Blog

  • „Der Markt ist 2021 recht stabil“

    MAINZ // Wie sieht die Situation für die Zigarrenindustrie aus? Diese Frage stellen sich viele Fachhändler. Antworten gab jetzt Bodo Mehrlein, Geschäftsführer im Bundesverband der Zigarrenindustrie (BdZ), beim Gespräch mit DTZ.

    Herr Mehrlein, welche Bedeutung hat die Zigarre heute – insbesondere in einer so verwirrenden Welt, wie sie sich uns gerade zeigt?
    Bodo Mehrlein: Sie meinen die Situation rund um die Pandemie? Während Corona hatten wir 2020 recht positive Absatzzahlen in Deutschland. Die Menschen greifen in solchen Zeiten häufiger zu einer guten Zigarre, aber auch zu Spirituosen, zu hochwertiger Schokolade … Das ist für viele ein Ventil, um Stress abzubauen und sich mal etwas Gutes zu gönnen.

    Sie betrachten Zigarren und Zigarillos als Genussartikel für besondere Momente?
    Mehrlein: Genau. In dieser schwierigen Zeit dient die Zigarre durchaus auch als Stütze und Seelentröster.

    Sie haben schon die leicht höheren Umsätze angesprochen. Können Sie den Markt zahlenmäßig umreißen?
    Mehrlein: Wenn wir auf die Versteuerungsstatistik blicken, stellen wir fest: 2020 war ein sehr positives Jahr. Dabei stellen wir einen Trend zu hochwertigen Zigarren fest. Hinzu kommt, dass die Menschen nicht in den Urlaub gefahren sind und während dieser vier bis sechs Wochen die Produkte im Inland gekauft haben und nicht am Reiseziel, etwa in Spanien oder Italien. Urlaub kostet Geld, und dieses eingesparte Geld haben viele Menschen für hochwertige Luxusartikel eingesetzt. Für 2021 liegen noch keine Zahlen vor, aber der Markt dürfte sich eher stabil bis leicht rückläufig zeigen.

    Welche Produkte waren besonders gefragt? Machen Sie Trends aus?
    Mehrlein: Interessanterweise zog sich das eigentlich durch alle Produktgattungen. Die Schnelldreher hatten gute Chancen, denn als die Fachhändler während der Pandemie geschlossen hatten, haben eher die Produkte Umsätze generiert, die an der Tankstelle oder im Lebensmittelhandel erhältlich sind. Auf der anderen Seite sind auch hochwertige Zigarren – etwa Limited Editions – gerade im Internethandel sehr gut gelaufen.

    Gibt es weitere Entwicklungen?
    Mehrlein: Grundsätzlich erkennen wir seit vielen Jahren einen Trend zum Zigarillo und bei Longfillern und Zigarren insgesamt zu eher kurzen Produkten wie Robustos. Das ist der Tatsache geschuldet, dass die Momente, in denen man eine Zigarre genießen kann, immer kürzer werden.

    Wie ist es denn mit Zigarren-Events? Die sind ja in den vergangenen Monaten zu kurz gekommen. Genießen die Menschen ihre Zigarren häufiger in den eigenen vier Wänden oder im eigenen Garten?
    Mehrlein: Das ist richtig. Aufgrund der Kontaktbeschränkungen waren Zigarren-Lounges und ähnliche Orte größtenteils geschlossen. So haben sich viele Leute in kleinen Gruppen im Privaten getroffen. Und es kann sehr schön sein, auf der Terrasse zu sitzen, einen leckeren Rum zu trinken und eine Zigarre dazu zu genießen.


    Außerdem waren viele Menschen im Homeoffice …

    Mehrlein: Wenn man im Büro ist, gibt es meist deutliche Beschränkungen, wenn es ums Rauchen geht. Im Homeoffice nutzt der eine oder andere zehn Minuten Pause für eine Zigarre oder ein Zigarillo.


    Welche Rolle hat in dieser Zeit das Thema Online-Verkostungen gespielt?

    Mehrlein: Tatsächlich wurden solche Events in den sozialen Medien häufig angeboten. Solche Angebote sind natürlich interessant. Ich weiß nicht, wie viele Teilnehmer diese Veranstaltungen letztlich hatten, aber ich denke, da gab es durchaus erfolgreiche Verkostungen.


    Können Sie sagen, wie die Struktur der Zigarrenraucher ist?

    Mehrlein: Das Gros der Raucher von Zigarren und Zigarillos sind Männer gehobenen Alters. Das geht aus dem Eurobarometer aus dem vergangenen Jahr hervor, also offiziellen Daten. Fest steht: Es sind keine Jugendlichen, keine jungen Raucher, die zu Zigarren und Zigarillos greifen, und es handelt sich um reine Genussartikel. Zudem werden Zigarren nur gelegentlich und zu besonderen Anlässen geraucht. Sehr wichtig ist für uns: Zigarren, Zigarillos und Tabakpfeifen sind keine Einstiegsprodukte.

    Ein anderes Thema: Sie sprechen für den Bundesverband der Zigarrenindustrie. Wie groß ist diese Organisation?
    Mehrlein: Wir haben 16 Mitglieder. Darunter sind auch einige Vertriebsgesellschaften, also Firmen, die nicht selbst in Deutschland herstellen, sondern die Produkte von Herstellern im Ausland auf den deutschen Markt bringen. Aber es gehören auch deutsche Hersteller dazu. In der jüngeren Zeit haben wir drei neue Mitglieder gewinnen können und es gibt weitere Interessenten.


    Um wen handelt es sich?

    Mehrlein: Das ist die Firma Cortes aus Belgien, die auch in Deutschland Produkte vertreibt; außerdem Zigarren Kings aus München und Dalay Zigarren aus Saarbrücken.

