deutschland 2020: -5,1 Prozent, 2021: +3,7 Prozent). Aber die Experten sagen auch, dass Corona uns einen Strich durch die Rechnung machen könnte.

Zombie-Firmen
Zombie-Firmen (die nur noch aufgrund der verschobenen Insolvenz-Meldepflicht oder großzügig gestundeter Lieferantenrechnungen überleben) und Unternehmen, deren Geschäftsmodell mehr und mehr durch die Angst bei den Mitarbeitern ausgebremst wird, dürften das kommende Jahr kaum überstehen. Es rächt sich die Politik, blinde Panik zu verbreiten. So berichtet mir ein Unternehmer, ein Teil seiner Außendienstler weigere sich aus Angst vor einer Ansteckung, zu Kunden zu fahren. Ein Geschäftsinhaber erzählt, eine Mitarbeiterin habe sich aus Furcht vor Corona krankschreiben lassen, weil sie „kalte Füße“ habe und das bei ihr Anzeichen einer nahenden Grippe sei.

Inkubationszeiten
Übrigens: Besonders amüsant finde ich die Menschen, die jetzt über die Leichtsinnigen wettern, die im Sommer im Urlaub waren oder in den Parks gefeiert haben. Wir brauchen dringend eine Studie, die erklärt, wie das Virus in ihnen mehrere Monate völlig unbemerkt geschlummert hat und sich nun – allen bekannten Inkubationszeiten zum Trotz – auf den Weg macht, um die Bundesbürger niederzumachen.

Herrje!

Ach ja: In Japan, einem Land mit 126 Millionen Einwohnern und bislang 1850 Corona-Todesfällen ist die Zahl der Selbstmorde fast zehnmal so hoch wie die der Covid-Opfer im gleichen Zeitraum. Experten führen das auf ökonomische Probleme als Folge der Pandemie zurück.

Ich wünsche Ihnen trotzdem ein schönes und hoffentlich entspanntes Wochenende.

Herzlich,
Marc Reisner,
Chefredakteur DTZ

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