RÖSRATH // „Weltnichtrauchertag“ hin, EU-Tabakproduktrichtlinie her – bei der BTWE-Jahrestagung am 31. Mai und 1. Juni in Rösrath bei Köln wurde Tabakerzeugnissen und E-Produkten kräftig zugesprochen. Gleichzeitig rauchten die Köpfe, ob der Beiträge zu jenen Themen, die die Branche bewegen.
Optimaler Termin
Just an dem von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) postulierten sogenannten „Weltnichtrauchertag“, dem 31. Mai, trafen sich die Delegierten des Bundesverbandes des Tabakwaren-Einzelhandels (BTWE) zu ihrer Jahresversammlung in Rösrath bei Köln. „Die Tagung ist also optimal terminiert“, sagte BTWE-Präsident Rainer von Bötticher zur Begrüßung mit einem verschmitzten Lächeln. Den rund 150 Teilnehmern wünschte er viele schöne Momente des Genussrauchens. Und davon gab es reichlich. Denn allen Anfeindungen zum Trotz wurden Tabakwaren in all ihren Formen genossen. Und auch E-Zigaretten wurden ordentlich gedampft. Dieser Produktgruppe war gleichzeitig einer der Schwerpunkte in Rösrath gewidmet. Darüber wird die Tabak Zeitung in der nächsten Ausgabe berichten.
Das zweite große Thema drehte sich beim BTWE-Branchendialog um die EU-Tabakproduktrichtlinie, kurz TPD 2. So stand die von den beiden BTWE-Geschäftsführern Willy Fischel und Dieter C. Rangol moderierte Jahrestagung unter dem Titel „Total beschränkt? Fachhandel zwischen Überregulierung und Chancen“. Dieses Motto lehnte sich an den Buchtitel „Total beschränkt – Wie uns der Staat mit immer neuen Vorschriften das Denken abgewöhnt“ von Alexander Neubacher an.
Neues aus Absurdistan
Der Autor und Spiegel-Redakteur nahm als Redner an der Tagung teil. Dabei erheiterte er das Auditorium mit ein paar Regulierungsbeispielen deutscher und europäischer Bürokratie, die ebenso gut aus Absurdistan stammen könnten. Ob er genüsslich den Warnhinweis: „Vorsicht, Folie für den Verzehr nicht geeignet“ auf der Ziegenkäsepackung aufs Korn nahm, das automatische Abschalten moderner Fernsehgeräte nach 240 Minuten lächerlich machte oder das Verbot, wegen der Stolpergefahr Sandburgen am Strand zu bauen durch den Kakao zog – die Lacher des Publikums hatte Neubacher ganz klar auf seiner Seite. Diese und eine Reihe weiterer Beispiele zeigten aber auch, wie weit der Staat es bereits mit seiner Regulierungswut getrieben hat. Der Bürger gelte als beratungswürdig und müsse vor sich selbst geschützt werden. „An die Stelle des Homo sapiens tritt der Homo Demenz, der Trottelbürger“, so Neubacher. Ausführlicher Bericht folgt in einer der nächsten DTZ-Ausgaben.
Schnelle Lösungen
Ein wunderbares Beispiel für Überregulierung durch den Staat ist die Tabakproduktrichtlinie (TPD 2), die von der EU im vergangenen Jahr verabschiedet wurde. Nun könne die Devise in Sachen TPD nur noch lauten: „Retten und gestalten, was zu retten und zu gestalten ist“, so BTWE-Präsident von Bötticher. Denn mit der Einführung übergroßer Schockbilder auf den Verpackungen werde die Optik der Tabakwarengeschäfte bereits ab Mai nächsten Jahres massiv negativ verändert. Dann befänden Kunden und Mitarbeiter sich in einem Grusel-Kabinett. Deshalb sei es sinnvoll, sich schon heute Gedanken zur Präsentation von Zigaretten und Feinschnittprodukten im nächsten Jahr in den POS-Regalen zu machen. „Wir müssen möglichst schnell nach Lösungen suchen, damit unser positives Image als beliebter und unverzichtbarer regionaler Nahversorger auch im Interesse der Industrie erhalten bleibt“, erklärte der BTWE-Präsident weiter. Er kritisierte, dass die konkreten offiziellen Handling-Vorgaben für die Umsetzung bei der Produktion der neuen Verpackungen immer noch nicht vorliegen. Dies sei ein weiteres Beispiel dafür, wie praxisfern, handwerklich unsauber und unternehmerfeindlich die EU-Richtlinie sei. „Sobald die konkreten Vorgaben vorliegen, sollten wir umgehend eine Lösung vorantreiben“, empfahl von Bötticher. Auch für die in der TPD vorgesehene Rückverfolgbarkeit von Tabakprodukten, von der Produktion bis zur ersten Verkaufsstelle im Einzelhandel, gebe es derzeit noch mehr offene Fragen als Antworten.
