Schlagwort: Tarifverhandlungen

  • „Abschluss mit Weitsicht und Vernunft“

    HAMBURG // Die Tarifverhandlungen zwischen der der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) und der Interessensvertretung Arbeitgeber der Cigarettenindustrie (AdC) wurden nach einer Runde Anfang Dezember abgeschlossen. Im Januar 2024 war noch eine Schlichtung nötig. Zu dem Ergebnis äußert sich Ulf Zedler, AdC-Vorstandschef und Verhandlungsführer der Arbeitgeber sowie Leiter Personal und Kultur Deutschland bei Japan Tobacco International in Deutschland.


    Herr Zedler, erst schlichten, dann verhandeln und das alles in nur einem Jahr? Geht Ihnen da der Spaß am Verhandeln nicht aus?

    Ulf Zedler: Das Jahr 2024 war dahingehend schon intensiv, das stimmt. Und es ist auch nicht immer ein Spaß. Aber es freut mich schon, wenn wir uns austauschen, auch mal in der Sache lauter werden, aber im Endeffekt dann sagen können: Wir haben zusammen einen Abschluss mit Weitsicht und Vernunft erzielt.

    Erklären Sie uns das genauer.
    Zedler: Zunächst einmal ist es uns zum ersten Mal seit fünf Jahren wieder gelungen, einen Abschluss über eine Laufzeit von 24 Monaten zu erzielen. Das bedeutet eine längere Sicherheit und eine gewisse Weitsicht aller Beteiligten. In dieser Zeit werden wir die Entgelte und Ausbildungsvergütungen jetzt einmal um drei Prozent und zum Januar 2026 um weitere 2,3 Prozent erhöhen. Das ist ein vernünftiges Ergebnis, da es unsere wirtschaftliche Lage, das gesunkene Inflationsumfeld und unsere substanziell höheren Verhandlungsergebnisse 2022 und 2023 als Vorleistung achtet.

    Wie kann es gelingen, in nur einer Runde fertig zu werden?
    Zedler: Ehrlich gesagt, haben auch wir damit nicht gerechnet. Aber wir haben es geschafft, sehr schnell aus einem Kreis vieler Stimmen und Meinungen in einen kleineren Gesprächskreis zu kommen. In dem haben wir vieles, was man vielleicht als übliche Rituale bezeichnen kann, beiseitegeschoben und sofort Tacheles gesprochen. Das hat uns sehr geholfen und viel Zeit gespart. Aber das bedarf der Zustimmung aller und das notwendige Vertrauen. Das war diesmal da.

    Jetzt haben Sie 24 Monate Ruhe an der Tariffront. Was wird Sie in der Sozialpartnerschaft beschäftigen?
    Zedler: Die Ruhe bei Tarifen wird uns die Zeit geben, andere Aspekte aufzugreifen. Schon im April 2025 kommen wir wieder alle mit der NGG auf ihrem Branchenforum Cigarette zusammen. Ein Top-Thema dort: Wie kann die Sozialpartnerschaft genutzt werden, wenn es darum geht, den Beschäftigten in Deutschland und Europa eine aktive und relevante Stimme zu geben, zum Beispiel im Rahmen der ja alsbald wieder anstehenden, weitreichenden Regulierungsvorhaben aus der EU.

    Herzlichen Dank, Herr Zedler, für das Gespräch.

    red

  • „Austausch auf Augenhöhe“

    HAMBURG // Noch im Januar 2024 waren sie in der Schlichtung, bald soll erneut verhandelt werden: Es geht um mehr Geld für die Beschäftigten in der Zigarettenindustrie. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), momentan in schwierigen Verhandlungen mit der Süßwarenindustrie und der Systemgastronomie, hat ihre Forderung aufgestellt. Empfänger: der Arbeitgeberverband der Industrie (AdC). DTZ sprach im Vorfeld der Verhandlungen mit Ulf Bauer, AdC-Geschäftsführer.

