BERLIN (DTZ/pnf). Die Gesamtbetriebsratsvorsitzenden der Tabakbranche in Deutschland haben am Dienstag in einer gemeinsamen Pressekonferenz klargestellt, dass mit den momentanen EU-Plänen zur Tabakregulierung deutschlandweit bis zu 100.000 Arbeitsplätze bei Herstellern, Zulieferern, Pflanzern, Groß- und Einzelhändlern bis zu nachgelagerten Dienstleistern auf dem Spiel stehen.
Die Forderung der Arbeitnehmervertreter an die Politik: Bei einer derart gravierenden Neu-Regulierung dürfen die Existenzsorgen von rund 100 000 Arbeitnehmern der Tabakbranche, davon alleine 12 000 bei den in derKonferenz vertretenen Unternehmen, nicht ignoriert werden.
Stichtag ist der 8. Oktober: Dann stimmen die Europaabgeordneten in Straßburg nicht nur über einen der umfassendsten Regulierungsvorschläge der jüngsten Vergangenheit – die Tabakprodukt-Richtlinie (TPD) – ab, sondern auch über die Zukunft Tausender Arbeitsplätze in Deutschland. „Wir unterstützen eine sinnvolle Regulierung. Die aktuellen Vorschläge aus Brüssel halten wir aber für gar nicht zielführend, sie sind sogar kontraproduktiv. Durch die Maßnahmen wird es – wie von vielen Experten angeführt – zu einem Anstieg des illegalen Handels und zu sinkenden Preisen und damit zu einer Verschlechterung des Jugendschutzes kommen“, so Gerd Willems Gesamtbetriebsratsvorsitzender JT International GmbH. „Hier geht es um unsere Existenzen. Wir fordern Gehör und eine konsensfähige Lösung unter Berücksichtigung aller Argumente.“
EU-Maßnahmen ignorieren Realität der Beschäftigten
Großflächige Schockbilder auf 75 Prozent der Verpackungsfläche, Produktstandardisierungen und das Verbot vieler Produkte bis hin zur Einheitszigarette durch die Hintertür in Folge der Einführung einer sogenannten Positivliste für Zusatzstoffe. Die Maßnahmenpalette der EU war bereits drastisch, der Vorschlag des Gesundheitsausschusses des Europäischen Parlaments (ENVI) geht in der Radikalität seiner Forderungen sogar noch weiter. Die wesentlich ausgewogeneren Änderungsvorschläge der fünf mit beratenden Ausschüsse wurden während des parlamentarischen Prozesses hingegen nicht berücksichtigt. „Die von den Bürgern gewählten Volksvertreter aus den wichtigen Gremien Landwirtschaft, Recht, Internationaler Handel, Industrie und Verbraucherschutz haben klar Stellung bezogen. Dass diese Aspekte im weiteren Prozess einfach außer Acht gelassen werden konnten, ist eine riesige Schweinerei und trägt nicht unbedingt zum Vertrauen in Europa bei“, sagt Andreas Clemens, Betriebsratsvorsitzender Cigarettenfabrik Heintz van Landewyck GmbH. Kurz vor der Abstimmung zur neuen Tabakprodukt-Richtlinie (TPD) am 8. Oktober im Europäischen Parlament zeigen sich die Gesamtbetriebsräte der Tabakbranche daher tief enttäuscht von der deutschen Politik. „Standortsicherung war im Wahlkampf ein wichtiges Thema, doch nun wird klar: Wenn es um Arbeitsplätze in der Tabakwirtschaft geht, werden die Beschäftigten zu Arbeitnehmern 2. Klasse“, sagt Martin Schulte, Betriebsratsvorsitzender Joh. Wilh. von Eicken GmbH. Die Unterstützung der Politik sollte deutlich größer sein.
Eines wird die EU sicher erreichen: den Verlust von Arbeitsplätzen, einen blühenden Schwarzmarkt und deutlich geringere Steuereinnahmen. „Wir fordern die Politiker auf, sich für die Betroffenen, die sie vertreten, einzusetzen und nicht einer europaweiten Verbotspolitik zu folgen. Anscheinend sind die Berührungsängste mit der Tabakwirtschaft aber zu groß“, sagt Paul Walberer, Gesamt-Betriebsratsvorsitzender von British American Tobacco (BAT). Tabakwaren sind legale Produkte, daher sollten für Beschäftigte der Tabakunternehmen die gleichen Rechte gelten wie für andere Industriezweige – zum Beispiel das Recht, angehört zu werden und die Forderung nach politischer Unterstützung bei der Sicherung von Arbeitsplätzen.
