DÜSSELDORF (DTZ/fh). In der vergangenen Woche fand im NRW-Landtag zu Düsseldorf eine Anhörung zu der von der Rot/Grünen Landesregierung geplanten Verschärfung des Nichtraucherschutzgesetzes statt. Das verschärfte Gesetz will das Rauchen in allen öffentlichen Gebäuden, insbesondere in der Gastronomie ohne jede Ausnahme verbieten.
An der Anhörung nahmen eine Reihe von Verbänden und Interessenvertreter aus der Tabakbranche teil, wie der BdZ, MUT, JTI und BDTA. Sodann Sprecher der Ärztekammern, des Nichtraucherschutzbundes und der Dehoga NRW. Die Landtagsparteien haben das Recht, Interessenvertreter ihrer Wahl als sogenannte Gutachter einzuladen. Ausschließlich die anwesenden Ausschussmitglieder aller Parteien dürfen Fragen an die Gutachter stellen, welche ansonsten kein eigenes Rederecht haben. Somit blieben Aussagen wie „bei E-Zigaretten wird Tabak verbrannt“ unwidersprochen.
Vorgebracht wurden seitens der Befürworter des neuen Gesetzes die altbekannten Argumente, welche auf der umstrittenen „Passivrauchstudie“ beruhen. Martina Pötschke-Langer vom Dt. Krebsforschungszentrum und ihre Begleitung Dietmar Jazbinsek gaben die meisten Redebeiträge ab. Jazbinsek ist Journalist und Mitglied bei lobbycontrol.
Gebetsmühlenartig wurden bei der Anhörung Studien wie jene von der DRK über den angeblichen Rückgang von einschlägigen Krankheiten durch existierende scharfe Nichtrauchergesetze zitiert. Bis hin zum Third Hand Smoke durch Prof. Rasche von der Ärztekammer Nordrhein, wonach Räume, Wände, Möbel toxisch verseucht wären, wenn dort geraucht wird und damit beispielsweise das morgendliche Putzpersonal vergiftet würde.
Oder aber: Wenn in der Gastronomie geraucht würde, lägen dort so hohe toxische Werte vor, dass im Vergleich ein Chemiearbeiter gezwungen wäre, an seinem Arbeitsplatz eine Gasmaske zu tragen! Eine geradezu hysterische, wohl kaum wissenschaftlich haltbare Aussage von Frau Pötschke-Langer.
Fragen zu „geschlossenen Gesellschaften“
Marc Benden, 1. Vorstand von MUT, und Bodo Mehrlein, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Zigarrenindustrie, wurden nur einmal befragt zum Thema geschlossene Gesellschaften. Ein heikler Punkt, wenn es um die Festlegung eventueller Ausnahmen geht, da die Raucherclubs in NRW höchstrichterlicherseits gescheitert sind und gedanklich von den Politikern in der Regel mit geschlossenen Gesellschaften gleich gesetzt werden. Immer wieder kam der Punkt der Vollzugsprobleme auf, nämlich die Ausnahmen ausreichend kontrollieren zu können. Pötschke-Langer betonte wiederholt, dass dies momentan nicht möglich sei und auch nicht geschähe.
Der ausführliche Vortrag von Herrn Meinsen als Vertreter des BFT ging u.a. auf eine aktuelle repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov ein, wonach über 70 Prozent der Bürger mit dem existierenden Gesetz einverstanden seien. Indem er Politikern vorwarf, sich nicht an den Mehrheiten der Bevölkerungsmeinung zu orientieren, handelte er sich allerdings einen Rüffel des Vorsitzenden des Ausschusses Günter Garbrecht ein. Zudem „outete“ ihn Jazbinsek als Tabaklobbyist, weil er als Sprecher des Aktionsbündnisses während der Abstimmung in Bayern tätig war und ein Genussmagazin verlege, das zahlreiche Tabakanzeigen enthielte. Daraufhin erhielt wiederum Jazbinsek einen Rüffel des Vorsitzenden, weil der Zweck und Sinn einer Anhörung nicht sei, den Gegner persönlich anzugreifen.