    Herr Bauer, schon wieder stehen Tarifverhandlungen in der Zigarettenindustrie an. Wie sieht die Forderung der NGG aus?
    Ulf Bauer: Das stimmt, wir werden uns Anfang Dezember zur ersten Verhandlungsrunde treffen. Von der Forderung der Arbeitnehmerseite, die sich an unsere Mitglieder British American Tobacco, Japan Tobacco International, Philip Morris International und Imperial Brands richtet, haben wir vor wenigen Tagen erfahren. Die Entgelte sollen bis Ende 2025 und für ein Jahr um fünf Prozent steigen.

    Ist das alles, Laufzeit und Prozente?
    Bauer: Verhandlungen sind Verhandlungen. Da muss man damit rechnen, dass doch noch einmal ein weiterer Aspekt auftaucht – auf beiden Seiten. Momentan sind uns die kurze Laufzeit und fünf Prozent bekannt. Wir hatten aber schon 2023 erweiterte Forderungen – besonders für unsere Azubis. Die stellen wir heute bei Übernahme nach Ausbildung unter Anerkennung ihrer Abschlüsse finanziell besser. Eine Note „sehr gut“ erzielt dann mehr Gehalt als ein „befriedigend“. Das Leistungsprinzip war den Arbeitgebern wichtig und wurde von der NGG auch akzeptiert.

    Wie bewerten Sie die neue Forderung?
    Bauer: Die Forderung ist immer noch substanziell, aber sie weist eine Richtung. Die NGG fordert heute in anderen Branchen mal runde zehn Prozent, mal 500 Euro mehr pro Monat. Dabei blicken wir alle erleichtert auf die positive Entwicklung der Inflationsraten. Im Rückblick auf 2024 wird sie wohl bei 2,2 Prozent landen, im Ausblick auf 2025 – also auf die Periode, für die wir verhandeln – bei 2,0 Prozent. Rückblick wie Ausblick haben sich zum Vorteil aller Beschäftigten und der Unternehmen angeglichen und normalisiert. Das ist gut.

    Ist das bei der Forderung der NGG jetzt stärker berücksichtigt?
    Bauer: Die beiden Forderungen der NGG aus den Jahren 2022 und 2023 uns gegenüber wurden mit den sehr hohen Preisen im Nachgang zum 24. Februar 2022 begründet. Und das nicht zu Unrecht. Wir haben darauf bereits zweimal für unsere Beschäftigten mit sehr guten Abschlüssen reagiert. Ein Beispiel: Unsere Maschinenbediener haben in der Zeit inklusive der Inflationsausgleichsprämie bereits ein Gehaltsplus von mehr als 15 Prozent erhalten – eine klare Steigerung der Reallöhne.

    Aber jetzt ist die Inflation niedriger …
    Bauer: Ja, die Begründung „hohe Preissteigerungen“ hat die NGG auch nicht mehr verwendet. Zurecht, meine ich, die Forderung fällt damit anders aus. Das ist vernünftig bei unseren Gehaltsstrukturen, die innerhalb der NGG immer noch unangefochten auf Platz 1 liegen. Und wir dürfen die anhaltenden Volumenrückgänge im Markt, Verschiebungen Richtung Handelsmarken, Kosten der Transformation auf dem Weg zu neuen Produkten und Märkten und so fort nicht außer Acht lassen. Das Umfeld bleibt fordernd. Denken Sie nur an die Regulierungsvorhaben, besonders die aus Brüssel.

    Es werden also wieder interessante Verhandlungen. Womit rechnen Sie?
    Bauer: Mit interessanten Verhandlungen. Im vergangenen Jahr ging es auf Anruf der NGG nicht ohne den dritten Mann, den Schlichter. Ich denke, es wäre ein gutes Zeichen unserer Sozialpartnerschaft, wenn wir das in diesem Jahr gemeinsam und alleine hinkriegen. Die Sozialpartnerschaft zwischen Verband und NGG, aber auch zwischen Unternehmen und ihren Betriebsräten, ist traditionell gut. Wir haben 2023 wieder einen jährlichen Sozialpartnerdialog aufgenommen, den wir gerade zum zweiten Mal gemeinsam in Berlin durchgeführt haben.