„Die Tabakproduktrichtlinie geht zu weit: Jugend- und Gesundheitsschutz sind wichtig und wir unterstützen diesen. Doch Aufklärung lässt sich nicht durch Schockbilder erreichen. Durch die geplanten Einschränkungen werden weniger Menschen in die Kioske kommen. Und die, die kommen, werden weniger kaufen – auch die Nichtraucher“, sagt Joe Hendrich, Gesamtbetriebsratsvorsitzender vom Großhandelsunternehmen Lekkerland. „Denn wer will schon einen Schokoriegel kaufen oder gemütlich Kaffee trinken, wenn ihm von allen Seiten Schockbilder entgegenspringen? Das kann unseren Kunden, den kleinen Kiosken, Trinkhallen und Tabakwarenfachgeschäften, im schlimmsten Fall das Genick brechen.“
Auch für die Steuereinnahmen bedeutet die TPD herbe Einschnitte: Allein im letzten Jahr betrugen diese ohne Berücksichtigung der Zuliefererbetriebe 14,1 Milliarden Euro. „Eine Summe, auf die Deutschland nicht einfach verzichten kann“, sagt Paul Walberer, Gesamt-Betriebsratsvorsitzender von British American Tobacco (BAT).
TPD schießt am Ziel vorbei
In den vergangenen Jahren ist dank umfangreicher Aufklärungs- und Informationskampagnen die Raucherquote bei Jugendlichen kontinuierlich zurückgegangen und mittlerweile auf einem historischen Tiefstand. Der Anteil jugendlicher Raucher hat sich laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in nur zehn Jahren halbiert und gehört mit nun noch zwölf Prozent zu den niedrigsten, die seit Beginn der Studien zum Rauchen gemessen wurden. Die Tabakbranche und der Handel haben erfolgreiche Maßnahmen zum Jugendschutz mitgestützt. „Dass mit der TPD jetzt ein Regulierungsmonstrum auf die Branche zukommt, ist ein Schlag ins Gesicht. Hier wird eine legale Branche kaputt reguliert“, sagt Heike Prieß, Betriebsratsvorsitzende Reemtsma Cigarettenfabriken GmbH. In den vergangenen zwölf Monaten haben die Beschäftigten Politiker auf allen Ebenen über ihre Situation informiert. Es wurden Postkarten geschrieben, Briefe verschickt und es wurde zu Diskussionsveranstaltungen eingeladen. Einzelne Politiker haben Interesse gezeigt. Die Mehrheit hat die Anliegen der Beschäftigten jedoch ignoriert.
„Es liegt nun an der Politik, unter Abwägung von Zielen und Konsequenzen zu handeln und das Thema Standortsicherung ernst zu nehmen. Wir kämpfen um den Erhalt der Arbeitsplätze unserer Kolleginnen und Kollegen und setzen dabei auf die Unterstützung unserer Volksvertreter“, sagt Bodo Schmidt, Betriebsratsvorsitzender der Philip Morris GmbH. „Das Ziel, die Öffentlichkeit für die gesundheitlichen Risiken des Rauchens zu sensibilisieren, und der Schutz von Arbeitsplätzen schließen sich nicht aus. Die Konsequenzen für die Beschäftigten in dieser legalen Branche müssen aber ernsthaft in der Meinungsbildung berücksichtigt werden. Es geht nicht um ein ‚entweder oder‘, sondern um ein ‚sowohl als auch‘.“
Andreas Clemens von dem Trierer Tabak-Mittelständler Heintz van Landewyck äußert sich abschließend: „Unsere Branche gibt vielen qualifizierten Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmern eine Chance. Diese Menschen sind beunruhigt und wollen Antworten von der Politik. Aber die versteckt sich. Wenn alles so kommt, wie es in dem Entwurf der Richtlinie steht, dann wird es die Firma Landewyck in Trier so nicht mehr geben.“
(DTZ 40/13)
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