BERLIN // Nach der öffentlichen Anhörung zum Thema „Tabakwerbeverbot“ (DTZ berichtete) haben wir die Vertreter der beiden Verbände im E-Zigarettenbereich um ihre Meinung gebeten. Im Gespräch erläutern die Vorsitzenden Dustin Dahlmann vom Bündnis für Tabakfreien Genuss und Michal Dobrajc vom Verband des E-Zigarettenhandels ihre Positionen.
Herr Dahlmann, Herr Dobrajc, wie ist die Anhörung aus Ihrer Sicht gelaufen?
Michal Dobrajc: Die gesamte Anhörung hat leider erneut gezeigt, dass die zwingend gebotene Trennung zwischen Tabakerzeugnissen einerseits und elektronischen Zigaretten andererseits nicht vorgenommen wird. Die Aussage von Frank Henkler-Stephani vom Bundesinstitut für Risikobewertung, wonach die E-Zigarette ein deutlich geringeres Schadenspotenzial als die Tabakzigarette aufweist, verhallte ungehört und spielte in der weiteren Diskussion keine Rolle.
Und aus Ihrer Sicht, Herr Dahlmann?
Dustin Dahlmann: Natürlich nicht in unserem Sinne. Das Thema Harm Reduction als wichtigstes Argument zur Differenzierung von Tabak und E-Zigarette wurde von den Sachverständigen kaum erwähnt. Hier muss politisch endlich auch in Deutschland weitergedacht werden. Auch uns geht es in erster Linie um die Aufklärung über das gesundheitspolitische Potenzial der E-Zigarette. Diese Form der Faktenkommunikation in Form von Werbung muss auch zukünftig möglich sein, denn nur so können Vorurteile und Unwissen bei Rauchern beseitigt werden.
Wie geht es jetzt weiter?
Dobrajc: Die Anhörung fand aufgrund eines Vorschlages und eines Antrages der Opposition statt. Dass sich für den Vorschlag eine Regierungsmehrheit findet, ist fraglich. Sicher aber ist: Die Debatte um Werbung wird weitergehen.
Das Thema „Tabak-Stopp“ spielt in Ihrer Argumentation eine große Rolle.
Dobrajc: Das ist richtig. Allerdings wird „quit or die“ nicht funktionieren. Es wird auch in Zukunft erwachsene Menschen geben, die auf den Genuss von Nikotin nicht verzichten wollen. Aber wir haben die Möglichkeit, ihnen Alternativen anzubieten, die im Vergleich zu herkömmlichen Zigaretten geringere gesundheitlichen Risiken darstellen könnten.
Laut einer aktuellen Studie aus Großbritannien bilden ehemalige Raucher bei „liberalerer“ E-Zigarettenpolitik die größte Gruppe unter den E-Zigarettennutzern.
Dahlmann: Das bestätigt, dass die E-Zigarette ein sehr erfolgreiches Harm-Reduction-Produkt ist. Europaweit haben bereits sechs Millionen Raucher den Tabak-Stopp durch den Umstieg auf die E-Zigarette geschafft. Raucher, die E-Zigaretten zur Tabakentwöhnung einsetzen, haben eine um 60 Prozent höhere Erfolgsquote als mit Nikotinersatzpräparaten wie Kaugummi oder Pflaster. Auch dazu gibt es Studien. Neben der um 95 Prozent geringeren Schädlichkeit von E-Zigaretten spielen zudem die Aromen eine entscheidende Rolle beim Erfolg der E-Zigarette.
Wie bekannt ist denn die E-Zigarette mit ihrem Potenzial in der deutschen Bevölkerung?
Dahlmann: Es gibt großen Aufklärungsbedarf in der deutschen Bevölkerung. Obwohl mittlerweile keine seriöse Gesundheitsorganisation mehr anzweifelt, dass E-Zigarettendampf deutlich weniger schädlich ist als Tabakrauch, ist diese Botschaft bisher nur bei einem Drittel der Bürger angekommen. Über zwei Drittel der Bevölkerung sind noch nicht ausreichend aufgeklärt. Laut WHO-Charta von 1986 müssen allen Menschen ausreichend Informationen zur Verfügung gestellt werden, damit sie selbst Entscheidungen in Bezug auf ihre persönliche Gesundheit treffen können. Hier sehen wir die deutsche Gesundheitspolitik in der Verantwortung, damit Raucher auf Grundlage von Fakten wählen können.
Dobrajc: Das sehe ich ähnlich. Mehr als die Hälfte der Deutschen – 54 Prozent – denken, dass E-Zigaretten mindestens genauso gefährlich sind wie herkömmliche Zigaretten. Wenn Regierungen und die WHO die Schadensbegrenzung ernst nehmen und rauchbedingte Todesfälle und Krankheiten reduzieren wollen, müssen sie auf E-Zigaretten setzen.
Gegner der E-Zigarette führen oft die Gateway-Hypothese ins Feld. Demnach würden Nichtraucher über das Produkt an den Nikotinkonsum herangeführt.
Dahlmann: Das Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung hat 2016 eine Umfrage im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums durchgeführt. Befragt wurden über 3300 E-Zigarettennutzer nach ihren Konsumgewohnheiten. Auch der sogenannte Gateway-Effekt wurde untersucht, konnte aber nicht bestätigt werden. Für die E-Zigarette interessieren sich hauptsächlich erwachsene Raucher, die zu Nichtrauchern werden wollen. Nur etwa ein Prozent der Dampfer hat zuvor keinen Tabak konsumiert. Außerdem liegt das durchschnittliche Einstiegsalter beim Dampfen bei 31 Jahren.