    Das bedeutet?
    Bauer: Keine Verhandlungen, aber einen Austausch auf Augenhöhe zu relevanten Themen wie Markt, Regulierung, Themen der NGG und des AdC. Und in diesem Jahr auch Neuland für uns: Künstliche Intelligenz und wie sie Mitbestimmung betrifft und fordern kann. Es wäre einmal spannend zu sehen, was Künstliche Intelligenz uns anböte, wenn wir sie mit Blick auf 2025 zu Laufzeiten und Prozenten für unsere Industrie befragten.

    Herr Bauer, herzlichen Dank für das Gespräch.
    max

  • „Im Ergebnis akzeptabel“

    HAMBURG // Die [link|https://adc-online.de/]Arbeitgeber der Cigarettenindustrie (AdC)[/link] haben dem Vorschlag des Schlichters vom 18. Januar zugestimmt. Damit steigen zum 1. Januar die Löhne in allen Tarifgruppen um 250 Euro, in allen Ausbildungsjahren um 140 Euro. Mit DTZ hat AdC-Geschäftsführer Ulf Bauer gesprochen.

    Deutschland protestiert, Deutschland streikt. Das war schon 2023 vielfach so. Und es sieht Anfang 2024 wahrlich nicht anders aus. Unser persönliches Gespräch und die dazu nötigen Zugfahrten fallen aus. Die Tarifverhandlungen in der Cigarettenindustrie sind abgeschlossen, bei Ihnen aber ohne Streik – wieder einmal. Wie schaffen Sie das?
    Ulf Bauer: Vielleicht ist nach über 70 Jahren Sozialpartnerschaft irgendwann einmal das erste Mal. Aber 2024 nicht. Das freut uns, aber es hat auch ein Preisschild. Wir haben zweimal intensiv verhandelt. Und wie 2021 ging es auch 2024 nicht ohne den neutralen Schlichter, den die Gewerkschaft angerufen hat. Der hat allerdings aus meiner Sicht einen guten Job gemacht, beide Parteien auch mal an den Ohren gezogen, um zum Ergebnis für alle zu kommen.

    Wie sieht das Ergebnis aus?
    Bauer: Wir haben für eine Laufzeit von einem Jahr abgeschlossen. Gerne hätten wir Arbeitgeber mal wieder eine längere Dauer vereinbart. Aber die wirtschaftlichen Unsicherheiten führten bei der NGG und den Betriebsräten dazu, erneut eine kurze Laufzeit anzustreben. Sie wollten Risiken für die Beschäftigten minimieren, lieber Ende 2024 wieder mit uns zusammenkommen. Wir haben das akzeptiert, weil auch wir wissen, Prognosen über ein Jahr hinaus sind zurzeit nicht einfach.

    Und wie sieht es monetär aus? Was kommt bei den Beschäftigten auf dem Konto an?
    Bauer: Wir haben vereinbart, im ersten der zwölf Monate keine Erhöhung durchzuführen, in den anderen elf erhalten Azubis 140 Euro mehr pro Monat, alle Tarifgruppen bekommen 250 Euro. Das macht auf ein ganzes Jahr berechnet 232 Euro mehr pro Monat …

    … bei einer Gewerkschaftsforderung von …
    Bauer: … 490 Euro pro Monat für eine Laufzeit von zwölf Monaten. An den Zahlen könnte man ablesen: gut gemacht, Arbeitgeber. Im Ergebnis nicht einmal die Hälfte der Gewerkschaftsforderung. Aber auch diese Medaille hat eine zweite Seite.

    Was steht auf der anderen Seite der Medaille?
    Bauer: Sie müssen die 232 Euro ins Verhältnis setzen. Das macht runde sieben Prozent in unteren ETV-Gruppen und immer noch rund 3 Prozent in den oberen Gruppen. Daran allein merken Sie, die Forderung von 490 € war wenig realistisch. Im Schnitt zahlen unsere Unternehmen jetzt knapp über vier Prozent mehr Lohn in 2024. Nach den sechs Prozent im Jahr 2022 plus Inflationsausgleichsprämie von über 2000 Euro ist der Abschluss jetzt noch akzeptabel, aber doch grenzwertig.

