„Kein Anlass für Aktionismus“

BERLIN // In der Hauptstadt wird der Ruf nach stärkerer Regulierung für die Tabakbranche immer lauter. DTZ sprach mit Gero Hocker, für die FDP Mitglied des Bundestages und Sprecher im Ausschuss für Landwirtschaft und Ernährung der FDP-Bundestagsfraktion, über Werbeverbote, entmündigte Verbraucher und alternative Produkte.

Die Tabakbranche ist reguliert wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig. Halten Sie die Auflagen für angemessen?
Dr. Gero Hocker: Der Konsum von Tabakerzeugnissen ist mit erheblichen Gesundheitsrisiken verbunden und deshalb ist eine passgenaue Regulierung selbstverständlich sinnvoll. Mir ist im Deutschen Bundestag auch kein Abgeordneter bekannt, der ernsthaft das Abgabeverbot an Minderjährige oder die Regelung der zulässigen Zusatzstoffe zur Disposition stellen würde. Dennoch gilt es festzuhalten: Deutschland ist gemeinsam mit einigen anderen Ländern der EU bei der Regulierung bereits jetzt Vorreiter.


Können Sie das an einem Beispiel festmachen?

Hocker: Ja, so konnten zusammen mit freiwilligen Selbstverpflichtungen der Unternehmen in den vergangenen Jahren große Erfolge erzielt werden, die sich erfreulicherweise in dauerhaft sinkenden Zahlen bei jugendlichen Rauchern niederschlagen. Für ideologisch bedingten Aktionismus besteht keinerlei Anlass.

Gegner von Werbeverboten, Schockbildern und so fort vertreten die Auffassung, dadurch würde letztlich der mündige Verbraucher entmündigt. Wie sehen Sie das?
Hocker: Sehen Sie: Informationen sind das A und O für einen mündigen Verbraucher. Der Wegfall von Teer-, Nikotin- und Kohlenmonoxidemissionswerten auf Zigarettenpackungen im Zuge der EU-Tabakrichtlinie war deshalb ein Schritt in die falsche Richtung. Das gilt auch für ein Totalwerbeverbot, wie es im Moment politisch diskutiert wird.

Wie begründen Sie das?
Hocker: Fehlende Werbemöglichkeiten zementieren die Marktmacht etablierter Unternehmen und erschweren es den risikoärmeren Innovationen, ihren Fuß in die Tür zu bekommen. Dass ausgerechnet die SPD die „Großen“ schützen möchte und die Grünen bei ihrem Gesetzesentwurf den Gesundheitsaspekt völlig außer Acht lassen, ist schon bemerkenswert.


Was halten Sie davon, dass der Staat seinen Bürgern erklären möchte, was gut und was schlecht für sie ist?

Hocker: Es muss klar sein, dass mit dem Erreichen der Volljährigkeit eine stärkere Verantwortung für das eigene Handeln einhergeht. Eine Art Nanny State lehne ich entschieden ab. Dieser würde jede Verbraucherentscheidung vorgeben – vom Tabakprodukt über den Zuckeranteil in der Limonade bis zur Verpackungsgröße von Fertigprodukten. Solche Freiheitseinschränkungen der Politik haben nicht nur schädliche Nebenwirkungen, sondern wollen den Bürger auch für dumm verkaufen.

Wenn es um Werbeverbote geht – müssten dann nicht konsequenterweise Tabakwaren komplett verboten werden? Stattdessen kassiert der Staat bei der Tabaksteuer kräftig ein …
Hocker: Das Leben ist voller Risiken – vom Tabakwarenkonsum über Alkoholgenuss bis zur Schokolade am Abend oder zu kurvenreiche Ausfahrten mit meinem Motorrad am Wochenende. Die Politik hat aber nicht Richter darüber zu sein, wie mündige Bürger ihre Zeit zu verbringen haben. Ich behaupte, dass in allen vier genannten Beispielen die langfristig möglichen Auswirkungen hinlänglich bekannt sind und dass dennoch die Entscheidung für Tabak, Alkohol, Schokolade oder Motorrad bewusst getroffen wird.

Das ist die Freiheit des Einzelnen.
Hocker: Genau, und eben diese Entscheidungsfreiheit macht das Leben aus und ist aus meiner Sicht eine Frage der Selbstbestimmung. Wenn ein Kollege im Ausschuss diesen Umstand regelmäßig kritisiert und die Tabakunternehmen als raffgierig darstellt, muss ich zudem des Öfteren schmunzeln: Ungefähr 75 Prozent des Verkaufspreises fließen an den Staat, der im Vergleich zu den Unternehmen kein Risiko trägt, aber dem Verbraucher weitaus stärker in die Tasche greift.

max

Lesen Sie das vollständige Interview in DTZ 09/19.

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