Das führt uns zum Thema Jugendschutz …
Dobrajc: Richtig. Um es klar zu sagen: Wir wollen nicht, dass Minderjährige die Produkte benutzen. Deshalb haben sich die VdeH-Mitgliedsunternehmen bereits 2011 dazu verpflichtet, keinerlei Werbung zu betreiben, die sich in irgendeiner Form an Minderjährige richten könnte. Der regelmäßige Konsum von E-Zigaretten durch Kinder und Jugendliche ist mit drei Prozent äußerst gering – auch weil der Gesetzgeber 2016 ein Abgabeverbot von E-Zigaretten an Minderjährige eingeführt hat. Der VdeH unterstützt diese Regelung und hält es für zwingend notwendig, dass die vorhandene Gesetzeslage durch die zuständigen Behörden konsequent durchgesetzt wird.
Sie haben dazu den Schulterschluss mit dem Deutschen Zigarettenverband gesucht?
Dobrajc: Ja, um den Handel in seiner Schlüsselfunktion beim Jugendschutz zu unterstützen, haben wir in Kooperation mit dem DZV ein Online-Tool entwickelt. Dieses Tool soll dabei helfen, die Händler vor Ort für die aktuellen gesetzlichen Regelungen zu sensibilisieren, damit das Abgabeverbot im Handel noch konsequenter umgesetzt werden kann.
Sie beide betonen, es sei unerlässlich, dass Werbung für die E-Zigarette erlaubt bleiben muss – auch um die Menschen über das Produkt zu informieren.
Dahlmann: Unbedingt, denn Verbraucher benötigen umfassende Informationen, um eine freie und für sie angemessene Gesundheitsentscheidung treffen zu können. Dies funktioniert nur mit Kenntnis der Fakten. Klassische Werbung ist hier ein wichtiger Kanal. Dadurch können Raucher sensibilisiert und Vorurteile beseitigt werden.
Herr Dobrajc, wie sehen Sie das?
Dobrajc: Werbung für E-Zigaretten hat die wichtige Funktion der Aufklärung: Um dem mündigen Verbraucher in seinem Recht auf evidenzbasierte Informationen gerecht werden zu können, bedarf es gewisser Kommunikationsfreiheiten gegenüber der Gesellschaft. Nur wenn die Möglichkeit gegeben ist, sich über das Produkt umfassend zu informieren, besteht die Chance, dass Raucher das Potenzial zur Risikominderung auch nutzen. Daher brauchen wir das Werkzeug „Werbung“ – sein Verbot käme einem Maulkorb gleich.
Fühlen Sie sich als Vertreter der „E-Branche“ in Sachen Werbeverbot ungerecht behandelt?
Dahlmann: Ja, denn E-Zigaretten sind eine absolut tabakfreie Alternative zur Zigarette. Sie mit Tabak über einen Kamm zu scheren, bremst sie als weniger schädliche Produkte politisch aus und setzt für die breite Öffentlichkeit irreführende Signale. Aus diesem Grunde ist es wichtig, dass die aktuelle Beschränkung der E-Zigarettenwerbung aufgehoben wird. Deutschland verzichtet bislang auf eine staatliche Aufklärung über die positive Rolle der E-Zigarette beim Tabak-Stopp. Ohne konventionelle Werbung haben Raucher keinen Überblick über ihre Möglichkeiten zum Tabakverzicht. Vielmehr bedarf es einer intensiveren Informierung zur E-Zigarette – durch Werbung und staatliche Gesundheits-Kampagnen und Einrichtungen.
Dobrajc: Der Schutzinstinkt, Werbung für etwas vermeintlich Schädliches einschränken oder ganz verbieten zu wollen, ist für uns nachvollziehbar. Leider überwiegen aber Emotionen und Furcht vor dem vergleichsweise neuen Produkt „E-Zigarette“ – mit sachlichen Argumenten dagegen anzukommen ist – wie die Anhörung gezeigt hat – diffizil. Insbesondere die sich scheinbar widersprechenden Untersuchungs- und Studienergebnisse machen es jemandem, der nicht im Thema steckt, sehr schwer, sich eine fundierte Meinung zu bilden. Auseinandersetzungen werden zu häufig emotional geführt, E-Zigaretten ohne Grundlage mit Tabak gleichgesetzt und ganz nebenbei wird eine Brücke zum nikotinabhängigen Jugendlichen und zu Krebserkrankungen geschlagen.
Was fordern Sie?
Dobrajc: Werbung für E-Zigaretten muss möglich bleiben, um Raucher gezielt auf diese Alternative ansprechen und sie über die seit Langem erste reelle Chance auf den Rauchausstieg aufmerksam machen zu können – wie es auch in anderen Ländern erfolgreich gehandhabt wird und wo es zu überproportional sinkenden Raucherquoten führt.
Dahlmann: Wir plädieren für eine Entkopplung von elektrischen Zigaretten und Tabakprodukten. Denn nur so können noch mehr Raucher zum Umstieg auf die E-Zigarette motiviert werden.
Herr Dahlmann, Herr Dobrajc, besten Dank für diese Statements.
max
(DTZ 51/52/18)
Schreiben Sie einen Kommentar