    Damit sind wahrscheinlich die wichtigsten Unternehmen der Branche bei Ihnen organisiert?
    Mehrlein: Grundsätzlich ist das richtig, aber es gibt immer noch einige Hersteller und Importeure, die wir gerne ins Boot holen würden, um unsere Schlagkraft zu erhöhen. Erst vor kurzem haben wir in Mannheim ein Treffen veranstaltet, bei dem es um IT-Lösungen – nicht zuletzt mit Blick auf die anstehende Umsetzung von Track & Trace – ging. Dazu haben wir auch die Firmen eingeladen, die nicht Mitglied im BdZ sind. Also: Es wäre erfreulich, wenn noch ein paar dazukommen würden, aber wir sind schon jetzt schlagkräftig.


    Was sind die größten Herausforderungen im deutschen Markt, mit denen Sie sich aktuell herumschlagen?

    Mehrlein: Das wichtigste – nicht nur in Deutschland, sondern in der gesamten Europäischen Union – ist Track & Trace, das wir bis 2024 umgesetzt haben müssen. Der 20. Mai ist der Stichtag, da gibt es kein Verschieben und kein Ändern mehr, da rennt die Zeit. Für die Unternehmen der Branche bedeutet das jede Menge Arbeit und vor allem Kosten.

    Gibt es denn Unterschiede zum Beispiel zur Zigarette?
    Mehrlein: Im Regelwerk gibt es fast keine Unterschiede – aber wir müssen erst 2024 umsetzen und nicht 2019. Unsere bereits ausgelieferten Produkte dürfen nach Inkrafttreten der neuen Regeln zwei Jahre im Handel abverkauft werden, nicht nur ein Jahr wie Zigaretten und Feinschnitt. Außerdem müssen Produkte, die aus einer manuellen Fertigung kommen, nicht mit einem sogenannten Anti-Tampering Device kontrolliert werden.


    Damit soll auch Schmuggel verhindert werden.

    Mehrlein: Ja – das System der Rückverfolgbarkeit soll den Schmuggel bekämpfen. Allerdings habe ich immer darauf hingewiesen, dass es bei Zigarren, Zigarillos und Pfeifentabak keinen Schmuggel gibt. Insofern ist das für unsere Produkte ein sinnloses Regelwerk. Und weil das Ganze sehr, sehr teuer wird, haben wir die Befürchtung, dass nicht alle Hersteller oder Vertreiber oder Importeure das wirtschaftlich schultern können.

    Was wird das die Branche in Deutschland kosten?
    Mehrlein: Das müssen wir abwarten. Es muss ja in Hardware und Software investiert werden, es müssen teilweise neue Arbeitsplätze eingerichtet werden. Maschinen müssen umgebaut und Abläufe neu organisiert werden. Also da kommen neben den Fixkosten für die Umsetzung auch einige laufende Kosten auf die Branche zu.

    Gibt es weitere Herausforderungen?
    Mehrlein: Viele! Wir haben bereits das Tabakwerbeverbot umgesetzt – mit einzelnen Ausnahmen für unsere Produkte. Wir haben das Tabaksteuermodernisierungsgesetz umgesetzt. Jetzt sind wir alle gespannt, was letztlich in den Verträgen der Ampel-Koalition stehen wird. Grundsätzlich sollte sich hier die Politik zurückhalten, denn wie gesagt haben wir gerade erst eine Regulierungswelle hinter uns, und die Tabakprodukte sind eigentlich vollumfänglich durchreguliert.

    Und was tut sich auf europäischer Ebene?
    Mehrlein: Die meisten Dinge in der Tabakregulierung beginnen in Brüssel. Deswegen sind wir als BdZ selbst und über den europäischen Verband dort aktiv und aufmerksam.

    Welche Themen beschäftigen Sie konkret?
    Mehrlein: Da gibt es einen grundsätzlich sehr lobenswerten Plan zur Bekämpfung von Krebs. Der umspannt viele Themenfelder, vom Arbeitsplatz über Alkohol und Freizeitgestaltung bis hin natürlich zum Tabak. Da werden verschiedenste Instrumente angesprochen und wir befürchten, dass es da zu Forderungen nach Plain Packaging, höheren Tabaksteuern oder Aromenverboten kommt. Des Weiteren sind wir natürlich mit der Tabaksteuerrichtlinie befasst. Dort erwarten wir in Kürze einen ersten Richtlinienentwurf der EU-Kommission. Und schließlich hat die EU-Kommission einen Bericht zur Tabakproduktrichtlinie erstellt. Aus dem könnte abgeleitet werden, dass die TPD 2 überarbeitet werden muss. Da müssen wir abwarten, ob die TPD 3 noch vor der Europawahl 2024 verabschiedet werden soll oder es noch bis zum Ende des Jahres 2024 dauert, bis ein erster Entwurf vorgelegt wird.

    Sie haben den europäischen Verband erwähnt. Wie ist denn da die Zusammenarbeit?
    Mehrlein: Wir pflegen eine sehr enge und vor allem aktive Zusammenarbeit mit dem europäischen Zigarrenverband ECMA. Einige unserer Mitgliedsfirmen sind dort ebenfalls Mitglied, und der BdZ ist sogenannter Beobachter – wie auch andere nationale Zigarrenverbände. Es gibt ja noch einige nationale Zigarrenverbände, so dass jedes Organisieren wichtig ist.

    Wo gibt es denn solche Interessenvertretungen?
    Mehrlein: In Belgien, in Frankreich, in Dänemark, in den Niederlanden und natürlich bei uns in Deutschland. Beim europäischen Verband haben wir als BdZ kein Stimmrecht, aber wir arbeiten ausgesprochen gut zusammen. Außerdem ist der BdZ selbst auch im Transparenzregister in Brüssel registriert und vor Ort aktiv.


