RICHMOND / NEW YORK // Die beiden Tabak-Konzerne Altria und Philip Morris verhandeln derzeit über einen Zusammenschluss. Ziel ist es, ein globales Konglomerat zu schmieden, das so wertvoll wäre wie Coca-Cola.
Als die Gespräche bekannt wurden, hatte Philip Morris einen Börsenwert von 121 Milliarden Dollar, Altria brachte es auf eine Marktkapitalisierung von 97 Milliarden – macht unterm Strich 218 Milliarden US-Dollar (gut 196 Milliarden Euro), eine gigantische Summe, an der Philip Morris 58 Prozent halten würde. Allerdings gibt es noch ein paar Fragezeichen. So warnten die Beteiligten, die Verhandlungen könnten ergebnislos verlaufen. Außerdem müssten diverse Gremien zustimmen.
Zwar verloren die Aktien beider Unternehmen zunächst klar an Wert; es wurde jedoch deutlich, dass die Anteilseigner größere Chancen für Altria sehen. Analysten begrüßten den Plan und wiesen darauf hin, dass beide Unternehmen bis 2008 ohnehin eins waren, bis die Aufspaltung erfolgte.
Derzeit fahren die Unternehmenslenker unterschiedliche Strategien: Altria ist breit aufgestellt und bedient vor allem den heimischen Zigarettenmarkt, tummelt sich aber über Beteiligungen an Juul (Anteil an dem E-Zigaretten-Hersteller 35 Prozent, erworben für 13 Milliarden Dollar), Cronos (Cannabis, 45 Prozent, 1,8 Milliarden Dollar) und AB-Inbev (Brauerei, 12,2 Prozent) in ganz unterschiedlichen Märkten.
Zwei unterschiedlich aufgestellte Unternehmen
Philip Morris macht das Gros seiner Umsätze mit Zigaretten (Marlboro), hat aber mittlerweile die rauchfreie Zukunft ausgerufen und setzt mit dem Tabakerhitzer Iqos und verschiedenen E-Zigaretten auf diesen Wachstumsmarkt. Das Marktforschungsinstitut Euromonitor bezifferte den globalen Vaping-Markt 2018 mit 28 Milliarden Dollar, 2023 könnte das Volumen die 75-Milliarden-Dollar-Marke durchbrechen.
Ist es sinnvoll, zwei so unterschiedlich aufgestellte Unternehmen zu verschmelzen? Unbedingt, meint Ken Shea, Analyst bei Bloomberg Intelligence: Philip Morris käme in Sachen Marijuana voran und könnte zudem die eigene Position im riesigen Segment E-Zigarette ausbauen. Aufgrund eines aufwendigen, zwei Jahre dauernden Zulassungsverfahrens durch die amerikanische Food and Drug Administration (FDA) hat Juul in den USA einen schier uneinholbaren Vorsprung in Sachen Marktanteile.
Altria würde im Gegenzug Juul mit Hilfe der Marketingmacht und des logistischen Know-hows von Philip Morris weltweit besser vermarkten können. Außerdem, sagt Analystin Bonnie Herzog von Wells Fargo, würden beide Unternehmen aufgrund von Synergieeffekten von niedrigeren Kosten und höheren Produktionsmengen profitieren – die Rede ist immerhin von jährlich einer Milliarde Dollar.
„Aus meiner Sicht ist eine Fusion vor allem für Altria sinnvoll“, meint auch Garrett Nelson von CFRA Research, „denn die Verkäufe von Zigaretten in den USA gehen immer weiter zurück, und die Behörden kontrollieren sowohl Tabak als auch E-Zigaretten immer schärfer.“ Durch einen Zusammenschluss könnte Altria neue Märkte erschließen.
Potenzial für eine Wiedervereinigung
Manche Beobachter sind vor allem erstaunt. „Das Potenzial für eine Wiedervereinigung der Unternehmen wurde oft diskutiert, aber ich habe nicht geglaubt, dass dies angesichts der hohen regulatorischen Belastung des US-Marktes und seines sich abschwächenden Wachstumsprofils eintreten würde“, erklärte etwa Chris Growe, Analyst bei Stifel, in einem Research-Bericht.
Und schließlich könnte Altria auf diesem Weg einen Teil seines Schuldenberges in Höhe von 29 Milliarden Dollar abtragen, der vor allem durch teure Akquisitionen entstanden war.
Die Aktien von Altria gaben nach der Bekanntgabe der Gespräche 8,8 Prozent nach. Die Aktionäre hatten kurz zuvor einer Erhöhung der Dividende um fünf Prozent zugestimmt, die Dividendenrendite liegt damit aktuell bei 7,0 Prozent. Philip-Morris-Anteile verloren in der Spitze 9,2 Prozent. Der Konzern schüttet voraussichtlich 4,67 Euro je Aktie aus und kommt dadurch auf eine Dividendenrendite von 6,0 Prozent. Traditionell sind Tabakkonzerne als Unternehmen mit erfreulicher Ausschüttungspolitik bekannt; dadurch sollen die Anteilseigner bei der Stange gehalten werden.
max
(DTZ 36/19)
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