    Wieso grenzwertig? Ist es nicht gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ein gutes Zeichen, als Unternehmen niedrigere Gehaltsgruppen stärker zu stützen?
    Bauer: Ja, das stimmt. Und da waren wir uns mit der NGG und den Betriebsräten auch einig. Das geht heute in Ordnung. Wir dürfen aber nicht aus den Augen verlieren: In unserer Industrie wird traditionell sehr gut bezahlt. Das heißt, vier Prozent in der Zigarette ist deutlich mehr Geld als vier Prozent in den allermeisten Branchen. Und eine Industrie, die wirtschaftlich zwar stabil handelt, aber seit Jahren konstant an Volumen verliert und gleichzeitig eine riesige Transformation vor der Brust hat, darf auch bei Löhnen nicht aus dem Ruder laufen. Andere Brachen haben im vergangenen Jahr und für 2024 im Schnitt mit 3,4 Prozent abgeschlossen. Und das bei einer durchschnittlichen Erwartung aller führenden Wirtschaftsinstitute an die Inflation 2024 von 2,6 Prozent.

    Sie sprechen jetzt stets von der Industrie. Hatten Sie nicht 2022 als einzelne Firmen allein verhandelt? Wie war das in diesem Jahr?
    Bauer: Das einzelne Verhandeln 2022 hatte Vor- und Nachteile. Ein großer Vorteil lag darin, dass der Tarifkommission der Arbeitnehmer wieder einmal bewusst geworden ist, es gibt nicht nur Gemeinschaft der Industrie, sondern auch sehr berechtigte einzelne Interessen. Dazu haben wir im August 2023 einen großen, gemeinsamen Sozialpartnerdialog der Arbeitgeber und Arbeitnehmer durchgeführt. Der ergab gemeinsame Ergebnisse und Aufgaben für 2024, die wir mit der NGG jetzt gemeinsam angehen. Aber ich meine, wer das gemeinsam will, sollte auch beim Tarif zusammen verhandeln. Das haben wir gemacht und auch bei dem Prozess mit Pro und Contra. Also eigentlich: wie immer im Leben.

    Herzlichen Dank, Herr Bauer, für das Gespräch.

    max

  • „Massive Reallohnverluste“

    MAINZ // Vor wenigen Tagen fanden in Hamburg die Tarifverhandlungen zur Erhöhung der Löhne und Gehälter für die rund 6000 Beschäftigten der vier großen deutschen Zigarettenhersteller Philip Morris, British American Tobacco (BAT), Japan Tobacco International (JTI) und Reemtsma statt. „Das war eine Woche der Schande“, sagt dazu Freddy Adjan, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), der die Verhandlungen führte.

    Trotz enormer Gewinne in Höhe von mehrstelligen Millionen-Euro-Beträgen, so Adjan, seien die Arbeitgeber nicht in der Lage gewesen, ein Angebot zu unterbreiten, dass die Inflationsrate nur ansatzweise ausgleichen würde. So sollten die Beschäftigten bei Philip Morris eine Lohnerhöhung von 4,5 Prozent bei einer Laufzeit des Tarifvertrags von 19 Monaten erhalten. Bei Reemtsma sollten die Lohnsteigerungen demnach 3,5 Prozent, bei JTI 2,8 Prozent und bei BAT 1,0 Prozent ausmachen.

    Adjan: „Die Gier der Zigarettenkonzerne kennt offensichtlich keine Grenzen. Sie nehmen mit ihren Angeboten massive Reallohnverluste ihrer Beschäftigten in Kauf. Die NGG bleibt bei ihrer Forderung der Erhöhung der Löhne und Gehälter um 9,3 Prozent für die nächsten zwölf Monate.“

    Verhandlungen Anfang Oktober fortgesetzt
    Die Tarifverhandlungen werden Anfang Oktober fortgeführt. „Wenn dann kein verhandlungsfähiges Angebot vorliegt, sind Arbeitskämpfe unausweichlich“, kündigte Adjan an – im Klartext: Es drohen Streiks.