    Was gibt es sonst Neues aus Ihrem Verband?

    Mehrlein: Wir haben ein neues Vorstandsmitglied. Oliver Haas von STG hat ja neue Aufgaben im Unternehmen auf europäischer Ebene übernommen. Für ihn ist der neue Country Manager für STG in Deutschland, Gleb Pugacev, nachgerückt. Außerdem wird der BdZ eine Broschüre mit Hintergründen und Argumenten pro Zigarre veröffentlichen. Diese wird nicht nur vom BdZ eingesetzt werden, sondern kann in Zukunft auch von interessierten Fachhändlern direkt beim Verband bezogen und dann an politisch interessierte Zigarrenkonsumenten verteilt werden. Hierüber werden wir noch gesondert und zeitnah informieren.

    Können Sie beschreiben, was Ihr Verband den Mitgliedern bietet?
    Mehrlein: Grundsätzlich lastet auf der Tabakbranche starker Druck. Anderen Branchen wie die Alkoholindustrie, Zucker, Süßigkeiten und dergleichen geht es nicht viel besser. Aber wir stehen stark unter Beobachtung. Deswegen ist ein Schulterschluss der Branche sinnvoll, damit man mit einer Stimme spricht. Das ist ein echter Mehrwert.


    Und der BdZ war ja auch sehr erfolgreich.

    Mehrlein: Wir haben in den vergangenen Jahren immer wieder Ausnahmen für Zigarren und Zigarillos generieren können. Das sieht man in der TPD ebenso wie bei der Tabaksteuer und bei Track & Trace. Ohne uns, behaupte ich, hätte es wahrscheinlich die fünf Jahre Übergangsfrist und die zwei Jahre Abverkaufsfrist bei Track & Trace nicht gegeben.

    Außerdem arbeiten Sie politisch …
    Mehrlein: Ja, wir versuchen, Zigarre und Zigarillo im politischen Berlin als das zu platzieren, was es ist: als Kultur und Genussgut für erwachsene Konsumenten. Wir veranstalten ja verschiedene Events, vor allem unseren parlamentarischen Abend. Der letzte liegt wegen der Pandemie eine Weile zurück; er stand unter der Schirmherrschaft der Botschaft der Dominikanischen Republik. Ich glaube, bei solchen Veranstaltungen wird der Politik klar, welche Rolle Zigarren und Zigarillos zum Beispiel gerade in den Herstellerländern spielen, wie viele Arbeitsplätze daran hängen. Das sind in der Dominikanischen Republik hunderttausende.

    Wann findet der nächste Abend statt?
    Mehrlein: Tja, der sollte Anfang Januar mit der Botschaft von Honduras sein. Aufgrund der Corona-Situation haben wir aber beschlossen, diesen ins Frühjahr beziehungsweise in einen Zeitraum zu verschieben, in dem eine Veranstaltung ohne jedes Risiko durchgeführt werden kann. Jedenfalls wollen wir bei diesen Veranstaltungen sowohl unsere Interessen in allen politischen Entscheidungsgremien vertreten, aber auch das Produkt mit all seinen Besonderheiten präsentieren.

    Herr Mehrlein, wir bedanken uns für das Gespräch.


    kes / max

  • Wissen über „Harm Reduction“

    ZÜRICH // Über 100 Teilnehmer aus verschiedenen Fachgebieten haben sich auf dem 2. Arud Symposium in der Schweiz mit den Fakten zum Thema E-Zigarette und ihrer Rolle in der Rauchentwöhnung auseinandergesetzt. Zu den Veranstaltern zählte der deutsche Wissenschaftler Heino Stöver vom Institut für Suchtforschung der Frankfurt University of Applied Sciences. DTZ fasst wichtige Aussagen zusammen, um den aktuellen Forschungsstand zu verdeutlichen.

    „Der Umgang mit Nikotin ist völlig ambivalent“
    Bernd Mayer, Leiter der Sektion Pharmakologie und Toxikologie an der Universität Graz / Österreich: „Der Umgang mit Nikotin ist völlig ambivalent. Auf der einen Seite soll der Stoff in FDA-geprüften Produkten, wie Nikotinkaugummis, völlig unbedenklich sein. In E-Zigaretten soll das Nikotin aber wiederum höchst suchterzeugend und sogar tödlich sein. Um es klar zu sagen: Es gibt keine Hinweise darauf, dass Nikotin das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen erhöht, weder in Nikotinkaugummis noch in E-Zigaretten.“

    Tobias Rüther, Oberarzt für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum München: „E-Zigaretten haben vermutlich nicht das gleiche Suchtpotenzial wie Tabakzigaretten. Alle neuen Formen der Nikotinaufnahme sind weniger schädlich als das Rauchen. Kann man mit deren Hilfe aufhören zu rauchen? Vermutlich ja!”


    Potenzielle Langzeitfolgen

    Lungenfacharzt Thomas Hering, Berlin: „Potenzielle Langzeitfolgen von E-Zigaretten spielen für schwerstabhängige Raucher keine Rolle, wenn sie kurz davorstehen, ihre gesamte Lungenkapazität zu verlieren. Der weitere Verlust der Lungenkapazität kann jederzeit gestoppt werden, wenn die Patienten auf E-Zigaretten umsteigen.”

    Abigail S. Friedman, Associate Professor am Department of Health Policy and Management an der Yale School of Public Health / USA: „In den Bundesstaaten, in denen die Steuern auf E-Zigaretten erhöht wurden, sind die Konsumenten in den Online- und Schwarzmarkt abgewandert oder haben zur Tabakzigarette gegriffen. Da können geschlossene Systeme ein Vorteil sein, da sie besser zu kontrollieren und manipulationssicher sind. Insgesamt ist die Politik gefordert, die Anreize, auf den Schwarzmarkt auszuweichen, so gering wie möglich zu halten und den Verkauf und Konsum von regulierten Produkten zu fördern.“


    „Das ergibt keinen Sinn“

    Jean-François Etter, Professor für Public Health in Genf: „Die meisten E-Zigaretten machen nicht so abhängig, wie es Zigaretten tun. Warum sollte also jemand, der gerne dampft, statt zu rauchen, seine Meinung plötzlich ändern? Das ergibt keinen Sinn!”

    Georges Pisana, Experte für E-Zigaretten: „Ich rate den Rauchern, einen Schritt nach dem anderen zu gehen und zunächst ihr Rauchverhalten zu analysieren und dann Schritt für Schritt auf risikoreduzierte Alternativen umzusteigen. An einem bestimmten Punkt bleibt dann immer die Lust auf Zigaretten aus. Sie schmecken schlicht nicht mehr.”

    red

  • Gesetznovelle liegt vor

    BERLIN // Jetzt liegt sie vor, die geplante Novellierung des Bundesinfektionsschutzgesetzes. In diesem Zusammenhang begrüßt der Handelsverband Deutschland (HDE) das vorgesehene Fragerecht für Arbeitgeber zur Kontrolle der 3 G-Regel im Grundsatz.

    Die geplante Verpflichtung für Arbeitgeber, die 3 G-Regel am Arbeitsplatz im Betrieb täglich zu überwachen und den ungeimpften Beschäftigten zudem unter Umständen auch noch zweimal in der Woche eine Testung abzunehmen, hält der HDE aber trotz der aktuell schwierigen Lage für nicht angemessen und vollkommen praxisfern.


    Geimpft, genesen oder getestet

    Laut dem Entwurf der möglichen Ampel-Koalition aus SPD, Bündnis 90 / Die Grünen und FDP dürfen Arbeitgeber und Beschäftigte Arbeitsstätten, in denen physische Kontakte untereinander oder zu Dritten nicht ausgeschlossen werden können, nur geimpft, genesen oder getestet und unter Mitführung des entsprechenden Nachweises betreten. Arbeitgeber müssen die Einhaltung der Verpflichtungen täglich überwachen und regelmäßig dokumentieren. Soweit erforderlich, dürfen diese Daten dann auch zur Anpassung des betrieblichen Hygienekonzepts auf Grundlage der Gefährdungsbeurteilung verwendet werden.

    „Das Fragerecht für Arbeitgeber ist zwingend notwendig und längst überfällig. Nicht nachvollziehbar wäre jedoch, wenn Arbeitgeber den Status der Beschäftigten täglich kontrollieren sollen. Die meisten Beschäftigten sind doch ohnehin vollständig geimpft, deshalb ist eine tägliche Kontrolle übertrieben“, sagt HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Vollkommen unverständlich sei aber vor allem die zuletzt in den Entwurf eingeflossene Änderung, nach der die Arbeitgeber den ungeimpften Beschäftigten in Präsenz unter Umständen zweimal pro Woche Tests durch entsprechend geschultes Personal abnehmen müssten. „Das ist in der Praxis kaum zu organisieren. Müssten die ungeimpften Beschäftigten alle ihre täglichen Tests stattdessen selbst organisieren und auch bezahlen, wäre der Impfdruck auf diese Personengruppe ungleich höher“, erklärt Genth.

    vi

  • Zahl der Kurzarbeiter niedriger

    NÜRNBERG // Betriebsbefragungen ermöglichen ein zeitnahes Erfassen der Kurzarbeit und ihrer Nutzung, noch bevor amtliche Zahlen vorliegen. Erste befragungsbasierte Hochrechnungen während der Corona-Phasen im Frühjahr und Sommer 2020 haben die Zahl der Kurzarbeitenden allerdings deutlich überschätzt. Das geht aus einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor.


    Kurzarbeit äußerst flexibles Instrument

    Für August 2020 lag die IAB-Hochrechnung bei 3,3 Millionen und die Hochrechnung des Ifo Instituts bei 4,6 Millionen, während die festgeschriebene Zahl der Statistik der Bundesagentur für Arbeit mit 2,5 Millionen Kurzarbeitenden deutlich niedriger war. „Kurzarbeit ist ein äußerst flexibles Instrument und ihre zeitnahe Erfassung komplex“, erklärt IAB-Direktor Bernd Fitzenberger.

    Eine wichtige Ursache für eine Überschätzung besteht darin, dass es einen Unterschied zwischen der abgerechneten und der berichteten Kurzarbeit gibt. „Im Mittel nennen die Betriebe in der Befragung eine höhere Zahl an Kurzarbeitern, als sie später gegenüber der Bundesagentur für Arbeit abrechnen“, sagt Fitzenberger. Das könnte einerseits daran liegen, dass die Firmen zum Zeitpunkt der Befragung die Angestellten mit Anspruch auf Kurzarbeitergeld nicht genau eingrenzen können. Andererseits lässt auch der Begriff „Kurzarbeit“ den Unternehmen Interpretationsspielraum.


    Geringfügig Beschäftigten

    „Verschiedene Personengruppen können nach Einschätzung der Befragten ,kurz arbeiten‘, aber keinen rechtlichen Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben. Das kann zum Beispiel bei Inhabern oder geringfügig Beschäftigten der Fall sein, aber auch bei Personen, die Krankengeld beziehen“, berichtet IAB-Forscher Christian Kagerl.

    Überschätzungen bei der Zahl der Kurzarbeitern können außerdem dadurch entstehen, dass Firmen mit Kurzarbeit in der Corona-Krise überdurchschnittlich häufig an der IAB-Befragung teilnehmen. „Für Betriebe mit Kurzarbeit ist das Thema besonders relevant. Daher ist eine vergleichsweise hohe Teilnahmebereitschaft von Unternehmen mit Kurzarbeit plausibel“, so das IAB.


    pi

  • Großes Investitionspaket für den stationären Handel

    MÜNSTER // Was wäre ein Tabakwaren-Fachhändler ohne Zigarren und was eine Lotto-Annahmestelle ohne Tippschein? Beide sind auf ihre Kunden angewiesen und haben es schwer in Zeiten des steigenden Online-Einkaufs. Da ist es besonders wichtig, sich für die Zukunft zu wappnen. Das findet auch Westlotto und stellt ein Investitionspaket zusammen, das es so bisher in der Geschichte der Westlotterie noch nicht gegeben hat. DTZ hat dazu mit dem Sprecher der Geschäftsführung Andreas Kötter und dem Vertriebsleiter Andreas Schmidt gesprochen.


    Wie hoch ist die Investition von Westlotto insgesamt?

    Andreas Kötter: Seit Anfang November und noch bis Ende 2026 werden rund 48 Millionen Euro in das stationäre Vertriebsnetz fließen. Mit diesem bislang größten Investitionspaket stärkt Westlotto den stationären Handel und bekennt sich damit nachhaltig zur Zukunft der 3200 Annahmestellen in Nordrhein-Westfalen.


    Wird die klassische Annahmestelle also auch weiter Bestand haben – trotz eines breiten Angebots an Online-Wetten?


    Kötter: Die Annahmestelle hat eine Zukunft, sie hat eine herausragende Relevanz und wird diese, trotz Online, behalten, davon bin ich überzeugt. Es gibt viele Stammspieler, aber Lotto ist auch ein Impulsprodukt – das merken wir vor allem, wenn der Gewinntopf gerade voll ist. Lottospielen ist ein persönlicher Faktor, ein Ritual, mit einem Traum verbunden. Und daher werden auch beide Kanäle langfristig nebeneinander her funktionieren können – das terrestrische und das Online-Spiel. Ich bin zuversichtlich, dass es so bleibt.
    Andreas Schmidt: Das Lottospielen ist ein Erfolgskreislauf, der Routinen bedient. Der funktioniert gut in der Kombination von online und stationär. Man holt den Kunden digital ab – und erreicht so alle Altersgruppen. Die Annahmestellen bieten dann täglich ein sicheres und komfortables Spielerlebnis vor Ort. Sie sind Vertriebskanal und Werbeträger, aber auch Partner des Vertrauens. Deshalb möchten wir sie unterstützen und nachhaltig fit für die Zukunft machen.

    Wie sieht die Unterstützung durch Westlotto konkret aus?
    Kötter: Finanziert wird ein Bündel abgestimmter Maßnahmen, das sich aus einer im Herbst 2020 durchgeführten Befragung unter Betreibern der Westlotto-Annahmestellen sowie einer Vielzahl von intensiven Gesprächen und Verhandlungen einer eigens ins Leben gerufenen Arbeitsgruppe ergeben hat. Es entstand ein Investitionspaket, das insgesamt drei Bausteine umfasst.


    Wie sehen diese Bausteine aus?

    Kötter: Der erste Baustein umfasst die Vergütung. Hier haben wir etwa Prämien für Serviceleistungen der Annahmestellenleiter oder die Erhöhung der Provision auf Kundenkarten geplant, um die Kundenbindung zu stärken. Es wird in eine zeitgemäße Kundenansprache investiert.
    Schmidt: Ein großer Vorteil unserer Kundenkarte ist etwa, dass Gewinner direkt kontaktiert werden können. Und es gibt gezielte Aktionen zu bestimmten Tagen, die bereits in der Vergangenheit zu einer deutlich höheren Frequenz geführt haben. Davon profitieren natürlich auch die anderen Sortimente. Und das wollen wir weiter ausbauen. Kunden sollen gezielt und persönlich schriftlich angesprochen und auf attraktive Angebote aufmerksam gemacht werden.

    Was umfasst der zweite Baustein?
    Kötter: Der zweite Baustein ist die Sicht- und Auffindbarkeit im Internet. Wir stärken den Marktauftritt unserer Vertragspartner. Hier werden verschiedene Schulungen, etwa über eigene Homepages, für die Annahmestellen angeboten. Ein wichtiger Punkt ist auch die Sichtbarkeit im Internet. Hier haben wir eigens einen externen Dienstleister engagiert, der für ein einheitliches Design sorgt und sich darum kümmern wird, dass die Lotto-Annahmestellen vernünftig und schnell, etwa über Suchmaschinen, gefunden werden können. Wenn ich eine Annahmestelle in der Umgebung suche, möchte ich schnelle und nahe Ergebnisse haben.
    Schmidt: Bei der Suche fängt das bestmögliche Lottoerlebnis des Kunden bereits an. Und das sollte sich dann in der Annahmestelle fortsetzen.

    Wie sieht der dritte Baustein aus?
    Kötter: Der dritte Baustein umfasst den Ladenbau. Auch hier ist das „bestmögliche Lottoerlebnis“ das oberste Ziel. In den kommenden fünf Jahren werden alle Annahmestellen mit einem modernen Westlotto-Ladenbau ausgestattet, der individuellen und höchsten digitalen Ansprüchen gerecht wird. Der Pitch dazu läuft schon.

    Damit sind die Weichen von Ihrer Seite gestellt?
    Kötter: Genau. Mit diesem nie dagewesenen Investitionspaket für Vertriebsmaßnahmen setzen wir ein Zeichen für die gemeinsame Zukunft Westlottos und der Annahmestellen. Wir stärken damit die Westlotto-Annahmestellen in Nordrhein-Westfalen als das wichtigste Bindeglied zu unseren Kunden.

    Welche dieser Maßnahmen laufen denn bereits und welche stehen noch an?
    Kötter: Die Projekt-Ausschreibung bei den Ladenbauern läuft bereits auf vollen Touren. Eine Internetfirma für die Online-Sichtbarkeit wurde beauftragt. Die direkte finanzielle Beteiligung ist schon erfolgt, die Kundenservicepauschale wurde ausgezahlt. Wir sind schon mittendrin in der Umsetzung.

    Das Gespräch führte Katrin Heß.

  • Insgesamt stabile Lage

    WIESBADEN // Im Vergleich zum Vorjahresmonat sind die Tabaksteuereinnahmen des Bundes im Oktober um 7,0 Prozent auf knapp 1,34 Milliarden Euro gesunken. Mit Blick auf die ersten zehn Monate insgesamt resultiert dagegen ein praktisch unveränderter Betrag von gut 11,59 Milliarden Euro.

    Deutliches Minus bei Zigaretten
    Beeinflusst wurde die Entwicklung vor allem durch ein deutliches Minus bei Zigaretten, für die die Hersteller im Oktober 2021 knapp 1,12 Milliarden Euro an den Staat abführten – ein Minus von 9,7 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Berücksichtigt man den Trend, so wird deutlich, dass der Oktober 2020 nach einem eher „schwachen“ September einen recht klaren Zuwachs aufwies. Dieser Effekt fiel 2021 erheblich geringer aus.

    Auch bei Feinschnitt gab es einen Rückgang gegenüber dem Oktober 2020, der mit 5,2 Prozent auf knapp 166,0 Millionen Euro jedoch nicht so stark ins Gewicht fiel. Zigarren und Zigarillos legten um 27,8 Prozent auf 6,4 Millionen Euro zu, bei Pfeifentabak inklusive Wasserpfeifentabak und Sticks für Tabakerhitzer fiel das Plus mit 125,6 Prozent (auf knapp 41,3 Millionen Euro) am üppigsten aus.

    Der Nettobezug von Steuerzeichen insgesamt fiel im Oktober etwas schwächer aus (minus 8,1 Prozent auf knapp 1,24 Milliarden Euro). Allerdings hatte es zuvor einen Zuwachs um 18,8 Prozent gegeben.

    red

  • Mehr offene Jobs

    NÜRNBERG // Im dritten Quartal gab es bundesweit knapp 1,4 Millionen offene Stellen. Gegenüber dem zweiten Quartal war das ein Anstieg um 221000 oder rund 19 Prozent, im Vergleich zum dritten Quartal 2020 um 417 000 oder 43 Prozent. Die Zahl der offenen Stellen übertrifft sogar um drei Prozent das Vorkrisenniveau. Das geht aus der IAB-Stellenerhebung hervor, einer regelmäßigen Betriebsbefragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).

    Den stärksten Aufwuchs erfährt der Logistikbranche mit einem Plus von 41 Prozent, vor dem Verarbeitenden Gewerbe.

    pnf

  • Verband fordert Strategie

    BRÜSSEL // Weltweit sterben jedes Jahr acht Millionen Menschen an den Folgen des Tabakkonsums. Tobacco Harm Reduction bedeutet eine Chance für Raucher, von einer extrem schädlichen auf eine deutlich weniger schädliche Alternative zu wechseln. Darauf weist die Independent European Vape Alliance (IEVA) hin.

    Allerdings habe die Weltgesundheitsorganisation (WHO) dieses Ziel in den vergangenen Jahren aus den Augen verloren. Es sei jedoch nicht zu spät für eine Umkehr. Es dürfe nicht um ideologische Erwägungen gehen, sondern ausschließlich um die Zukunft von Millionen von Rauchenden weltweit. Mit der E-Zigarette könnte die Zukunft deutlich besser aussehen.

    Neunte Konferenz zur Tabakkontrolle
    Anlass für diese Festellung ist die neunte Konferenz zur Tabakkontrolle der WHO (FCTC COP 9) in Genf. Im Rahmen der Tagung werden Maßnahmen zur Reduktion der weltweiten Raucherquote besprochen und beschlossen. „Es gibt schlüssige Beweise dafür, dass die vollständige Substitution von brennbaren Tabakzigaretten durch E-Zigaretten die Exposition der Benutzer gegenüber zahlreichen Giftstoffen und Karzinogenen, die in brennbaren Tabakzigaretten enthalten sind, verringert“, teilt man bei der WHO mit.

    Dustin Dahlmann, IEVA-Präsident, fordert: „Als europäischer und von der Tabakindustrie unabhängiger Verband würden wir uns wünschen, dass die WHO gemeinsam mit anderen Vertretern aus Politik und Wissenschaft eine zielführende Strategie zur Verringerung der durch Rauchen verursachten Schäden entwickelt. Natürlich sind wir als Branche zum kritischen Dialog bereit.”

    vi

  • Der Aromen-Jäger und sein tiefblauer Rebell

    MAINZ // Die Welt des Gins zeichnet sich durch Vielfalt aus. Wer gedacht hat, dass der Hype um die Spirituose vorüber ist, der hat sich getäuscht. „Tinte Gin“ zeigt, dass die Geschichte dieser Destillate noch lange nicht zu Ende erzählt beziehungsweise geschrieben ist.

    Hier ist der Name Programm. In sattem tiefblau steht die Tinte aus Mainz im Glas. Doch wer ihn kostet, entdeckt sein Geheimnis. Ein Spritzer Tonic dazu, und nichts scheint wie es war. Das liegt an einem der zehn Botanicals. Der Begriff steht für alle Pflanzenstoffe oder pflanzlichen Extrakte, die den Geschmack des Gins beeinflussen. Doch davon später mehr.

    Jäger und Sammler
    Florian Polakovski, einer der drei Köpfe des Mainzer Labels[link|http://www.edelranz.com] „Edelranz“[/link] und kreativer Kopf hinter dem blauen Rebellen, hat drei Jahre getüftelt, bis alles perfekt zueinander passte. Dafür warf Polakovski seine Leidenschaft und Hartnäckigkeit sowie zehn Jahre Erfahrung als Barmann in die Waagschale, um ein Produkt zu erschaffen, dass Gegensätze vereint, Menschen verbindet und etwas völlig Neues erschafft. Das Extrahieren und Paaren der Aromen aus Blüten, Nüssen oder Beeren fasziniert ihn. „Das ist mein Spezialgebiet“, sagt der 37-Jährige. Nicht ohne Grund tauften ihn seine Freunde „Jean-Baptiste“ nach der Hauptfigur im Roman „Das Parfum“ von Patrick Süskind. Florian Polakovski ist auch ein Jäger und Sammler. Auf seinen Reisen rund um den Globus ging er auf Schatzsuche, ließ sich auf Aromen-Experimente ein und sammelte Botanicals.


    „Tradition ist wichtig."

    Zuhause experimentierte, mixte und probierte er aus. Aus der Sammlung seiner Kostbarkeiten wählte er zehn Botanicals, die er im Tinte Gin vereinte. „Tradition ist wichtig. Sie ist die Basis, aus der wir wachsen“, erklärt Polakovski. „Deshalb halten wir an der Wacholderbeere als Hauptakteur unseres Gins fest.“ Dazu die kubische Flasche, die an ein Tintenfässchen erinnert. „Die Menschen sollen sich beim Genuss Zeit nehmen. So wie ein Brief, der mit Tinte geschrieben wird.“ Das Etikett in geschwungenen Buchstaben unterstreicht diesen Anspruch.

    Edelranz ist ein Startup aus Mainz. Gemeinsam mit Kadi Kamara (Marketing) und Alexander Petruschin (Lieferkette / Logistik) tritt Florian Polakovski (Produktentwicklung und Finanzen) an, um neue Spirituosen in außergewöhnlicher Qualität und mit einer nachhaltigen Produktion zu entwickeln. Nachhaltigkeit von Anfang an ist das Ziel der Mainzer. „Wir haben aus unserer kompletten Wertschöpfungskette weitestgehend das Plastik verbannt“, sagt Polakovski. Ein großer Schritt, dem weitere folgen sollen. Beim aktuellen Protagonisten etwa, dem Tinte Gin, verschließt mittlerweile ein Glaskorken die Flasche.


    Wunsch nach Nachhaltigkeit

    Der Wunsch nach Nachhaltigkeit setzt sich bei den Mainzern auch im Vertrieb fort. Im Stadtgebiet etwa kooperieren sie mit einem lokalen Anbieter (Radlager). „Lokal werden unsere Tintenfässchen mit Fahrrädern und Elektrofahrzeugen zum Kunden gebracht. Überregional sind wir natürlich ebenfalls mit unseren Partnern oder unserem Online-Shop präsent“, verrät Florian Polakovski. „Beim Versand verzichten wir dabei komplett auf Plastik.“ Luft nach oben gibt es immer. „Wir arbeiten kontinuierlich an der Klimafreundlichkeit“, erklärt der Tinte-Gin-Chef zuversichtlich. In zwei Städten funktioniert das bereits bis zum Konsumenten. In Mainz und in Aschaffenburg arbeiten die Tinte-Produzenten mit lokalen Händlern (Destillerien) zusammen. Die nehmen leere Tinte-Gin-Flaschen von den Kunden zurück und füllen sie auf Wunsch zum Vorzugspreis wieder auf. Abfüllstationen wie diese kann sich der Edelranz-Chef auch an anderen Standorten vorstellen. „Unser Ziel ist es, etwas Besonderes und Neues zu schaffen“, sagt er. Das notwendige Know-how schöpfen er und seine Freunde aus ihrem anderen Leben, als Treasury-Manager (deutsch: Finanzmanager), als Marketingexperten und als Technischer-Account-Manager. Bis heute arbeiten die Partner für ihr Spirituosen-Projekt ehrenamtlich.

    Beim Tinte Gin mit seinen 47 Volumenprozent Alkohol handelt es sich um „einen klassischen, weichen und vollaromatischen Dry Gin. Das Abenteuer beginnt in der Nase. Wer ihn kostet, sollte sich nicht um das Geruchserlebnis bringen. Dort entfalten sich die Aromen, die der Erfinder der Tinte als „dezent florale Noten“ beschreibt, die „von Wacholder- und frischen Zitrusnoten abgelöst werden“.

