Wer ist ein guter Kunde?

RÖSRATH // Auf der Jahrestagung des BTWE Handelsverband Tabak hielt der neu gewählte Präsident Torsten Löffler eine Grundsatzrede, die wir hier auszugsweise wiedergeben.

„Geschäfte wurden nur gebaut, weil es kein Internet gab.“ Mit diesen Worten provozierte vor genau fünf Jahren der Internetunternehmer Oliver Samwer (Rocket Internet) den klassischen Einzelhandel. Zugegeben: Der Siegeszug des Online-Handels hält an, und viele Unternehmer sind gut beraten, ihre Geschäftsmodelle auf den Prüfstand zu stellen. Aber nach wie vor kauft der Konsument am liebsten stationär. Bei Tabak macht dieser Kauf sogar die weitaus überwiegende Mehrheit aus. Kaum eine Branche hat so einen engen und regelmäßigen Kontakt zu seinen Kunden wie wir.

Wir haben nicht nur einen intensiven Kontakt zum Kunden, sondern der tabakführende Handel profitiert heute von neuen revolutionären Produkten und Sortimenten. Und damit von neuen Chancen, die er nicht nutzen muss – aber nutzen kann. Im Ernst: Wer hätte vor zehn Jahren damit gerechnet, dass unsere Branche mit dampfenden und tabak-erhitzenden Produkten von der Öffentlichkeit als hochinnovativ wahrgenommen wird?

Ich persönlich glaube nicht, dass neue Genussprodukte wie E-Zigaretten die Macht haben, die alten Genuss-Produkte wie die Zigarette vom Markt zu verdrängen. Die Zigarette begann ihren Siegeszug vor über hundert Jahren. Sind deswegen Zigarillos und Zigarren heute ausgestorben? Der Markt wird vielfältiger und die Chance für den Handel, davon zu profitieren werden steigen.

Die Innovationen bei den Risikoreduzierten Produkten überschlagen sich. Aktuell bin ich gespannt, wie die neue Juul bei unseren Konsumenten ankommen wird. Und das Beste: Viele der neuen Produkte erzählen auch noch eine Geschichte, bei der es unter anderem um Risikoreduzierung geht.

Was will die Politik?

Von den Briten lernen heißt siegen lernen? Keine Frage: Der Brexit kostet uns alle Nerven. Aber in einer Sache scheinen die Briten ganz schlau zu sein: Dort schlägt der Gesetzgeber nicht dumpf auf alles ein, auf dem Tabak oder Nikotin steht. Dort ziehen Gesundheitsministerium, Ärztekammer und Krebsforschungszentrum an einem Strang und forcieren die E-Zigarette als gesündere Alternative. Es gibt sogar Überlegungen, die britischen Krankenkassen die Kosten dafür übernehmen zu lassen.

Geht die deutsche Politik jetzt den umgekehrten Weg? Bei der Union war zuletzt ein Kompromiss im Gespräch. Dabei wollte man sich am WHO-Vertrag von 2005 orientieren. Es könnten neue Produkte wie E-Zigaretten vom Werbeverbot ausgenommen werden, denn die habe es schließlich bei Abschluss des WHO-Vertrags noch gar nicht gegeben. Selbst die SPD liebäugelte mit diesem Deal, um das Thema endlich vom Tisch zu bekommen.

Vor zwei Wochen wurde dagegen bekannt, dass die CDU/CSU-Landesgruppe Nordrhein-Westfalen in einer Testabstimmung mehrheitlich für ein totales Rauchverbot stimmte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das schon der Weisheit letzter Schluss ist. Warum sollte die Politik risikoreduzierte Produkte bekämpfen, die für viele Menschen eine attraktive und gesündere Alternative darstellen?

Gegen Verbote von Außenwerbung

Der BTWE hat Außenwerbeverbote immer abgelehnt und wird das auch in Zukunft tun. Wir sind überzeugt: Für legale Produkte muss auch öffentlich geworben werden dürfen.

Und auch für uns als Wirtschaft sind Werbeverbote schädlich: Denn wenn nur der Preis zur Differenzierung im Wettbewerb bleibt, ist das Margensterben nicht mehr weit.

Kommt das Außenwerbeverbot trotzdem, wird der POS wichtiger. Und wir werden unsere Chancen zu nutzen wissen. Die Aufmerksamkeit und die Diskussion über neue Produkte überdeckt zu oft, dass wir immer noch 95 Prozent unseres Geldes vor allem mit den klassischen Sortimenten verdienen – in den Bereichen Zigaretten, Rauchtabak, Pfeifentabak, Zigarren, Zigarillos, Pfeifen und Raucherbedarfsartikel. Deshalb ist es auch wichtig, dass wir dieses Sortiment hegen und pflegen.

Und so gibt es auch kein Naturgesetz, Big-Packs und Maxipackungen zu forcieren. Natürlich kann man den Schnäppchen-Instinkt der Konsumenten anheizen. Aber ist ein Kunde, der uns seltener besucht und weniger Umsatz und Rendite bringt, ein guter Kunde?

Track & Trace als Umsatzbringer

Seit 20. Mai ist das Rückverfolgungssystem nach der Tabakproduktrichtlinie TPD 2 in Kraft. Damit wurde ein gigantisches IT- und Bürokratieprojekt endgültig scharf gestellt: Jede Zigarettenschachtel muss dann lückenlos verfolgbar sein – von der Fabrik bis zum Händler. Dafür wird auf jeder Schachtel ein Code aufgebracht. Jedes Unternehmen aus Handel und Industrie, das Tabak verkauft, braucht jetzt einen Code, jedes Lager, jeder Kiosk oder Automat wird identifiziert. Das sind allein in Deutschland rund 90 000 Händler mit 400 .000 Standorten.

Gestatten Sie mir eine satirische Anmerkung: Wenn das Rückverfolgungssystem nach der TPD 2 den Schmuggel wirksam eindämmt – das ist ja ein erklärtes Ziel – müsste es ja demnächst im legalen Handel einen deutlichen Umsatzzuwachs geben. Wenn aktuell fast jede fünfte Zigarette in Deutschland nicht ordentlich versteuert wird, dürften uns ja rein rechnerisch jetzt Umsatzsteigerungen von bis zu 20 Prozent ins Haus stehen …

red

(DTZ 23/19)

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