BERLIN // Das Aktionsbündnis Nichtrauchen (ABNR), ein Zusammenschluss verschiedener Organisationen vom Ärztlichen Arbeitskreis Rauchen und Gesundheit bis zum Deutschen Krebsforschungszentrum, haben vor wenigen Tagen das Positionspapier „Für eine konsequente Tabakprävention“ vorgelegt. Ziel ist es, die Mitglieder des neuen Bundestages aufzufordern, sich stärker gegen Tabakwaren zu engagieren. DTZ hat sich den Forderungskatalog genauer angesehen.
Man wolle, schreiben die Verfasser des Papiers, den Einstieg in das Rauchen verhindern, den Ausstieg aus dem Rauchen fördern und vor Passivrauch schützen. Das ist gut gemeint. Allerdings ist „gut gemeint“ nicht halb so viel wert wie „gut gemacht“. Sind die Appelle des ABNR gut gemacht? Wir werden sehen.
Sieben „politische Forderungen“ hat das Bündnis zusammengetragen. Sie beginnen mit
Nichtraucherschutz verbessern und vereinheitlichen.
Dafür sei es erforderlich, das Rauchen in öffentlich zugänglichen Innenräumen, in allen Arbeitsstätten und in Pkw zu verbieten. Nun könnte man lange darüber diskutieren, wie viele Gesetze man biegen müsste, um das alles so hinzubekommen, angefangen bei Artikel 14 des Grundgesetzes, der Bestand und Freiheit des Eigentums gewährleistet und so eine Grundlage der eigenverantwortlichen Lebensgestaltung schützen soll. Wie das mit einem Rauchverbot im eigenen Auto in Einklang gebracht werden könnte, ist zumindest schwer erkennbar. Dass, wie das Papier ohne Nennung einer Quelle behauptet, 87 Prozent der Bevölkerung für ein Rauchverbot sind, wenn Kinder im Fahrzeug sitzen, lässt sich so nicht verifizieren. Laut Debra-Studie der Heinrich-Heine-Universität sind es 71,6 Prozent. Und dass fünf Prozent der Befragten angaben, sie stimmten überhaupt nicht zu, bedeutet nicht, dass sie den Nachwuchs auf Teufel komm raus zuqualmen würden. Viel näher liegt der Verdacht, sie hätten etwas gegen eine (weitere) staatliche Bevormundung.
Dass auch und gerade in Arbeitsstätten die gegenseitige Rücksichtnahme von Rauchern und Nichtrauchern ein wichtiges Thema ist, liegt auf der Hand. Wieso besonders in Friseursalons die Beschäftigten nicht ausreichend vor Tabakrauch geschützt sein sollen, erläutern die Autoren des Positionspapiers nicht. Und bitte: Wenn schon in der Einleitung die „entschlossene Tabakprävention“ in anderen EU-Ländern so gelobt wird, sollte man auch anführen, dass der Anteil der von Passivrauch Betroffenen in deutschen Unternehmen um 7,4 Prozentpunkte unter den Vergleichswerten des europäischen Auslands liegt, wie eine Studie des Imperial College in London belegt.
Ach ja, die bundeseinheitlichen Rauchverbote in öffentlichen Räumen. Brauchen wir wirklich ein Bundesgesetz? Ja – dann dürfen wir uns aber auch nicht beklagen, wenn der Nanny-Staat uns mit Blick auf Alkoholgenuss, Zuckerkonsum, zu wenig sportliche Betätigung, zu viel sportliche Betätigung und so fort ebenfalls gängelt. Da ist mir der Kodex für rücksichtsvolle Raucher, wie ihn das Forum Rücksichtsvoll Rauchen aufgestellt hat (unter anderem: Niemals vor Kindern rauchen. Nur dort rauchen, wo es erlaubt ist.) wesentlich lieber. Und ja: Mir ist klar, dass hinter dieser Aktion die Branchenorganisation Verband der Rauchtabakindustrie steckt.
Werbung, Promotion und Sponsoring für Tabakprodukte und E-Zigarette in jeder Form verbieten.
„Die Bundesrepublik muss in der nächsten Legislaturperiode (…) ein Gesetz zu einem vollständigen Tabakwerbeverbot erlassen“, heißt es unter diesem Punkt. Denn nicht zuletzt nutze die Tabakindustrie Zigarettenverpackungen als wichtige Werbefläche. Klar: Ein solches Verbot würde verschiedene Grundrechte verletzen, etwa das am geistigen Eigentum. Dass für ein legales Produkt nicht mehr geworben werden dürfte, widerspräche zudem dem gesunden Menschenverstand. Zugleich aber machen die Verfasser des Papiers deutlich, dass die sogenannten „Schockfotos“ nichts taugen – wie sonst könnte der verbleibende Raum für Botschaften an den Konsumenten und Noch-nicht-Konsumenten verwendet werden? Zudem bezweifeln Medienpsychologen immer wieder, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen Tabakwerbung und Kaufimpuls gibt. Im Eurobarometer „Attitudes of Europeans Towards Tobacco (Verhältnis der Europäer gegenüber Tabak)“ von 2012 befragten die Autoren Konsumenten, warum diese mit dem Rauchen begonnen hätten. 79 Prozent gaben an, weil ihre Freunde rauchten, bei 21 Prozent waren es die Eltern, 19 Prozent mochten den Geschmack oder Geruch von Tabak (bis zu drei Nennungen möglich). Werbung tauchte in dieser Liste nicht auf.
Vollends unglaubwürdig wird dieser Punkt des Forderungskataloges durch den ausdrücklichen Verweis auf den „kausalen Faktor für die Initiierung des Rauchens im Kinder- und Jugendalter“. So schreibt das Bündnismitglied Deutsche Krebsgesellschaft auf seiner Homepage: „Die Zahl der Raucher in Deutschland ist weiter rückläufig – vor allem bei den Jugendlichen.“
Dass ausdrücklich E-Zigaretten in die Forderung aufgenommen wurden, zeigt, wie voreingenommen argumentiert wird. So ist es dem Bündnis zwar ein Anliegen, den Ausstieg aus dem Rauchen zu fördern. Dass der Dachverband Sucht nun durchaus zur E-Zigarette rät, wenn andere Entwöhnungshilfen nicht griffen, und dass etwa im sonst als Vorreiter gelobten Großbritannien staatliche Stellen in der jährlichen Aktion „Stoptober“ die E-Zigarette an erster Stelle der Ausstiegshilfen nennen, bleibt unerwähnt.
Marc Reisner, Chefredakteur
Lesen Sie den vollständigen Leitartikel in der Printausgabe DTZ 50/17.
Schreiben Sie einen Kommentar