Gutes Karma für Raucher

MAINZ // Sie sind klein, haben aber eine gigantische Wirkung: 4,5 Billionen Zigarettenkippen landen jedes Jahr in der Umwelt. Derart achtlos weggeworfen gefährden sie massiv auch die Sauberkeit der Meere. Zwei Unternehmer aus Indien haben eine Lösung für ihren nachhaltigen Nutzen gefunden.

Die meisten Filter bestehen aus Zelluloseacetat und zersetzen sich zum Teil erst nach 15 Jahren – eine Erkenntnis, die die kreative Initialzündung für Chetana und Ved Roy war: Das Ehepaar katapultierte damit das Thema Zigaretten zum Selbstdrehen (Roll your own, kurz RYO) auf eine neue Ebene.

Bahnbrechende Idee
Ihre Idee, ein Filter aus organischen Materialien zu entwickeln, der nach dem Wegwerfen blüht, kam Ved Roy in Gesprächen mit der Zigarettenindustrie. Roy, damals noch in der Werbebranche tätig, erfuhr, dass das Papier, aus dem die Mehrzahl der maschinell gefertigten Zigarette besteht, mehr Chemikalien und Karzinogene beinhalte als der eigentliche Tabakinhalt. Das wollte er so nicht hinnehmen. Gemeinsam mit seiner Frau gründete er 2015 die Firma „Prasadam Papers“ und begann , seine Vision von biologisch abbaubaren Zigarettenfiltern zu realisieren. Den Ort für Entwicklung und Produktion fanden sie in Gauribidanur, im indischen Bundesstaat Karnataka.

Filter mit Pflanzensamen
Ihre Filterblättchen, die [link|http://www.karmatips.in]„Karma Tips“[/link], bestehen zu 100 Prozent aus Papier, das aus Baumwolle gefertigt wird. Der Clou dabei: Sie enthalten Pflanzensamen wie Amaranth, Basilikum, Spinat, Rosmarin oder Wildblumen. Wird das Filterröllchen auf den Boden geworfen oder in die Erde gesteckt, keimen die Samenkörner im Papier und treiben aus.

Drei Jahre nach der Firmengründung 2018 waren die ersten Produkte marktreif. „Der Erfolg war überwältigend“, erinnert sich Roy im Gespräch mit dem „Tobacco Journal International“ (TJI), einer Schwesterzeitschrift von DTZ. Eine der größten Herausforderungen sei dabei die Trennung des Nikotins von den Pflanzensamen gewesen. „Das funktionierte schließlich mit mikrodünnem Bananenpapier“, erklärt Roy. Die Samen liegen dabei zwischen zwei hauchdünnen Papierlagen.

Umweltfreundlichen Produktion
An eine maschinelle Produktion war nicht zu denken: Das anspruchsvolle Produkt kann nur in Handarbeit gefertigt werden. „Das war Glück im Unglück“, verrät Roy. Denn neben der umweltfreundlichen Produktion stand für die Roys fest, dass sie auch die Menschen vor Ort unterstützen wollen. „Ich habe fast 35 Jahre in Delhi und Mumbai, zwei Metropolen mit über 50 Millionen Einwohnern gelebt. Ich hatte keine Ahnung vom Landleben und den Menschen dort“, erklärt Roy. Das ändert sich. Heute arbeiten über 40 Familien in den Dörfern rund um die Fabrik direkt und indirekt für das Unternehmen. Vor allem die Frauen profitierten von einem festen Einkommen. „Wir unterstützen Schulen und die Bildung für die Kinder“, ergänzt Roy. „Darüber hinaus zeigen wir den Bauern wie sie in einem von der Dürre stark betroffenen Bezirk dennoch nachhaltig anbauen können.“

Auch während der Pandemie lieferte die Kreativschmiede der Roys neue Produkte: etwa Filter aus Maisschalen (Curn-Husk-Filter), die sich 15 Tage nach Gebrauch biologisch abbauen und ebenfalls Pflanzensamen enthalten, oder eine kostengünstige und widerstandsfähige Einkaufstasche aus Karma-Papier. Die Tasche soll in Zusammenarbeit mit dem Zigarettenpapierhersteller „Roll Seda“ realisiert werden und demnächst in den USA und in Deutschland auf den Markt kommen, kündigt Ved Roy an.

Marie Mayer

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