    Hintergrund der hohen Forderung sind laut dem Gewerkschaftsfunktionär die Rekordinflation und die „enormen Gewinne der Unternehmen der Zigarettenindustrie“.

    Überschattet werde, teilte die Gewerkschaft mit, die Tarifrunde davon, dass die Konzerne nicht mehr bundesweit einheitlich verhandeln wollten. Statt in einer gemeinsamen Runde finden die Verhandlungen mit der Gewerkschaft NGG auf Firmenebene statt. „Wir werden es aber nicht zulassen, dass mit der Auflösung der Tarifgemeinschaft die einzelnen Standorte gegeneinander ausgespielt werden. Wir streben einen einheitlichen Abschluss in allen vier Unternehmen an“, sagt Adjan.

    fnf

  • Reger Dialog mit Partnern

    HAMBURG // Der Arbeitgeberverband der Cigarettenindustrie (AdC) besteht seit 70 Jahren. Die mächtige Interessenvertretung trägt auch eine hohe Verantwortung gegenüber den Arbeitnehmern. Das zeigt der Blick in die Geschichte.

    Am 19. Juli 1950 trafen sich in Frankfurt am Main Vertreter von 17 Tabakfirmen zur Gründungsversammlung des Arbeitgeberverbandes der Cigarettenindustrie. Heute bündelt der Verband die Arbeitgeberinteressen der vier großen auf dem deutschen Markt tätigen Zigarettenfirmen British American Tobacco (Germany), JT International Germany, Philip Morris und Reemtsma Cigarettenfabriken. Der Verband vertritt die Industrie in der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände und gegenüber der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG), insbesondere bei Tarifverhandlungen.

    Gründung 1950
    Als sich die Gründungsmitglieder, unter anderem die Firmen Kosmos, Muratti, Gerdami, Haus Neuerburg, Reemtsma, Kyriazi Frères, Patras, Liberty, Garbaty und Austria in Frankfurt im „Haus der Kochkunst“ trafen, waren turbulente Jahre seit dem Ende des Krieges vorausgegangen. Man hatte das Fehlen eines Zusammenschlusses der Arbeitgeber als strategischen Nachteil erkannt. Im Protokoll der Gründungsversammlung heißt es, den „Luxus, für ihre Arbeitgeberinteressen keine Vertretung zu haben, könne sich unsere Industrie einfach nicht leisten. Die Gewerkschaften hätten diese Schwäche seit Jahren erkannt, und es nicht nur als ein gutes Recht, sondern als ihre Pflicht betrachtet, diese schwache Stellung auszunutzen“. Von den „übersteigerten Löhnen in der Hamburger Industrie in den Jahren 1949 und 1950” ist die Rede, und es wird das Fazit gezogen, der einzelne Arbeitgeber sei selbstverständlich immer schwach gegenüber einer Gewerkschaft“.

    Kämpferischer Auftakt
    Nach diesem eher kämpferisch geprägten Start des Verbandes entwickelte sich in der Folgezeit ein zwar nicht spannungsfreies, aber durchaus gutes Verhältnis zur Gewerkschaft, das sich für beide Seiten als vorteilhaft herausstellte.
    Statt für Arbeitskämpfe entschied man sich für Diskussionen. Es wurde gestritten, aber der Wille zum Ausgleich und zur Verständigung mit der jeweils anderen Seite war da.

    Da spielte es sicher eine Rolle, dass die Mittel für den Ausgleich in der Industrie vorhanden waren. Gleichzeitig waren auch der Respekt vor der Leistung der Arbeitnehmer und das Verständnis vorhanden, dass diese eine faire Gegenleistung verdienten. Nicht zuletzt bestimmte der kommerzielle Hintergrund die Situation: In einer Zeit wachsenden Konsums und des Kampfes um Marktanteile musste die Verfügbarkeit der Ware im Vordergrund stehen. Niemand wollte sich eine Blöße durch „out of stocks“ (deutsch: nicht vorrätig) geben.

    Diese Umstände waren die Grundlage für eine Entwicklung, die die Zigarettenindustrie zu einem sozialpolitischen Vorreiter machte.

    Erfolg der Gewerkschaft
    Im Jahr 1959 wurde in der Zigarettenindustrie als erster Branche die 40-Stunden-Woche eingeführt. Die Metallindustrie folgte erst 1967, und auch Ende der 1960er-Jahre arbeiteten die meisten Arbeitnehmer in Deutschland 41 Wochenstunden und mehr.

    Die 40-Stunden-Woche war nicht der erste und blieb nicht der letzte Erfolg der Gewerkschaft. Schon 1952, also lange bevor das Betriebsverfassungsgesetz in Kraft trat, hatten die Arbeitgeber dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei Einstellung und Entlassung zugestanden. Die „Sudermühlen“-Regelung von 1978, ausgehandelt zwischen dem damaligen Verbandsvorsitzenden, dem Reemtsma-Personalvorstand Ernst Zander, und der NGG, sorgte als erste Vorruhestandsvereinbarung in der Industrie für riesigen Wirbel im Land und wurde Vorbild für den späteren gesetzlichen Vorruhestand. Als erste Branche führte die Zigarettenindustrie einen gemeinsamen Tarifvertrag für Arbeiter und Angestellte ein, als erste Branche zahlte sie 14 Monatsentgelte im Jahr. Die Aufzählung ließe sich fortsetzen.

    Umfangreiche Restrukturierungen
    Aber auch in die andere Richtung setzte man erfolgreich auf Konsens. In der Zeit großen internationalen Wettbewerbsdrucks der 1990er-Jahre willigte die Gewerkschaft in eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit auf 37,5 Stunden ein – auch das ohne Vorbild in anderen Branchen. 2005 setzte man umfangreiche Änderungen im Manteltarifvertrag um, um den Wettbewerbsbedingungen Rechnung zu tragen. An vielen schwierigen Strukturveränderungen und dem immer wieder notwendigen Personalabbau wirkten die Arbeitnehmervertreter konstruktiv mit, immer unter sehr wirksamer Wahrung der Interessen der betroffenen Mitarbeiter. Auch die Sozialpläne in der Zigarettenindustrie setzten Maßstäbe.
    Bis heute sind die Industriebeziehungen in den Betrieben und auf Branchenebene vom Gedanken der Partnerschaft geprägt. Es gibt wohl kaum eine Branche in Deutschland, die von sich sagen kann, sie habe in 70 Jahren keinen einzigen Arbeitstag durch Arbeitskämpfe verloren. Genau das gilt aber für die Zigarettenindustrie. Betriebsräte werden in gemeinsam von AdC und NGG veranstalteten Seminaren ausgebildet, und zwischen den Tarifverhandlungen wird ein reger Dialog gepflegt. Auch in den Betrieben und Unternehmen werden Konflikte ausschließlich intern beigelegt, die Anrufung der Einigungsstelle ist nicht üblich. Nicht zuletzt sind die Betriebsräte und die Funktionsträger der Gewerkschaft wichtige Partner der Industrie und einflussreiche Meinungsbildner in Fragen der Industriepolitik.

    Die aktuelle Arbeit des Verbandes ist geprägt von der Situation der Branche, die eine Phase beispielloser Innovation ihrer Produkte, aber auch von Geschäftsmodellen und Arbeitsweisen erlebt. Dazu braucht es Regeln, die moderne Arbeitsformen mitdenken und den Organisationen im Wandel einen verlässlichen Rahmen bieten.