    Mainzer schaffen Fakten
    Auch im Geschmacksprofil schaffen die Mainzer Fakten, die für sich sprechen. Im edlen Beileger zum Destillat heißt es: Ein „sehr weicher Gin mit vollem Aroma und einer angenehmen und geschmeidig-öligen Textur“. Das Geschmacksverlauf ist komplex. Das optische Highlight des Rebells steht noch aus. Mit Tonic aufgefüllt wechselt das tiefe Blau in ein kräftiges Magenta, je nach Füllmenge wird es ein wenig heller im Glas. Eine asiatische Pflanze steckt hinter dem Effekt, erzählt der Aromen-Jäger. Auf die Frage, was da geschieht, holt Polakovski lächelnd etwas aus: „Es ist vergleichbar mit dem Lackmustest im Chemieunterricht. Der blaue Farbstoff aus der Pflanze verändert seine Farbe je nachdem, ob er mit sauren, zum Beispiel Tonic, oder basischen Substanzen, die in der Küche verwendet werden, zusammengebracht wird.“ Ein Grund, warum man ihn in ärmeren Ländern zum Bestimmen des ph-Werts des Trinkwassers nutzt. Je größer der ausfällt, desto basischer ist er, und umso mehr verändert sich die Farbe vom Blau in ein Türkis, weiter ins Grün bis zu einem Gelb. Im Umkehrschluss heißt das, je niedriger – also saurer – der Wert ist desto violetter wird die Flüssigkeit.

    Von Magenta bis zu einem kräftigen Rosa
    Das Tonic bringt den Tinte Gin also dazu, je nach zugegebener Menge, von Magenta bis zu einem kräftigen Rosa zu wechseln. Doch nicht nur das. Es ist, neben dem richtigen Eis, in Bezug auf Menge und Beschaffenheit, „dem Gold des Barkeepers“, so Polakovski, für Spirituosen-Aficionados eines der Geheimnisse für den perfekten Genuss. Der Chef empfiehlt den Drink mit Schweppes-Dry-Tonic aufzufüllen, das am besten „ganz ohne Garnitur, vielleicht mit einer gedörrten Orangenscheibe oder einer Orangenzeste (Hauchdünne Streifen aus der äußersten Schale einer Orange, Anmerk. d. Red.), genossen werden sollte. „Ohne Stroh- oder Glashalm“, betont er. Die Nase sollte möglichst nah am Geschehen sein, so dass man die Aromen ungehindert aufnehmen kann. Jeder wie er mag. „Genuss ist individuell“, weiß der Ginexperte. Als Genussmensch ist Florian Polakovski gelegentlich auch beim Thema Tabak unterwegs. „Ich bin ein großer Fan von Pairing.“ Pfeifentabak und vor allem Zigarren aus der Karibik gehören für Polakovski zu den Ginbegleitern. Seine Longfiller findet er vorzugsweise im Fachhandel. Zu seinen Lieblingszigarren zählt er die „Aging Room Quattro F 55 Concerto“. „Ich rauche nach Lust und Laune und wenn es passt.“

    In der Spirituosenwelt wollen die Edelranz-Akteure noch viel bewegen. „Unser Ziel ist es, etwas Besonderes und Neues zu schaffen – ganz nach dem Motto, ,Creating Great Spirits‘.“ Das Abenteuer hat erst begonnen.

    Kerstin Kopp

  • „Es droht ein Flickenteppich“

    BERLIN // 3 G, 2 G, 2 G+… Wie es in Deutschland mit den Maßnahmen gegen Corona weitergeht, weiß niemand so recht. Fest steht: In Kürze dürften die Länder über die Vorgaben entscheiden, die in ihren Bundesländern gelten sollen – vom relativ entspannten Umgang bis zu Lockdowns.

    Betroffen sind zunehmend Unternehmen, die von der Politik in die Pflicht genommen werden sollen. Dazu hat sich jetzt auch der Handelsverband Deutschland (HDE) zu Wort gemeldet.

    Die mögliche Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP im Bund plant verschärfte Corona-Regelungen am Arbeitsplatz. Danach sollen künftig nur noch geimpfte, genesene oder tagesaktuell negativ-getestete Personen in Präsenz arbeiten dürfen.


    Impfstatus der Beschäftigten

    „Die Politik will offenbar den zweiten vor dem ersten Schritt machen. Eine 3 G-Regel ist doch erkennbar nur dann sinnvoll, wenn Arbeitgeber auch endlich den Impfstatus ihrer Beschäftigten erfragen dürfen. Das muss der Gesetzgeber jetzt zuerst regeln. Zudem ist und bleibt die Pandemiebekämpfung eine Aufgabe für die gesamte Gesellschaft. Die Kosten für die Tests der Beschäftigten dürfen daher nicht auf die ohnehin finanziell oft schon ausgezehrten Arbeitgeber abgewälzt werden, ansonsten riskiert man deren Überforderung“, sagt HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Unbedingt vermieden werden müsse außerdem ein föderaler Flickenteppich der Länder. Gefordert sei eine bundeseinheitliche Regelung, ansonsten gefährde das auch die Akzeptanz einer solchen Regelung von Anfang an stark.


    Viele Detailfragen ungeklärt

    Zudem sieht der HDE derzeit noch viele Detailfragen zu der geplanten 3 G-Regelung vollkommen ungeklärt. Das führe bei den Firmen zu großen Unsicherheiten. So etwa bei der Frage, wie arbeitsrechtlich damit umzugehen wäre, wenn Beschäftigte die Tests verweigern oder erforderliche Unterlagen nicht vorlegen und in der Folge dann nicht im Geschäft arbeiten können. Des Weiteren stellen sich auch datenschutzrechtliche Fragen, die eine neue gesetzliche Regelung klären müsste, um den Arbeitgebern die dann dringend erforderliche Rechtssicherheit zu verschaffen.

    Bislang existiert auf Bundesebene keine allgemeine Testpflicht für Beschäftigte. Gleichwohl sind Arbeitgeber gemäß der geltenden Arbeitsschutzverordnung des Bundes bereits heute dazu verpflichtet, allen Beschäftigten in Präsenz mindestens zweimal wöchentlich Corona-Tests anzubieten. Einzelne Bundesländer sehen bereits heute strenge Regelungen vor.


    vi