MAINZ // Wie sieht die Situation für die Zigarrenindustrie aus? Diese Frage stellen sich viele Fachhändler. Antworten gab jetzt Bodo Mehrlein, Geschäftsführer im Bundesverband der Zigarrenindustrie (BdZ), beim Gespräch mit DTZ.
Herr Mehrlein, welche Bedeutung hat die Zigarre heute – insbesondere in einer so verwirrenden Welt, wie sie sich uns gerade zeigt?
Bodo Mehrlein: Sie meinen die Situation rund um die Pandemie? Während Corona hatten wir 2020 recht positive Absatzzahlen in Deutschland. Die Menschen greifen in solchen Zeiten häufiger zu einer guten Zigarre, aber auch zu Spirituosen, zu hochwertiger Schokolade … Das ist für viele ein Ventil, um Stress abzubauen und sich mal etwas Gutes zu gönnen.
Sie betrachten Zigarren und Zigarillos als Genussartikel für besondere Momente?
Mehrlein: Genau. In dieser schwierigen Zeit dient die Zigarre durchaus auch als Stütze und Seelentröster.
Sie haben schon die leicht höheren Umsätze angesprochen. Können Sie den Markt zahlenmäßig umreißen?
Mehrlein: Wenn wir auf die Versteuerungsstatistik blicken, stellen wir fest: 2020 war ein sehr positives Jahr. Dabei stellen wir einen Trend zu hochwertigen Zigarren fest. Hinzu kommt, dass die Menschen nicht in den Urlaub gefahren sind und während dieser vier bis sechs Wochen die Produkte im Inland gekauft haben und nicht am Reiseziel, etwa in Spanien oder Italien. Urlaub kostet Geld, und dieses eingesparte Geld haben viele Menschen für hochwertige Luxusartikel eingesetzt. Für 2021 liegen noch keine Zahlen vor, aber der Markt dürfte sich eher stabil bis leicht rückläufig zeigen.
Welche Produkte waren besonders gefragt? Machen Sie Trends aus?
Mehrlein: Interessanterweise zog sich das eigentlich durch alle Produktgattungen. Die Schnelldreher hatten gute Chancen, denn als die Fachhändler während der Pandemie geschlossen hatten, haben eher die Produkte Umsätze generiert, die an der Tankstelle oder im Lebensmittelhandel erhältlich sind. Auf der anderen Seite sind auch hochwertige Zigarren – etwa Limited Editions – gerade im Internethandel sehr gut gelaufen.
Gibt es weitere Entwicklungen?
Mehrlein: Grundsätzlich erkennen wir seit vielen Jahren einen Trend zum Zigarillo und bei Longfillern und Zigarren insgesamt zu eher kurzen Produkten wie Robustos. Das ist der Tatsache geschuldet, dass die Momente, in denen man eine Zigarre genießen kann, immer kürzer werden.
Wie ist es denn mit Zigarren-Events? Die sind ja in den vergangenen Monaten zu kurz gekommen. Genießen die Menschen ihre Zigarren häufiger in den eigenen vier Wänden oder im eigenen Garten?
Mehrlein: Das ist richtig. Aufgrund der Kontaktbeschränkungen waren Zigarren-Lounges und ähnliche Orte größtenteils geschlossen. So haben sich viele Leute in kleinen Gruppen im Privaten getroffen. Und es kann sehr schön sein, auf der Terrasse zu sitzen, einen leckeren Rum zu trinken und eine Zigarre dazu zu genießen.
Außerdem waren viele Menschen im Homeoffice …
Mehrlein: Wenn man im Büro ist, gibt es meist deutliche Beschränkungen, wenn es ums Rauchen geht. Im Homeoffice nutzt der eine oder andere zehn Minuten Pause für eine Zigarre oder ein Zigarillo.
Welche Rolle hat in dieser Zeit das Thema Online-Verkostungen gespielt?
Mehrlein: Tatsächlich wurden solche Events in den sozialen Medien häufig angeboten. Solche Angebote sind natürlich interessant. Ich weiß nicht, wie viele Teilnehmer diese Veranstaltungen letztlich hatten, aber ich denke, da gab es durchaus erfolgreiche Verkostungen.
Können Sie sagen, wie die Struktur der Zigarrenraucher ist?
Mehrlein: Das Gros der Raucher von Zigarren und Zigarillos sind Männer gehobenen Alters. Das geht aus dem Eurobarometer aus dem vergangenen Jahr hervor, also offiziellen Daten. Fest steht: Es sind keine Jugendlichen, keine jungen Raucher, die zu Zigarren und Zigarillos greifen, und es handelt sich um reine Genussartikel. Zudem werden Zigarren nur gelegentlich und zu besonderen Anlässen geraucht. Sehr wichtig ist für uns: Zigarren, Zigarillos und Tabakpfeifen sind keine Einstiegsprodukte.
Ein anderes Thema: Sie sprechen für den Bundesverband der Zigarrenindustrie. Wie groß ist diese Organisation?
Mehrlein: Wir haben 16 Mitglieder. Darunter sind auch einige Vertriebsgesellschaften, also Firmen, die nicht selbst in Deutschland herstellen, sondern die Produkte von Herstellern im Ausland auf den deutschen Markt bringen. Aber es gehören auch deutsche Hersteller dazu. In der jüngeren Zeit haben wir drei neue Mitglieder gewinnen können und es gibt weitere Interessenten.
Um wen handelt es sich?
Mehrlein: Das ist die Firma Cortes aus Belgien, die auch in Deutschland Produkte vertreibt; außerdem Zigarren Kings aus München und Dalay Zigarren aus Saarbrücken.
Damit sind wahrscheinlich die wichtigsten Unternehmen der Branche bei Ihnen organisiert?
Mehrlein: Grundsätzlich ist das richtig, aber es gibt immer noch einige Hersteller und Importeure, die wir gerne ins Boot holen würden, um unsere Schlagkraft zu erhöhen. Erst vor kurzem haben wir in Mannheim ein Treffen veranstaltet, bei dem es um IT-Lösungen – nicht zuletzt mit Blick auf die anstehende Umsetzung von Track & Trace – ging. Dazu haben wir auch die Firmen eingeladen, die nicht Mitglied im BdZ sind. Also: Es wäre erfreulich, wenn noch ein paar dazukommen würden, aber wir sind schon jetzt schlagkräftig.
Was sind die größten Herausforderungen im deutschen Markt, mit denen Sie sich aktuell herumschlagen?
Mehrlein: Das wichtigste – nicht nur in Deutschland, sondern in der gesamten Europäischen Union – ist Track & Trace, das wir bis 2024 umgesetzt haben müssen. Der 20. