EU-Tabakproduktrichtlinie absolut mittelstandsfeindlich

GEISENHAUSEN (DTZ/pnf/da). Als in seiner Gänze absolut mittelstandsfeindlich bezeichnet Patrick Engels den Entwurf der EU-Kommission zur Tabakproduktrichtlinie. Im DTZ-Interview erläutert der Geschäftsführer von Pöschl Tabak, welche massiven Auswirkungen TPD 2 allein für sein Unternehmen hätte.

DTZ: Die närrischen Hochburgen nähern sich dem Höhepunkt der „fünften Jahreszeit“. Pöschl Tabak wird heuer 111 Jahre. Ist Ihnen derzeit zum Feiern zumute?
Patrick Engels: Die Veröffentlichung des Entwurfs zur Überarbeitung der Tabakproduktrichtlinie kurz vor Weihnachten hat die Stimmung bei Pöschl Tabak trotz der Freude über ein erneut sehr erfolgreiches Geschäftsjahr 2012 ziemlich getrübt. Aber, das Kind ist noch nicht zur Gänze in den Brunnen gefallen und nun heißt es mit Argumenten die politischen Entscheidungsträger und die staatlichen Stellen in den Mitgliedsländern mit Argumenten zu überzeugen, dass dieser Richtlinienentwurf in vielen Punkten deutlich zu weit geht bzw. an diversen Stellen sogar blanker Unsinn und in toto absolut mittelstandsfeindlich ist.

DTZ: Welche gravierenden Auswirkungen haben die Pläne der EU-Kommission zur Verschärfung der Tabakproduktrichtlinie (TPD 2) für das Rauch- und Schnupftabakunternehmen Pöschl?
Engels: Sollten die nun auf dem Tisch liegenden Vorschläge wirklich so umgesetzt werden, würde dies die Vernichtung ganzer Produktsegmente wie z. B. Schnupftabak oder aromatisierte Feinschnitte bedeuten. Durch ein Verbot von Dosen im Bereich Feinschnitt sowie über die vergrößerten Warnhinweise würden unsere Investitionen in Anlagen und Marken, welche sich allein in den letzten Jahren im zweistelligen Millionenbereich bewegt haben, von heute auf morgen wertlos gemacht werden. Folge der Vorschläge wäre aber auch die Vernichtung einer dreistelligen Zahl an Arbeitsplätzen allein bei uns in Geisenhausen, also im strukturschwachen Niederbayern.

Weitere Punkte des Entwurfs sind unsinnig, weil z.B. technisch gar nicht machbar, andere widersprechen nationalem Recht. Zum Beispiel muss das Steuerzeichen beim Öffnen der Packung zerstört werden. Wie soll das aber gehen, wenn es gleichzeitig den Warnhinweis nicht verdecken darf?

Zudem stimmt es mich äußerst bedenklich, dass manche Vorschläge sogar das Potenzial haben, den üblichen demokratischen Ablauf völlig auszuhebeln. Denn die Mitwirkungsrechte der demokratisch legitimierten EU-Parlamentarier und der Mitgliedstaaten sollen in diversen Punkten künftig, wenn überhaupt, auf ein bloßes Vetorecht beschränkt sein. Über diese insgesamt 26 delegierten Rechtsakte (delegated acts) könnte die Kommission zum Beispiel die Warnhinweise nach Belieben noch weiter vergrößern oder auch die Aromen bei Pfeifentabak dann doch noch verbieten. Dies ist eine ungeheuerliche Machtanmaßung der EU-Kommission und widerspricht nach meinem Erachten dem Demokratieprinzip, da wesentliche Regelungsinhalte in einem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren dem Parlament und den Mitgliedsstaaten vorbehalten sein müssen. Ist das eine Retourkutsche der Kommission auf den Lissabon-Vertrag?

Ferner: Die EU hat sich durch ihren Klein- und Mittelbetriebe betreffenden „European Small Business Act“ selbst zum Ziel gesetzt, mittelständische Betriebe zu fördern und zu unterstützen. Was hier aber nun angedacht ist, ist das genaue Gegenteil: Die mittelständische Tabakindustrie wird massiv beeinträchtigt und teilweise sogar in ihrer Existenz bedroht. Widersprüche über Widersprüche also.

DTZ: TPD 2 sieht ein Verbot von charakteristischen Aromen vor. Sie befürchten dadurch das Aus für viele Feinschnittmarken und die Vernichtung des traditionellen deutschen Schnupftabaks. Könnten Sie Ihre Sorgen näher erläutern?
Engels: Schnupftabak gilt als eine der ältesten Formen des Tabakgenusses in Europa. Seit über fünf Jahrhunderten ist er fester Bestandteil regionaler Traditionen in ganz Europa und wird in allen gesellschaftlichen Schichten konsumiert. Nun soll durch einen Federstrich diese Form des Tabakgenusses durch die Hintertür verboten werden. Es geht hier nicht allein um Menthol, sondern auch um alle anderen Aromen, ohne die kein Schnupftabak vorstellbar ist. Hier gibt es auch keinen Verhandlungsspielraum.

