ich beginne heute mal mit einem Hinweis in eigener Sache. Am Montag schrieb ich Ihnen, jeder Mensch in Deutschland würde einen Wohlstandsverlust von 4100 Euro hinnehmen müssen. Gestern war dann in vielen Zeitungen zu lesen, es handele sich um 3600 Euro. Sollte ich mich so verrechnet haben? Nein, denn zum einen variieren die aktuellen Prognosen der Ökonomen zum Minus des Bruttoinlandsproduktes in Deutschland 2020 leicht, zum anderen habe ich auch das ursprünglich für 2020 vorhergesagte Wachstum um 1,1 Prozent einbezogen. Unterm Strich steht aber das gleiche Ergebnis: Corona wird sehr, sehr teuer.
Angemessene Risikobewertung
Die Bild-Zeitung hat das Meinungsforschungsinstitut Insa eine Umfrage durchführen lassen. Die Teilnehmer sollten sagen, wovor sie sich momentan am meisten fürchten. Spannendes Ergebnis: Rund 30 Prozent der arbeitenden Deutschen haben demnach mehr Angst vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus als vor einem Jobverlust. Arbeitende Bevölkerung bedeutet: zwischen 16 und 65 Jahre alt. Und wir wissen, dass die ganz überwiegende Zahl der Erkrankungen mit milderen Symptomen verläuft als eine handfeste Grippe. Erlauben Sie mir die platte Formulierung: Zumindest diese 30 Prozent nehmen lieber eine womöglich jahrelange Arbeitslosigkeit in Kauf als zwei Wochen Quarantäne?! Eine angemessene Risikobewertung sieht, denke ich, anders aus.
Der R-Wert des RKI
Gut gefallen hat mir gestern der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki, ohnehin kein Freund schwammiger Reden. Die Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) „vermitteln eher den Eindruck, politisch motivierte Zahlen zu sein als wissenschaftlich fundiert“, polterte er. Insbesondere nahm er sich die sogenannte Reproduktionszahl vor, die zu erläutern ich mir hier spare. Bayerns Landesvater Markus Söder freute sich gerade öffentlich über einen R-Wert von 0,57 – obwohl der Freistaat die meisten Infizierten aufweist. Das RKI hatte dagegen vorgestern einen kritischen Wert von 1 gemeldet, gestern waren es dann wieder 0,9. Zitat Kubicki: „Woher dieser Wert bei sinkenden Infektionsraten kommen soll, erschließt sich nicht einmal mehr den Wohlmeinendsten.“ Immerhin hat der Schleswig-Holsteiner auch eine Erklärung parat: „Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, aber der R-Wert des RKI steigt ausgerechnet zur Konferenz der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten, bei der vor weiteren Lockerungen gewarnt werden soll.“
Mutmacher-Meldung des Tages
Kennen Sie Isaac Ben-Israel? Der Mann ist Professor in Tel-Aviv – kein Mediziner, sondern Mathematiker, außerdem Generalmajor der israelischen Armee und Vorsitzender des Nationalen Rates für Research und Entwicklung. Er hat die Ausbreitung des Virus mit verschiedenen Modellen getestet und kommt zu dem Schluss: Nach 70 Tagen verschwindet das Virus – ganz egal, was wir tun. Ob da wirklich etwas dran ist. Die Studie schafft es heute jedenfalls zur Mutmacher-Meldung des Tages.
Haben Sie einen schönen und erfolgreichen Mittwoch.
Herzlich,
Marc Reisner,
Chefredakteur DTZ
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