Eine grundsätzliche positive Tendenz für die Befürworter des neuen Gesetzes war insofern spürbar, dass die „Passivrauchstudie“ nicht erfolgreich angezweifelt wurde. Prof. Romano Grieshaber, Autor des Buches „Passivrauchen – Götterdämmerung de Wissenschaft“, war nicht als Gutachter geladen, war aber als Zuhörer anwesend und hatte eine Stellungnahme eingereicht. Die Minimierung oder Eliminierung auch des kleinsten Risikos war das Ziel vieler Ausschussmitglieder. Der Vertreter des Bundes Dt. Karneval musste beispielsweise wegen insistierender Nachfragen einräumen, dass die Veranstaltungen zwar grundsätzlich für Besucher ab 18 Jahren stattfänden, zu Beginn aber in der Regel Kindertanzgruppen für fünf Minuten auftreten.
Diese fünf Minuten im Umfeld von rauchenden Erwachsenen war für eine fragende SPD-Abgeordnete ein Horror-Szenario. Ein Arzt ergänzte, dass Kinder ohnehin häufiger atmen würden als Erwachsene und dies sich noch verschärfe, wenn sie sich beim Tanzen körperlich anstrengten. Ungeklärt blieb die Frage, ob sich die gleiche Abgeordnete mehr erzürnen würde, wenn dieselben Kinder bei der winterlichen Abfahrt auf den draußen wartenden Bus stoßen, der wegen der Klimaanlage den Motor laufen lässt. Wahrscheinlich wäre bei einer entsprechenden Frage die „Diesel-Studie“ zitiert worden, wonach in einem geschlossenen Raum gerauchte Zigaretten toxischer seien als ein eben dort laufender Diesel-Motor.
Schilder schützen Kinder
Die spannende Frage der Kompetenzüberschreitung warf der nicht anwesende Oberbürgermeister von Düsseldorf in seiner schriftlichen Stellungnahme auf. Ob nämlich das neue Gesetz nicht den Rahmen sprenge, wenn es nicht mehr nur um Nichtraucherschutz, sondern auch um Gesundheitsschutz ginge. Hiermit meinte er das geplante Rauchverbot auf Spielplätzen, weil spielende Kinder weggeworfene Zigarettenkippen verschlucken könnten und damit eine starke Nikotinvergiftung erhalten würden. Die Regelung auf den Spielplätzen wurde heftig diskutiert. Eine Befürworterin sprach von „Schilder schützen Kinder“.
Sie musste aber einräumen, dass diese Schilder zwar rauchende Mütter oder Väter davon abhalten würde, Zigarettenkippen in den Sand zu werfen, nicht aber Jugendliche, die dort dann abends ihre Treffen abhalten würden. Im Kern eine bizarre Diskussion, denn wozu dann Schilder, wenn man davon ausgehen darf, dass betroffene Eltern keine Zielgruppe dieser Schilder sein sollten. Konsequenterweise hätte dieselbe Rednerin dann ein Rauchverbot für Eltern zu Hause fordern müssen, denn dort dürfte die Gefahr durch offene volle Aschenbecher viel größer sein. Diese Forderung wurde dann in einem WDR-Interview durch Helmut Weber vom Nichtraucherschutzbund erhoben. Es sei keine private Angelegenheit, dass Eltern ihre Kinder durch Passivrauch krank machen dürften. Dies sei vielmehr ebenso öffentlich wie andere „kriminelle Dinge in Innenräumen“.
Derartige Kompetenzüberschreitungen ist der Betrachter geneigt, auch Frau Pötschke-Langer zu unterstellen, wenn ihre Begleitung Dietmar Jazbinsek das Sterben der Kleingastronomie nicht mit dem Rauchverbot begründet, sondern weil Hartz IV-Empfänger sich ihr Bier in der Eckkneipe nicht mehr leisten könnten und andere Gäste lieber zu Hause twittern oder Facebook besuchen!
Insider wissen zu berichten, dass derartige Ausschüsse eher als gelebte Demokratie zu betrachten sind denn als Ergänzung des schon vorhandenen Fachwissens der Ausschussmitglieder. Immerhin wurde die Sitzung wegen der großen Teilnahme durch Zuschauer und Presse akustisch in einen anderen Raum übertragen.
Am 31.10. wird der Ausschuss die Ergebnisse bewerten, am 21.11. wird der Gesundheitsausschuss abschließend tagen und damit dann maßgeblich die Abstimmung im Landtag prägen.
(DTZ 40/12)
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