„Veränderungen sind notwendig“

Presse-Grosso Verband setzt im Streit zwischen Verlagen und Grossisten auf Evolution statt Revolution

[pic|113|l|||Sind Pressevielfalt und Überallerhältlichkeit in Gefahr: Der Bauer Verlag fordert umfassende Veränderungen des Grosso-Vertriebs-Systems.|||]

PRESSE
MAINZ (DTZ/kh). Es ist ein Hin und Her. Ein Medienbericht über die Kündigung zweier Grossisten durch den Bauer Verlag folgt dem nächsten, und dennoch wird eigentlich immer dasselbe gesagt. Die, die uns Aufschluss geben könnten, hüllen sich in Schweigen. Daneben zeigt sich, dass andere Verlage zwar nicht so offensiv sind wie Bauer, aber dennoch ähnliche Forderungen stellen.

Neben unterschiedlichen Auffassungen bei den Verhandlungen der Handelsspannen geht es um die Differenzen wegen der Weitergabe von Verkaufsdaten. Verlegertochter Yvonne Bauer forderte, dass Presseerzeugnisse nach ihrer Nachfrage- und Umsatzbedeutung platziert werden und unverkäufliche Titel konsequent ausgelistet werden, um überfüllte Presseregale zu vermeiden (DTZ berichtete). Dies würde nicht nur die Branche allgemein, sondern auch speziell den Pressefachhandel betreffen.

Platzierung nach Nachfrage- und Umsatzbedeutung
Bauer forderte aber auch generell von den Grossisten „bessere Leistungen und deutliche Veränderungen“ im Vertriebssystem. „Nur solange die Hauptumsatzträger das Grossosystem für effizient halten, wird es eine Zukunft haben“, drohte Yvonne Bauer. Sie fühlt sich in einer starken Position mit ihren „Flaggschiffen“ wie zum Beispiel „TV Movie“, „Bravo“ oder etwa „Intouch“.

Branchenexperten vermuten indes, Bauer baue gegenüber den Grossisten eine Drohkulisse auf, um sie zur Nachgiebigkeit bezüglich möglicher Fusionswünsche (seitens des Verlages) mit anderen Grosso-Unternehmen zu bewegen. Denn schließlich kommen größere Grosso-Einheiten mit weniger Spanne klar. Ihrer Meinung nach könnte die Entscheidung des Bauer Verlags, den Grossisten Mügge und Grade zu kündigen und die Aufträge an die Bauer-Tochter Presse Vertrieb Nord zu vergeben, nicht endgültig sein. Andere Beobachter gehen dagegen davon aus, dass Bauer noch weiteren Grossisten kündigen könnte. Alles nur Spekulationen!

Bauers Vorstoß kommt Springer gelegen. Springer betrachtet die Denkanstöße mit Interesse und hält Reformen bei den Grosso-Dienstleistungen für nötig, berichtete die Zeitschrift „Horizont“. Man bekenne sich allerdings weiter zum System.

Verlage bleiben vom System weiter überzeugt
Auch Burda ist weiter vom System überzeugt. Dass rohertragsstarke Titel bevorzugt werden, hält Tobias Mai für kaufmännisch legitim, heißt es.
Für den Bundesverband Presse-Grosso war die Kündigung der Grossisten durch Bauer nicht vorhersehbar. „Die Kündigung der Mitgliedsfirmen Grade in Elmshorn und Mügge in Stade mit Wirkung zum 28. Februar 2009 kam völlig überraschend. Gründe hierfür wurden gegenüber den Firmen nicht angegeben. Beide Grossisten leisten eine gute Vertriebsarbeit. Die betroffenen Firmen und der Verband suchen das Gespräch zu der Bauer Vertriebs KG“, sagt Kai-Christian Albrecht, Hauptgeschäftsführer des Presse-Grosso Bundesverbandes.

