Unterschiedliche Auslegungen des Nichtraucherschutzgesetzes stiften Verwirrung im Einzelhandel
Darf man oder darf man nicht? Das Nichtraucherschutzgesetz sorgt für Unklarheiten – auch im Tabakwareneinzelhandel. Denn viele Geschäfte sind mit Kaffee- und Raucherecken ausgestattet. Doch darf überhaupt geraucht werden, wenn Getränke ausgeschenkt werden oder greift dann das Gaststätten- und somit das Nichtraucherschutzgesetz? Die DTZ hat nachgefragt.
[br*000038.JPG**] Kaffee ist mehr als nur ein einfaches Getränk. Man trifft sich „zum Kaffeetrinken“, bietet bei Verkaufsgesprächen oder Geschäftsterminen das braune Gebräu an; ganz gleich, ob es der schicke aufgeschäumte Milchkaffee, der kräftige Espresso oder die klassische Kanne Kaffee ist. Das schwarze Getränk verbindet und schafft einen angenehmen Rahmen für Gespräche. Im Dschungel der Rauchergesetze blicken aber viele Einzelhändler und Kunden nicht mehr durch. Was ist überhaupt noch erlaubt?
Julius Wagner vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) versucht auf DTZ-Anfrage im Dickicht der Gesetze durchzublicken. „Geraucht werden darf unseres Erachtens, wenn Einzelhändler Kaffee oder Tee unentgeltlich ausschenken oder einen Automaten aufstellen“, so der Referent der Dehoga-Geschäftsführung. „Gibt ein Händler so genannte ,Kostproben‘ an seine Kunden aus, fällt das nicht unter das Rauchverbot.“ Auch bei einem Friseurgeschäft werde schließlich Gratis-Kaffee an die Kunden ausgeschenkt, vergleicht der Referent.
Verkauft ein Einzelhändler dagegen die Getränke an seine Kunden, werde sein Geschäft zur Gaststätte und brauche somit eine Konzession. „Dann greift das Rauchverbot“, so Julius Wagner.
Gaststättengesetz ist Bundesgesetz
Das Gaststättengesetz ist Bundesgesetz. Es sei daher keine für alle Bundesländer einheitliche Regelung vorhanden. „Es gibt 16 unterschiedliche Gesetzgebungen“, so Wagner. Den Durchblick zu haben, sei schwer. Auf der Homepage der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz in Berlin heißt es ähnlich: „Das Nichtraucherschutzgesetz gilt damit auch für Bäckereien, Tabakwaren- und Zeitungsläden, in denen zum Beispiel Kaffee oder Snacks verkauft werden, aber nicht für den Friseursalon, der seinen Kunden kostenlos einen Kaffee anbietet.“ Der Meinung von Julius Wagner und des Landes Berlin schließen sich laut einer Statistik des Bundesverbandes des Tabakwaren-Einzelhandels (BTWE), die auf der Internetseite www.tabakwelt.de veröffentlich ist, auch die Bundesländer Bayern, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Sachsen an: Kaffee kostenlos ausschenken ist okay, nimmt der Händler dafür Geld, darf in seinem Geschäft nicht mehr geraucht werden. In Baden-Württemberg ist das Rauchen in Tabakwaren-Fachgeschäften generell erlaubt – ganz gleich, ob Getränke bezahlt oder gratis über die Ladentheke gehen. Ähnlich sieht das auch das Ministerium für Arbeit, Gesundes und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (Mags). Laut Pressestelle ist in dem Bundesland das Rauchen in Tabak-Geschäften erlaubt, ganz gleich, ob der Kaffee gegen Bezahlung oder entgeltlos oder aber über einen Automaten ausgegeben wird. „Es handelt sich hier nicht um eine Schank- oder Speisewirtschaft. Die Regeln des Nichtraucherschutzgesetzes finden keine Anwendung. Für den Fall, dass ein Tabakwaren-Fachgeschäft gleichzeitig als gastronomischer Betrieb angemeldet ist, gelten die Regeln für die Gastronomie“, heißt es auf der Mags-Homepage. „Es stehen aber keine präzisen Angaben im Gesetz“, ergänzt ein Sprecher der Ministeriums-Pressestelle. Der komplett andere Fall gilt nach BTWE-Angaben für Brandenburg. Hier dürfen Tee und Kaffee weder gegen Bezahlung noch unentgeltlich ausgegeben werden, ebenso in Thüringen. Auch in Hamburg gilt das Nichtraucherschutzgesetz im Einzelhandel, sobald Speisen oder Getränke angeboten werden, heißt es auf der Internetseite der Hansestadt.
Für das Saarland gilt: „Wenn Getränke und Speisen abgegeben werden, egal ob entgeltlich oder nicht, darf nur dann geraucht werden, wenn es sich um ein inhabergeführtes Geschäft handelt“, so Stephan Kolling, Pressesprecher und Leiter des Ministerbüros des Ministeriums für Justiz, Arbeit, Gesundheit und Soziales in Saarbrücken auf DTZ-Anfrage.
Vom Ministerium für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren des Landes Schleswig-Holstein antwortet der stellvertretende Pressesprecher Christian Kohl: „Wenn die Ausgabe der Getränke mittelbar auch das Kerngeschäft befördert, muss von einer gewerblichen Tätigkeit ausgegangen werden. Damit gelten die Regelungen des Gaststättengesetzes und somit das Nichtraucherschutzgesetz.“ Diese Aussage ist vielfältig auslegbar. Ab wann fördert die Ausgabe das Geschäft? Scheinbar darf hier der Händler, aus purer Freundlichkeit gegenüber dem Kunden, weiter Kaffee ausschenken und gleichzeitig das Rauchen im Laden gestatten. Für Bremen liegt der Redaktion leider keine Antwort vor.
Kaffee hält die Kunden länger im Geschäft
Wie auch immer die Regelungen sind, viele Tabakwaren-Einzelhändler möchten auf diesen Service am Kunden nicht verzichten. So auch nicht Michael Keistler von Keistler tabac international in Frankenthal. „Kaffee fördert die Gemütlichkeit, der Kunde verbringt mehr Zeit hier im Geschäft“, sagt Keistler, der vor vielen Jahren bereits in seinen ersten Kaffee-Automaten investierte. „Wir verkaufen zwar keinen Kaffee, schenken ihn unentgeltlich aus, doch das rechnet sich trotzdem“, so der Händler. „Der Kunde fühlt sich wohl, blättert bei einer Tasse Kaffee vielleicht in einer Zeitschrift und findet dort noch interessante Produkte, die er kaufen möchte. Außerdem passt Espresso gut zur Zigarre. Und die Kunden wissen diesen Service zu schätzen“, fügt Keistler hinzu. Und die Deutschen lieben Kaffee, bestätigt der Deutsche Kaffeeverband in Hamburg. Der durchschnittliche Pro-Kopf-Konsum betrug im vergangenen Jahr 146 Liter und liegt damit auf Vorjahresniveau. Das ist mehr als beim Mineral- und Heilwasser (130,4 Liter, Konsum 2007) oder Bier (116 Liter, Konsum 2006). Somit ist Kaffee weiterhin das meist konsumierte Getränk in Deutschland.
Katrin Heß
(DTZ 21/08)