Neuer Glücksspiel-Staatsvertrag drängt Lotto-Annahmestellen ins Abseits

FRANKFURT/MAIN (DTZ/da). Um den zirka 2000 illegalen Wettvermittlungsstellen nach der geplanten teilweisen Liberalisierung des Sportwettenmarkts einen Riegel vorzuschieben, wollen die Bundesländer das Vertriebsnetz begrenzen. „Damit treffen sie aber genau die zirka 23000 Lotto- und Toto-Annahmestellen ins Mark, also jene, die zuverlässig die staatlichen Anforderungen an den Wettmarkt umsetzen“, geben Hermann Teckenburg und Günther Kraus vom Bundesverband der Lotto-Toto-Verkaufsstellen in Deutschland zu bedenken.

Toto, das Spiel für den „kleinen fußballbegeisterten Mann“ gibt es bereits seit 1948 in Deutschland. Genau so wie das Zahlenlotto 6 aus 49 wurde und wird Toto damals wie auch heute überwiegend in kleinen Zeitschriften- und Tabakwarenläden angeboten. Ohne sie und das Engagement ihres Personals wäre der Erfolg dieser beiden „Volksspielarten“ undenkbar gewesen.

Doch ausgerechnet der Vertriebsweg über die Lotto- und Toto-Annahmestellen könnte demnächst auf der Strecke bleiben. Dabei ist es nicht eine übermächtige Konkurrenz, die die überwiegend mittelständischen Annahmestellen aus dem Rennen stößt, sondern eine Passage im Entwurf des neuen Glücksspiel-Staatsvertrags, der nach den Vorstellungen von 15 der 16 Bundesländer ab 2012 in Kraft treten soll.

Die Ministerpräsidenten wollen die Zahl der Vermittlungsstellen von Sportwetten, wozu neben der Toto Auswahlwette 6 aus 45 und der Ergebniswette auch Oddset zählt, auf maximal 350 pro Lizenznehmer begrenzen. Bei den sieben Konzessionen, die vergeben werden sollen, wären dies also insgesamt höchstens 2 450 Sportwetten-Verkaufsstellen. Vor dem Hintergrund der vorgesehenen Liberalisierung des Glücksspielmarkts ist diese Einschränkung eigentlich dazu gedacht, ein mögliches Anheizen der Spielsucht zu vermeiden, weil nach Einschätzung der Länder neue Wettvermittlungsstellen der privaten Glücksspielindustrie in großer Zahl auf den Markt drängen könnten.

Getroffen werden mit § 10a Abs. 5 des künftigen Staatsvertrags jedoch zuallererst die rund 23000 Lotto- und Toto-Annahmestellen mit ihren insgesamt zirka 100000 Beschäftigten, die seit Jahrzehnten seriöser Vermittler der Produkte des Deutschen Lotto- und Toto-Blocks sind. „Für unseren Vertrieb hätte dies schwerwiegende Folgen. So müssen wir davon ausgehen, dass der gesamte Sportwetten-Bereich aus den Annahmestellen nahezu verschwindet“, befürchtet der Vorsitzende des Bundesverbands der Lotto-Toto-Verkaufsstellen in Deutschland e. V. (BLD), Hermann Teckenburg, in einer Stellungnahme an die Ministerpräsidenten der Länder.

Zwar sei der Anteil von Sportwetten am Glücksspiel-Umsatz wegen der Konkurrenz des illegalen Sportwettenangebots auf nur noch 3,5 Prozent zurückgegangen, doch würden in der schwierigen finanziellen Situation viele Annahmestellen auch diese Umsätze schmerzlich vermissen. Und nicht nur dies: „Sinkende Umsatzzahlen sind verbunden mit abnehmenden Kundenfrequenzen, welche sich wiederum nachteilig auf die Restsortimente auswirken“, so Teckenburg.

Des Weiteren sei zu bedenken, dass in vielen Verkaufsstellen der mit Sportwetten getätigte Umsatzanteil deutlich über 3,5 Prozent liege. Der BLD-Vorsitzende schließt vor diesem Hintergrund auch eine Servicereduzierung des Angebots in den Annahmestellen zu Lasten der Kunden nicht aus. Günther Kraus, Geschäftsführer des BLD, warnt indes vor den Auswirkungen auf einen Teil der Kundschaft der Lotto- und Toto-Annahmestellen. „Millionen Spieler nutzen das seriöse, normale Sportwetten-Angebot in den Annahmestellen.

Diese Spielteilnehmer werden in die Anonymität des Internets gedrängt, einen Vertriebsweg, den diese Kunden in der Vergangenheit bewusst abgelehnt haben. Gerade in überwiegend ländlichen Bereichen könnten wir jenen Kunden kein für sie spielbares Wettangebot mehr unterbreiten.“ Mangels vorhandener Vermittlungsstellen sei ein seriöses legales Angebot damit nicht mehr gegeben, obwohl die notwendige Infrastruktur vorhanden und funktionsfähig sei.

„Eine für unsere Kunden letztlich inakzeptable Entwicklung, deren Auswirkungen mit dem Auftrag zu einem flächendeckenden Angebot unseres Spielangebotes unvereinbar sind. Hinzu kommt, dass der nach Expertenmeinung gefährlichste Teil unseres Produktangebots, eben die Sportwetten, völlig in den gefährlichsten Vertriebsweg, ins Internet, abgeschoben wäre“, erklärt Kraus weiter. Es sei tatsächlich nur schwer verständlich, warum zum einen mit dem Internet ein Vertriebsweg eröffnet werde, der 24 Stunden am Tag in der heimischen Anonymität zur Verfügung stehe, dazu aber eine terrestrische Ergänzung gewählt werde, die durch die Begrenzung auf eine Zahl von 350 Vermittlungsstellen ein flächendeckendes Angebot verhindere.

Fachleute gehen davon aus, dass mittelfristig 25 Prozent der Spieleinsätze über Internet getätigt werden. Die BLD-Spitze rechnet deshalb durch die umfassende Freigabe der Internetvermittlung von Sportwetten mit erheblichen negativen Auswirkungen für die überwiegend mittelständisch geprägten 23000 Lotto- und Toto-Annahmestellen in Deutschland. „Für viele wäre das der Beginn vom Ende“, prophezeien Kraus und Teckenburg, die beide selbst Annahmestellen betreiben. Sie sehen den stationären Vertrieb als den großen Verlierer bei der Neufassung des Staatsvertrags.

(DTZ 20/11)

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