BERLIN // Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) will die EU-Tabakproduktrichtlinie (TPD 2) grundsätzlich 1 : 1 in deutsches Recht umsetzen. So sieht es der jetzt vorgelegte offizielle Referenten-Entwurf für ein neues Tabakgesetz vor.
Der Teufel steckt bei den vorgesehenen Regelungen allerdings im Detail. So wurden einzelne Punkte gegenüber der Erstvorlage zwar angepasst, in zahlreichen anderen geht der Entwurf jedoch weiterhin über eine 1 : 1-Umsetzung der EU-Richtlinie hinaus. Ein ganz wichtiger Aspekt, die Problematik einer Fristverlängerung für die Produktionsumstellung, wurde gar nicht berücksichtigt.
Experten warnen allerdings, dass das Umsetzen der Vorschriften bis Mai 2016 ohnehin nicht mehr zu schaffen sei. Denn für das Umstellen auf die neuen Warnhinweise benötigt die Industrie gemäß Gutachten der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK), je nach Produkt, zwischen 15 und 20 Monaten.
Ebenfalls wichtig: Das ursprünglich vom BMEL beabsichtigte Verbot für Außenwerbung- ist im Rahmen der TPD-Umsetzung nicht mehr geplant. Doch hier droht das berüchtigte „dicke Ende“. Stattdessen nämlich soll die Außenwerbung durch ein Änderungsgesetz ab Juli 2020 verboten werden. Die Einschränkung der Kinowerbung soll aber bereits ab Inkrafttreten des neuen Tabakgesetzes gelten. Werbespots für Tabakerzeugnisse sollen dann nur noch in Filmen für Erwachsene gezeigt werden dürfen. Ebenso sollen Samplings für Zigaretten und Feinschnitt zu Werbezwecke ab Mai 2016 untersagt werden; für andere Tabakerzeugnisse – zum Beispiel für Zigarren, Zigarillos und Pfeifentabak – soll das Verbot ab 2020 gelten.
Nicht komplett gestrichen wurde in dem jetzt präsentierten Referentenentwurf die Übergangsfrist für Men-tholprodukte bis Mai 2020. Allerdings wurde dieser Punkt nur unzureichend geregelt. Denn er betrifft in der jetzigen Fassung lediglich Menthol auf Tabaksträngen, bei vielen Mentholerzeugnissen erfolgt die Anwendung jedoch in anderer Form, zum Beispiel über Packungs-Inlays, was bereits ab Mai 2016 untersagt werden soll.
Harsche Kritik durch Verbände
Bei Zigarren, Zigarillos und Pfeifentabak soll Artikel 11 der EU-Tabakproduktrichtlinie übernommen werden. Demnach würde es keine kombinierten Bild- und Textwarnhinweise außen auf den Packungen geben, jedoch größere Textwarnhinweise. Auch innen sieht die TPD 2 Textwarnhinweise vor.
Kein Wunder, dass auch die Verbände auf die Barrikaden gehen. „Die vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft an die betroffenen Verbände versandten Referentenentwürfe für ein Tabakerzeugnisgesetz und eine Tabakerzeugnisverordnung gehen erneut deutlich über die seitens der EU zur nationalen Umsetzung vorgegebenen Regelungen hinaus“, wettern die Branchenverbände, der Verband der Rauchtabakindustrie (VdR) und der Deutsche Zigarettenverband (DZV).
Beide Verbände äußern harsche Kritik an den jetzt vorgelegten Regelungen und fordern „eine schnelle 1 : 1-Umsetzung der EU-Tabakprodukt-Richtlinie und angemessene Fristenverlängerung für die Anpassung der Produktion“.
Gutachten wird ignoriert
Vor allem der DZV kritisiert die bis heute fehlende Planungs- und Rechtssicherheit für alle Unternehmen aufs Schärfste und fordert eine Regulierung mit Augenmaß. „Ziel muss eine 1 : 1-Umsetzung der EU-Richtlinie sein, um nationale Alleingänge zu Lasten der Wirtschaft, der Verbraucher und des Bundeshaushaltes zu verhindern“, sagt DZV-Geschäftsführer Jan Mücke. Die durch das Gesetz notwendig werdenden Umstellungen in der Produktion und bei der Verpackung seien in der Kürze der Zeit nicht zu leisten. Die Umstellungsfrist zum 20. Mai des kommenden Jahres sei für die deutschen Tabakhersteller nicht zu halten. Aufgrund der knappen Termine drohe ein Stillstand der Produktion.
Auch Hauptgeschäftsführer Michael von Foerster vom VdR ist extrem besorgt: „Ich weiß nicht mehr, was unsere Mitgliedsfirmen ihren Mitarbeitern in der Produktion sagen sollen. Ohne praktikable Übergangsfristen muss ein Produktionsstopp ab Mai 2016 in Erwägung gezogen werden.“
Dass das Gutachten einer anerkannten Technischen Hochschule ignoriert und die Umstellungsfristen nicht angepasst würden, mache die Ignoranz der Ministerien gegenüber der gesamten Branche deutlich. Verschärft werde diese unhaltbare Situation durch angestrebte willkürliche Verbote bestimmter Inhaltsstoffe ohne wissenschaftlichen Nachweis und ohne eine ausreichend lange Frist zur Rezepturanpassung auf Seiten der Hersteller. Diese intransparenten Verbote einer Vielzahl von Zusatzstoffen in Pfeifentabaken, Zigarren und Zigarillos sowie Kau- und Schnupftabaken sowie der Verzicht auf wissenschaftliche Kriterien bei einem Verbot von Tabakerzeugnissen seien nicht nachvollziehbar.
Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Michael Fuchs sowie der wirtschafts- und energiepolitische Sprecher der Fraktion Joachim Pfeiffer hatten erst jüngst erklärt, dass Europäische Richtlinien nur „1 : 1“ umgesetzt werden dürften. Ein „zusätzliches Draufsatteln“ würde die deutsche Wettbewerbsfähigkeit beschädigen. Genau das mache die Bundesregierung nun. Sowohl VdR als auch DZV halten zudem die geplanten Verbote der Außenwerbung sowie des sogenannten Samplings, der kostenlosen Abgabe von Tabakprodukten zu werblichen Zwecken an erwachsene Konsumenten für inakzeptabel. Hersteller legaler Produkte müssten mit ihren Kunden kommunizieren können, sonst würden Grundregeln der sozialen Marktwirtschaft verletzt.
red
(DTZ 47/15)
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