    Ausgezeichneter Ruf
    Als Arbeitgeber hat die Zigarettenindustrie auch heute einen ausgezeichneten Ruf. An ihren Standorten gehören die Unternehmen zu den ersten Adressen am Arbeitsmarkt und landen in den einschlägigen Rankings als Top-Arbeitgeber regelmäßig auf Spitzenplätzen. Sehr oft bleiben die Mitarbeiter den Unternehmen ein Arbeitsleben lang treu und Karrieren „vom Azubi zum Chef des Verkaufs“ sprechen für die Durchlässigkeit und Leistungskultur. Auch internationale Karrieren in den sämtlich zu internationalen Gruppen gehörenden Firmen sind nicht selten und führen bis in internationale Spitzenjobs. Durch die systematische Förderung des Nachwuchses in Ausbildungsprogrammen, Kombinationen von Studium und Ausbildung und ausgezeichneten Traineeprogrammen für Hochschulabsolventen legen die Firmen die Grundlage für diese Karrieren. Da sich solche Programme in vergleichbaren Märkten nur selten finden, sind die deutschen Organisationen für die globalen Unternehmen oft so etwas wie ein „Steinbruch“ für Nachwuchskräfte.

    Diese Qualitäten als Arbeitgeber führten, ebenso wie das kooperative Modell der Industriebeziehungen, zur Entwicklung hochqualifizierter, leistungsfähiger und schlagkräftiger Organisationen mit großer Motivation und Loyalität.

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  • Zigarrenindustrie und NGG einigten sich bei Tarifverhandlungen

    PORTA WESTFALICA (DTZ/da). Die Tarifkommissionen der Zigarrenindustrie und der Gewerkschaft Nahrung – Genuss -Gaststätten (NGG) haben sich in der Nacht vom 5. auf den 6. November in Porta Westfalica in der dritten Verhandlungsrunde auf einen neuen Entgelttarifabschluss geeinigt.

    Demnach erhöhen sich die Entgelte für die rund 1.300 Beschäftigten in der Zigarrenbranche rückwirkend ab 1. November 2013 um 2,2 Prozent. Für Vollzeitbeschäftigte im gewerblichen Bereich (Tarifgruppe 1 und 2) steigen die Löhne um mindestens 50 Euro im Monat. Auszubildende erhalten 20 Euro mehr. Ab 1. Juli 2014 gehen die Vergütungen nochmals um die gleichen Summen nach oben.

    Die Gehaltstarifverträge haben eine Laufzeit bis zum 30. Juni 2015. Auch die Manteltarifverträge wurden bis zum 30. Juni 2015 verlängert.

    Beide Seiten einigten sich erst nach einer Marathonsitzung, die am 5. November um 10 Uhr begann und bis 1.30 Uhr am 6. November dauerte. Anschließend rauchten die Teilnehmer eine „Friedenszigarre“.

    Vorausgegangen waren einstündige Warnstreiks in Betrieben von Arnold André, Dannemann und Villiger. Hieran beteiligten sich insgesamt mehr als 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Das hatten wir schon lange nicht mehr“, berichtet Rainer Göhner, einer der beiden Geschäftsführer von Arnold André. Er ist Vorsitzender der Tarifkommission des Bundesverbands der Zigarrenindustrie. Neben ihm gehören diesem Gremium Jan Busmann (Dannemann), Anja Depping (Arnold André), Bodo Mehrlein (Bundesverband der Zigarrenindustrie) und Martin Schuster (Cigarrenfabrik August Schuster) an. Verhandlungsführer für die Arbeitnehmerseite war Michael Bergstreser, zuständiger Referatsleiter bei der NGG.

    (DTZ 46/13)

  • Arbeitsplätze im BAT-Werk Bayreuth sicher

    BAYREUTH (DTZ/red). Beim Zigarettenhersteller British American Tobacco (BAT) in Bayreuth laufen die Maschinen ab 2011 sieben Tage die Woche. Das hat der Betriebsrat des Unternehmens Anfang der Woche angekündigt. Eine Arbeitszeitverlängerung für die Beschäftigten in der Fertigung soll es nicht geben.

    Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Franz-Josef Möllenberg, erklärte bei einer Betriebsbesichtigung, dass die rund 1 500 Arbeitsplätze in dem Werk bis voraussichtlich 2020 gesichert seien. Darauf habe sich seine Gewerkschaft mit der Unternehmensleitung in den laufenden Tarifverhandlungen verständigt. BAT gilt als größter privater Arbeitgeber im Raum Bayreuth.

    (DTZ 39/10)