Rechts- und Planungssicherheit
Mit der TPD2 setzten sich mehrere Referenten auseinander. Jan Mücke, Geschäftsführer des Deutschen Zigarettenverbandes, berichtete über den Status quo und gemeinsame Branchenaktivitäten zur TPD. „Für mich ist es wichtig, dass wir Rechtssicherheit und Planungssicherheit erhalten“, sagte Mücke. Und beides habe die Branche bei der TPD nicht. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete und parlamentarische Staatssekretär und heutige DZV-Geschäftsführer hätte sich nie träumen lassen, dass diese Art von Gesetzgebungsverfahren in einem deutschen Rechtsstaat möglich sei. Es liege immer noch kein Referenten-Entwurf des zuständigen Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft vor. Erst im September soll es, wie zu hören sei, einen Kabinettsbeschluss geben und dann im vierten Quartal die Verhandlungen in den Ausschüssen und anschließend die Abstimmung im Bundestag. Das Tabakgesetz werde wohl im ersten Quartal 2016 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Da bereits ab 20. Mai 2016 die Vorgaben der TPD in Deutschland umgesetzt sein müssten, laufe der Branche die Zeit davon. Wenn der Zeitraum für die Produktionsumstellung nur wenige Wochen betrage, sei das einfach deutlich zu kurz, gab Mücke zu bedenken. Die Industrie benötige für die Umstellung auf Zigaretten mit den neuen Warnhinweisen mindestens zwölf Monate, bei Feinschnitt seien es wenigstens 18 Monate. Deshalb hätten DZV und der Verband der Rauchtabakindustrie (VdR) gemeinsame Gutachten in Auftrag gegeben, um damit die Politik von realistischeren Umsetzungsfristen zu überzeugen.
Claudia Oeking, Manager Regulatory Affairs Philip Morris GmbH, ging näher auf die Thematik Einheitspackungen ein. Philip Morris gehe in England gegen die TPD vor. Die Sache sei inzwischen vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg gelandet, der voraussichtlich Mitte 2016 eine Entscheidung fällen werde. England und Irland hätten bereits Plain Packaging beschlossen. Und in Frankreich laufe momentan der legislative Prozess zur Einführung von Einheitspackungen.
In den Augen von Philip Morris stelle Plain Packaging ganz klar eine Enteignung dar. Außerdem würden unter anderem die Meinungsfreiheit, die Berufsfreiheit und der freie Güterverkehr eingeschränkt, während etwa ein vermeintliches Ziel, der Gesundheitsschutz, statistischen Auswertungen zufolge nicht erreicht werde. Das zeige zum Beispiel Australien, wo Einheitspackungen mit Bildwarnhinweisen bereits Realität seien, ohne dass ein Rückgang des Zigarettenkonsums darauf zurückgeführt werden könne. Stattdessen habe der illegale Zigarettenhandel zugenommen. „Plain Packaging ist ein Konjunkturprogramm für Schmuggler“, meinte Oeking. Sie befürchtet außerdem einen Spillover-Effekt, dass nämlich die Regulierungen des Tabaks auf andere Bereiche übergreifen könnten.
Über erste Ergebnisse eines neuen gemeinsamen Arbeitskreises zwischen Handel und Industrie zur TPD-Implementierung der Rückverfolgbarkeit, im Englischen als Track & Trace bezeichnet, berichteten Ludwig Willnegger, Chef des Brüsseler Büros der Edeka-Handelskette, und Carsten Zenner, Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Tabakwaren-Großhändler und Automatenaufsteller (BDTA). Der Arbeitskreis habe sich bereits mehrmals getroffen, zuletzt am 4. Mai bei einem Tabakwaren-Großhändler, wo derzeit ein Markttest in Sachen Rückverfolgbarkeit laufe.
Wirtschaftlicher Nutzen fraglich
Erst kürzlich habe die EU-Kommission eine Machbarkeitsstudie zu Track & Trace veröffentlicht. Der zufolge sei eine Rückverfolgbarkeitslösung machbar, sowohl technisch als auch aus einer wettbewerbsorientierten Marktperspektive. Profitieren könnten davon zum Beispiel öffentliche Gesundheit, Strafverfolgung, Fiskus und Verbraucher. Der geschätzte Gesamtnutzen überwiege laut Studie die Kosten für Industrie und Regierung. Dieser Einschätzung widersprachen Willnegger und Zenner entschieden. „Der Aspekt der wirtschaftlichen Darstellbarkeit von operativen Prozessen im Tabakwarenhandel und in Automatenbetrieben unter der Maßgabe der in der Studie beschriebenen operationalen und technischen Anforderungen bleibt durch die Autoren deutlich unterbeleuchtet“, stellte Zenner fest.
Legale Industrie
Ebenso werde der Bewertungsmaßstab „Verhältnismäßigkeit“ in der Studie weitestgehend nicht berücksichtigt. Der Arbeitskreis zwischen Handel und Industrie müsse nunmehr weiter konsequent an den Themenfeldern Dateninhalt, -träger, -objekt, Prozessebenen und Datenaustausch arbeiten, um der Politik Lösungsoptionen aufzeigen zu können. In den Augen von Zenner stelle sich die Frage nach dem Sinn der von der EU vorgesehenen Rückverfolgbarkeit nicht mehr, da die Sache nun einmal beschlossen sei. Sehr wohl berechtigt sei aber indes die Frage nach der Aufrechterhaltung einer legalen und funktionierenden Tabakwaren-Großhandelsstruktur in Europa unter einem Track & Trace-Regime. Zenner sieht bei einer Umsetzung von Track & Trace ohne Augenmaß die Gefahr, dass die Versorgung des Marktes mit legalen Tabakprodukten ernsthaft in Frage gestellt wird.
da
(DTZ 23/15)
Schreiben Sie einen Kommentar