HAMBURG // Noch im Januar 2024 waren sie in der Schlichtung, bald soll erneut verhandelt werden: Es geht um mehr Geld für die Beschäftigten in der Zigarettenindustrie. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), momentan in schwierigen Verhandlungen mit der Süßwarenindustrie und der Systemgastronomie, hat ihre Forderung aufgestellt. Empfänger: der Arbeitgeberverband der Industrie (AdC). DTZ sprach im Vorfeld der Verhandlungen mit Ulf Bauer, AdC-Geschäftsführer.
Herr Bauer, schon wieder stehen Tarifverhandlungen in der Zigarettenindustrie an. Wie sieht die Forderung der NGG aus?
Ulf Bauer: Das stimmt, wir werden uns Anfang Dezember zur ersten Verhandlungsrunde treffen. Von der Forderung der Arbeitnehmerseite, die sich an unsere Mitglieder British American Tobacco, Japan Tobacco International, Philip Morris International und Imperial Brands richtet, haben wir vor wenigen Tagen erfahren. Die Entgelte sollen bis Ende 2025 und für ein Jahr um fünf Prozent steigen.
Ist das alles, Laufzeit und Prozente?
Bauer: Verhandlungen sind Verhandlungen. Da muss man damit rechnen, dass doch noch einmal ein weiterer Aspekt auftaucht – auf beiden Seiten. Momentan sind uns die kurze Laufzeit und fünf Prozent bekannt. Wir hatten aber schon 2023 erweiterte Forderungen – besonders für unsere Azubis. Die stellen wir heute bei Übernahme nach Ausbildung unter Anerkennung ihrer Abschlüsse finanziell besser. Eine Note „sehr gut“ erzielt dann mehr Gehalt als ein „befriedigend“. Das Leistungsprinzip war den Arbeitgebern wichtig und wurde von der NGG auch akzeptiert.
Wie bewerten Sie die neue Forderung?
Bauer: Die Forderung ist immer noch substanziell, aber sie weist eine Richtung. Die NGG fordert heute in anderen Branchen mal runde zehn Prozent, mal 500 Euro mehr pro Monat. Dabei blicken wir alle erleichtert auf die positive Entwicklung der Inflationsraten. Im Rückblick auf 2024 wird sie wohl bei 2,2 Prozent landen, im Ausblick auf 2025 – also auf die Periode, für die wir verhandeln – bei 2,0 Prozent. Rückblick wie Ausblick haben sich zum Vorteil aller Beschäftigten und der Unternehmen angeglichen und normalisiert. Das ist gut.
Ist das bei der Forderung der NGG jetzt stärker berücksichtigt?
Bauer: Die beiden Forderungen der NGG aus den Jahren 2022 und 2023 uns gegenüber wurden mit den sehr hohen Preisen im Nachgang zum 24. Februar 2022 begründet. Und das nicht zu Unrecht. Wir haben darauf bereits zweimal für unsere Beschäftigten mit sehr guten Abschlüssen reagiert. Ein Beispiel: Unsere Maschinenbediener haben in der Zeit inklusive der Inflationsausgleichsprämie bereits ein Gehaltsplus von mehr als 15 Prozent erhalten – eine klare Steigerung der Reallöhne.
Aber jetzt ist die Inflation niedriger …
Bauer: Ja, die Begründung „hohe Preissteigerungen“ hat die NGG auch nicht mehr verwendet. Zurecht, meine ich, die Forderung fällt damit anders aus. Das ist vernünftig bei unseren Gehaltsstrukturen, die innerhalb der NGG immer noch unangefochten auf Platz 1 liegen. Und wir dürfen die anhaltenden Volumenrückgänge im Markt, Verschiebungen Richtung Handelsmarken, Kosten der Transformation auf dem Weg zu neuen Produkten und Märkten und so fort nicht außer Acht lassen. Das Umfeld bleibt fordernd. Denken Sie nur an die Regulierungsvorhaben, besonders die aus Brüssel.
Es werden also wieder interessante Verhandlungen. Womit rechnen Sie?
Bauer: Mit interessanten Verhandlungen. Im vergangenen Jahr ging es auf Anruf der NGG nicht ohne den dritten Mann, den Schlichter. Ich denke, es wäre ein gutes Zeichen unserer Sozialpartnerschaft, wenn wir das in diesem Jahr gemeinsam und alleine hinkriegen. Die Sozialpartnerschaft zwischen Verband und NGG, aber auch zwischen Unternehmen und ihren Betriebsräten, ist traditionell gut. Wir haben 2023 wieder einen jährlichen Sozialpartnerdialog aufgenommen, den wir gerade zum zweiten Mal gemeinsam in Berlin durchgeführt haben.
Das bedeutet?
Bauer: Keine Verhandlungen, aber einen Austausch auf Augenhöhe zu relevanten Themen wie Markt, Regulierung, Themen der NGG und des AdC. Und in diesem Jahr auch Neuland für uns: Künstliche Intelligenz und wie sie Mitbestimmung betrifft und fordern kann. Es wäre einmal spannend zu sehen, was Künstliche Intelligenz uns anböte, wenn wir sie mit Blick auf 2025 zu Laufzeiten und Prozenten für unsere Industrie befragten.
Herr Bauer, herzlichen Dank für das Gespräch.
max
Schreiben Sie einen Kommentar