INTERVIEW
DTZ: Nach zehn Jahren ohne autonome Preiserhöhung wagt die Zigarettenbranche jetzt wieder einen solchen Schritt. Und in wenigen Wochen werden die Mindestinhalte auf 19 Stück erhöht und damit die Preisoptik bei der OP nochmals um durchschnittlich 50 Cent nach oben geschraubt. Chance oder Risiko für die Branche?
Ad Schenk: Wenn es um die Profitabilität der Branche geht, sollten wir nicht nur Preiserhöhungen im Auge haben. Die entscheidende Größe ist der Gesamtkonsum und seine Verteilung. In letzterem Punkt sehe ich die Herausforderung: Rund 25 Milliarden Zigaretten kommen aus dem Ausland und ca. 30 Milliarden Stück entfallen auf OTP (Other Tobacco Products; Anmerk. d. Red.) mit ihren geringeren Margen.
Die Ertragsprobleme lassen sich nicht allein über autonome Preiserhöhungen bei der Fabrikzigarette lösen. Da ist die Industrie, der Gesetzgeber, aber auch der Handel und der Konsument gefordert. Bei der Aufgabe, den Konsumenten darüber zu informieren, dass der 19er-Mindestinhalt keine Preiserhöhung bedeutet, besteht die Gefahr, dass wir ins Leere kommunizieren.
Gleichwohl werden wir uns in diesen Informationsprozess einbringen, sowohl als Haus wie auch über den DZV, aber es wird uns nur bedingt gelingen. Wir hätten uns auf jeden Fall eine größere zeitliche Entzerrung zwischen autonomer Preisanhebung und der Einführung der höheren Mindestinhalte gewünscht. Meine persönliche Meinung ist, dass wir auch mit dem Fortbestand der 17er-Inhalte gut hätten leben können. Und ich sehe auch keine Logik in diesem Schritt.
DTZ: Der Handel dürstet nach einer dauerhaften Margenverbesserung. Wird diese mit den Preisschritten bei der Zigarette auch Wirklichkeit werden?
Ad Schenk: Diese werden nicht zu einem erheblich stärkeren Konsumrückgang führen. Eher rechne ich mit weiteren Konsumverlagerungen, raus aus der Fabrikzigarette, dafür mehr OTP und mehr Schmuggel. Unser Denken bei BAT ist stärker von dem Gedanken geprägt: Wie kann das Segment, das aus unserer Sicht das überlebensfähigste ist, nämlich die in Deutschland versteuerte Fabrikzigarette, geschützt werden.
Der Rest sollte auf ein vertretbares und legales Maß reduziert werden. Unsere Aufgabe dabei: Wie können wir die Substitute von der Qualität wie von der Preis- und Margengestaltung der Fabrikzigarette annähern. Um das noch genauer zu erläutern: Ich bin kein Feind von OTP, aber das sollte wieder ein Marken- und Qualitätsgeschäft mit vernünftigen Margen werden.
Die Selbstfertigung bedeutet für die Konsumenten mehr Aufwand, also sollten diese Produkte auf ein akzeptables Maß reduziert werden werden. Aber es kann nicht Zielsetzung der Beteiligten sein, ein Segment immer mehr zu reglementieren und das andere links liegen zu lassen. Ich bin nicht für eine Einheitssteuer, aber wir sollten darauf achten, dass die Schere zwischen in Deutschland versteuerten Fabrikzigaretten und Substituten nicht immer weiter auseinander geht.
DTZ: Aktuell haben sich die Preisauseinandersetzungen auf den OTP-Bereich verlagert. Dabei stehen sich die Beteiligten auf Industrieseite mit gezücktem Preisskalpell gegenüber, und jeder betont, nicht Auslöser, sondern zwangsläufig Reagierender zu sein.Welchen Ausweg sehen Sie aus dieser Branchenzwickmühle?
Ad Schenk: Die BAT hat hier mehrfach Anstöße gegeben, aus der Erkenntnis heraus, dass dieser Trend der falsche für uns und für die Branche ist. In der Konsequenz mussten wir aber feststellen, dass der Wettbewerb diesen Anstößen nicht folgte und wir an Marktanteil einbüßten.
Es ist ein schmaler Grat, die Balance zu finden zwischen dem, was man für richtig hält, und dem Halten der Wettbewerbsposition. Bei der Entscheidung, keine Pseudopfeifentabake anzubieten, haben wir das durchgehalten. Aber bei anderen Produktsegmenten, die zu groß und akzeptiert sind, können wir nicht sagen, da machen wir nicht mit.
Um es noch einmal auf den Punkt zu bringen: Die langfristige Überlebensfähigkeit der Branche sollte nicht kurzfristigen Zielen geopfert werden. Für die BAT ist die Fabrikzigarette das Kerngeschäft. Bei OTP sollten die Qualität der Produkte und Angebote sowie die Profitabilität im Vordergrund stehen.