DTZ: Wie viel Produkte von Pöschl Tabak wären von einem Verbot charakteristischer Aromen betroffen und welche Folgen hätte die Produktionsaufgabe auf Umsatz und Mitarbeiterzahl Ihres Unternehmens?
Engels: Das Aromenverbot wäre wie gesagt das vollständige Aus für unseren Schnupftabak. Auch einige unserer Feinschnitte wären davon betroffen. Diese Verbote würden bei uns einen massiven Schlag ins Kontor bedeuten, wobei dies nicht nur für uns, sondern auch für unsere ebenfalls zumeist mittelständischen Zulieferer und natürlich auch für unsere Handelspartner in ganz Europa gilt. Hinsichtlich der Arbeitsplätze wären wohl alleine an unserem Standort in Deutschland sicher rund ein Drittel unserer zirka 400 Mitarbeiter, also eine dreistellige Anzahl, von Jobverlust bedroht. Dazu hätte ein Wegfall des Schnupftabaks natürlich auch Auswirkungen auf unsere gesamte Gruppe: Auch eine größere Zahl unserer zirka 380 Mitarbeiter, die vornehmlich in der EU in unseren 14 Tochter- und Beteiligungsgesellschaften tätig sind, wäre von den Plänen der EU-Kommission ebenfalls akut gefährdet. Wir reden also von mehreren Hundert Arbeitsplätzen, die allein an den Pöschl-Produkten hängen.

DTZ: Feinschnitttabak soll laut TPD 2 nur noch in rechteckigen Pouches ab 40 g Inhalt verkauft werden dürfen und Dosen verboten werden. Welche Folgen hätten diese Restriktionen für das Haus Pöschl?
Engels: Auch die Umsetzung dieses Vorschlags hätte enorme wirtschaftliche Folgen für Pöschl Tabak, die momentan im Detail noch gar nicht abzusehen sind. Zahlreiche Anlagen bzw. ganze Produktionslinien sind bei uns rein für die Befüllung und Abpackung von Dosen installiert. Diese Anlagen wären, wie schon oben angesprochen, mit einem Schlag vollkommen entwertet. Und der Entwurf bleibt jegliche Erklärung schuldig, welchem Zweck ein solches Verbot dienen könnte. Sicher ist jedoch, dass damit zunächst unsere Millionen-Investitionen in Maschinen vernichtet werden würden. Des Weiteren kämen durch die Verpackungsneu- bzw. Umgestaltung einer Vielzahl von Produkten weitere enorme Kosten auf das Unternehmen zu.

DTZ: Wie aufwändig ist das in der überarbeiteten EU-Tabakproduktrichtlinie ebenfalls vorgesehene „Tracking und Tracing-System“, also die Rückverfolgung eines Produktes über die gesamte Lieferkette (außer Einzelhandel), für ein mittelständisches Unternehmen wie Pöschl Tabak?
Engels: Wir haben schon jetzt im Rahmen unseres Qualitätsmanagementsystems ein ausgeklügeltes System zur Rückverfolgung. Unsere komplette IT-Infrastruktur müsste durch diese Regelung jedoch erneut überarbeitet werden und auch unsere Verpackungsmaschinen komplett neu ausgestattet werden. Die Investitionen in neue Soft- und Hardware-Lösungen wären immens, gerade aufgrund unserer vielen Verpackungsvarianten und speziell im Bereich der langsamdrehenden Produkte. Abgesehen von der Frage, wo ein derartiger Riesencode auf der Verpackung untergebracht werden soll, ist diese Idee auch aus anderen Gründen praxisfremd: Woher soll ein Hersteller zum Produktionszeitpunkt wissen, an welchen seiner Zigtausend Handelspartner das konkrete Produkt später ausgeliefert werden wird? Den Schmuggel, von dem Feinschnitt, Pfeifentabak oder Schnupftabak bekanntlich und abgesehen davon sowieso nicht betroffen sind, oder die Produktpiraterie wird diese Idee ganz bestimmt nicht eindämmen. Also: Auch dieser Vorschlag ist unausgegoren, kostet nur Zeit und Geld und führt zu nichts.

Fazit: Der vorliegende Richtlinienentwurf ist überzogen, vielfach nicht wissenschaftlich belegt, praktisch oftmals gar nicht umsetzbar. Man kann ihn nur als „supranationales Arbeitsplatzvernichtungs- und Wertzerstörungsprogramm“ bezeichnen. Ich glaube nicht, dass dies im Sinne der Gründerväter der europäischen Einigung ist.

(DTZ 06/13)

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