BERLIN // 130 Milliarden Euro will die Bundesregierung ausgeben, um die deutsche Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. DTZ geht der Frage nach, wie insbesondere die Mehrwertsteuersenkung sich auf den Fachhandel auswirkt.
Binnennachfrage
Die Aussage ist klar: Die Regierung möchte „die Konjunktur stärken und die Wirtschaftskraft Deutschlands entfesseln“. Dabei soll unter anderem der Mehrwertsteuersatz vom 1. Juli bis zum 31. Dezember von 19 auf 16 beziehungsweise von sieben auf fünf Prozent reduziert werden. Diese „Stärkung der Binnennachfrage“ lässt Berlin sich 20 Milliarden Euro kosten.
Positiv sieht denn auch der Handelsverband Deutschland (HDE) das Maßnahmenbündel: „Es werden wichtige Konjunkturimpulse gesetzt, die auch den Handel wieder in Schwung bringen können“, sagt Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Zudem wirke eine reduzierte Mehrwertsteuer in diesem Umfeld tendenziell preissenkend.
Förderpotenzial
Das Förderpotenzial ist denn auch wenig umstritten. Allerdings stellen sich Beobachter die Frage, ob der Steuernachlass tatsächlich beim Konsumenten ankommt und wie das schnelle Umstellen funktionieren soll. Denn für den Handel stellt eine Umpreisung für alle Artikel einen immensen Mehraufwand dar.
Nebensortimente
Noch deutlicher wird die Situation mit Blick auf Nebensortimente wie Presse und Buch. Für sie muss der Händler den Umsatzsteuersatz zahlen, der beim Versandbeginn gilt. Für ein Buch, das am 30. Juni das Logistikzentrum verlässt, ist somit der alte Steuersatz fällig, einen Tag später der reduzierte Satz.
Neue Berechnung
Spannend wird es im Laden, denn, erläutert Ralf Klein von der Essener Steuerberatungsgesellschaft FRTG: „In Deutschland gilt die Buchpreisbindung für den Brutto-, also den Ladenpreis. Der Bruttobetrag muss neu berechnet werden, auch wenn der Einkauf zum alten Steuersatz erfolgte.“ Bleibt die Frage, ob der Handel ein Buch, das bislang 19,90 Euro gekostet hat, tatsächlich für dann 19,53 Euro verkauft. Schließlich unterliegen Bücher, Zeitungen und Zeitschriften der Preisbindung. Damit darf der aufgedruckte Preis nicht unterschritten werden – eigentlich. Es drohen zudem Abmahnungen. Den praktikablen Weg, auf großen Schildern auf die temporär ermäßigten Steuersätze hinzuweisen, verbietet zudem die Preisangabenverordnung. Die Möglichkeit, einfach die alten Preise zu kassieren und die gesparte Mehrwertsteuer im Handel zu behalten, verbietet sich aufgrund drohender Imageschäden.
Tabakfachhandel
Einfacher haben es reine Tabakwarenhändler, denn im Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz heißt es: „Für den Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember gilt für Zwecke der Berechnung der Mindeststeuer (…) weiter der zum 1. Januar 2020 gültige Steuersatz von 19 Prozent.“ Der Grund: „Eine Änderung der Mindeststeuerberechnung hätte umfassende Auswirkungen auf den gesamten Tabaksteuertarif und zwangsläufig den Druck und die Bestellung neuer Steuerzeichen, die Vernichtung von alten Steuerzeichen und bereits mit alten Steuerzeichen versehenen Tabakwaren sowie gegebenenfalls den Rückruf bereits im Handel befindlicher Ware zur Folge.
Insgesamt bleibt jedoch das Problem, dass die Umstellung aufgrund der kurzen Frist in einer juristischen Grauzone erfolgen muss.
max
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