Der Bundesverband bemühte sich um Beschwichtigung der Prozesse, teilte aber in einer Meldung mit: Der Ruf von Bauer nach einer marktanteilsgerechten Bestückung der Regale im Fachhandel „verkenne die Selbstständigkeit des Pressefachhändlers und würde die Pressevielfalt an der Ladentheke in Frage stellen“. Evolution statt Revolution lautete das Credo des Markenexperten Professor Brandmeyer bereits im Jahr 2007, zitierte der Presse-Grosso Verband. „Das Presse-Grosso fühlt sich weiterhin der Förderung der Marktpflege und Marktbearbeitung verpflichtet. Veränderungen und Weiterentwicklungen im Vertriebssystem hat es immer gegeben. Sie werden auch in Zukunft nötig sein, um für alle Verlage die effizienteste Vertriebslösung zu bleiben“, heißt es in der Pressemeldung.

Auch der ehemalige G J-Vorstand für Zeitschriften, Rolf Wickmann, hatte sich in die Diskussion eingebracht und Lösungsvorschläge präsentiert (DTZ berichtete). Wickmann schlägt eine absolute Mindestvergütung pro Exemplar als Eintrittskarte ins Grosso vor. Solche Marktzutrittshürden sind allerdings, ebenso wie auch Mindest-Copypreise, kartellrechtlich bedenklich, weil Grossisten wegen ihres Gebietsmonopols erst einmal jeden Titel listen müssen. Dies ist auch der Kern des aktuellen Streits.

Apropos „kartellrechtlich“: Die Verträge wurden sowohl von Springer als auch von Bauer scheinbar fristgerecht gekündigt. Die Auslieferung der Titel wurde an andere Grossisten vergeben. Die Frage ist, ob das Kartellamt dieser Fusion zustimmt? Zu dieser Anfrage der Tabak Zeitung wollte indes niemand Stellung nehmen. Auch der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger e.V. (VDZ) aus Berlin hält sich bedeckt. Norbert Rüdell, Leiter der Presse und Kommunikation, sagt: „Der Vorgang ist zunächst einmal eine bilaterale Angelegenheit zwischen dem Verlag Heinrich Bauer und zwei Grossisten. Dass ein Unternehmen seine Vertragsverhältnisse kündigen kann, ist vom VDZ nicht zu bewerten. Das ist eine unternehmerische Entscheidung, die aufgrund der Marktbedeutung des Heinrich Bauer Verlages aber Relevanz für die Branche hat. Deshalb wird sich auch der VDZ in seinen Gremien damit befassen.“

VDZ befasst sich in seinen Gremien mit der Thematik
Es bleibt weiter spannend. Das Grosso-Vertriebssystem gewährleistet den freien Marktzugang für alle Verlage und Verlagsprodukte. Pressefreiheit finde daher ohne Markterschließungskosten für die Hersteller, mit einer bundesweiten Flächendeckung sowie einheitlichen Verkaufspreisen und Erstverkaufstagen statt. Würde wer auch immer dieses System gefährden, könnte damit auch die Pressevielfalt nicht mehr gewährleistet werden. Die nächsten Wochen werden vielleicht Entscheidungen bringen.

Der Bauer Verlag wollte der DTZ keine Statements liefern, teilte aber folgendes mit: „Grundsätzlich gilt aber, dass wir die Zukunft mit dem Grosso planen und es lediglich um eine Vertriebsoptimierung geht.“ Dies bekräftigte Bauer-Geschäftsleiter Andreas Schoo gegenüber dem Mediendiest Turi: „Das System an sich ist in Ordnung, und wir stellen es in keiner Weise in Frage. Es geht uns aber darum, dieses System leistungsfähiger zu machen und den aktuell schwierigen Zeiten anzupassen.

Mit der großen Mehrheit der Grosso-Unternehmen arbeiten wir gut zusammen. Aber wenn Sie sehen, dass es auch Grosissten gibt, die zum Teil seit Jahrzehnten nichts in ihr Unternehmen investiert haben und für die beispielsweise Marketing ein Fremdwort ist, dann können wir das nicht einfach hinnehmen. In ihrer wettbewerbsfreien Komfort-Zone tun Grossisten einfach zu wenig. … es geht uns darum, diesen Grossisten klarzumachen, dass sie in den nächsten Jahren etwas ändern müssen, denn sonst wären wir gezwungen, das Heft des Handelns selbst in die Hand zu nehmen. … Das kann einfach nicht sein, dass manche Grossisten für 14 oder 15 Prozent Spanne nur die Zeitschriften von A nach B transportieren und seit Jahren keinen Pressekiosk mehr von innen gesehen haben.“

(DTZ 44/08)

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