DTZ: Ihre kürzlich geäußerte Vision einer neuen Wertigkeit in der Zigarette klingt interessant. Welche Durchsetzbarkeit sehen Sie dafür in einem Markt, der bisher vor allem von den großen Volumina lebt.
Ad Schenk: Schauen wir einmal auf die Preissegmentierung bei der Markenzigarette, die ich für artifiziell halte. Die Preisspreizung liegt in Deutschland gerade mal bei zehn Prozent des KVP, und damit geringer als in den meisten anderen europäischen Märkten. Warum ist dennoch die gefühlte Einschätzung der Preisunterschiede so eklatant?
Hier macht sich die gesellschaftlich geprägte „Geiz-ist-geil-Mentalität“ in Deutschland bemerkbar, die Mentaliität, je billiger, desto besser. Der Wert der Preiswürdigkeit ist verloren gegangen. Es ist doch völlig widersinnig, wenn die Leute ohne mit der Wimper zu zucken einerseits bereit sind, bei Starbucks für, ich sag's mal übertrieben, etwas Kaffee mit aufgeschäumter Milch 4,50 Euro zu zahlen und andererseits nur 5 Cent für eine selbstgefertigte Zigarette ausgeben.
Für mich geht es weniger darum, das Starbucks-Modell in unsere Branche zu übertragen, eher das Modell Nespresso: Rituale vermitteln, eine Welt um gepflegten Genuss und Genussmomente aufbauen. Den Fokus nicht auf schnellen Massenkonsum richten, sondern auf einen bewussten Konsum, sowohl was Qualität als auch was den Preis angeht. Mit unserer Marke Dunhill haben wir diesen Weg begonnen.
Eine reine Mengenorientierung halte ich sowieso für illusorisch, wir haben heute schon fast nur noch die Hälfte des früheren Fabrikzigaretten-Marktvolumens. Die Denkmodelle müssen darüber hinausgehen. Ich denke, mit Dunhill machen wir Schritte in die richtige Richtung, das gilt es weiterzuentwickeln.
DTZ: Auf der anderen Seite steht die Pall Mall Familie, die BAT im Frühjahr auch gegenüber den Konsumenten auf Augenhöhe mit den anderen Niedrigpreismarken positioniert hat. Welche Durchsetzungskraft sehen Sie für Pall Mall in einem Markt, dem vielleicht eine neue Welle der Preissensibilität bevorsteht?
Ad Schenk: Im Massenmarkt ist BAT u.a. mit Lucky und Pall Mall gut positioniert. Bei der Pall Mall haben wir mit der Tiefpreisgarantie für die Konsumenten eine deutliche Aussage getroffen: Wer auf der Suche nach einer wirklich preisgünstigen, international erfolgreichen Marke ist, der liegt bei Pall Mall richtig. Und auch branchenpolitisch haben wir damit ein klares Signal gesetzt: Wo immer der Wettbewerb im
Niedrigpreissegment seine Produkte positioniert – Pall Mall ist unsere Antwort. Und keine weitere Marke. Dabei halte ich das Potenzial der Pall Mall unverändert für sehr hoch: In den neuen Bundesländern hat die Marke einen Markanteil von über 20 Prozent, ebenso in Berlin. Ich bin überzeugt, dass auch für Gesamtdeutschland ein langfristiges Potenzial in dieser Größenordnung für die Pall Mall vorhanden ist.
DTZ: Der Handel wünscht sich den stärkeren Dialog: Bei den großen Themen, die die Erträge maßgeblich mitbestimmen, wie bei den kleinen Themen, die das tägliche Miteinander gestalten. Sehen Sie die Möglichkeit, hier durch eine Intensivierung der Gespräche das gegenseitige Verständnis, die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen und damit auch die Bereitschaft, gemeinsam Dinge nach vorne zu tragen, nachhaltig zu fördern?
Ad Schenk: Es gibt für die gesamte Branche die Notwendigkeit, bei Branchenthemen in einen stärkeren, besseren Dialog zu treten. Hier sehe ich vor allem auch eine Aufgabe für den DZV, dies klarer und strukturierter voranzutreiben.
In weiteren Schritten ist es auch wichtig, mit anderen Branchenverbänden den Konsens zu suchen und zu finden. Im direkten Gespräch der BAT mit dem Handel bin ich zuversichtlich, dass mit Dr. Arno Lippert und Christian Löwe zwei Persönlichkeiten dem Vertrieb voranstehen, die klar und direkt mit dem Handel kommunizieren.
Die BAT hat sich inzwischen organisatorisch klar aufgestellt und wird mit großer Bereitschaft in den weiteren Dialog mit dem Handel gehen. Ad Schenk: „Bei OTP sollten Qualität der Produkte und die Profitabilität im Vordergrund stehen.“
(DTZ 25/09)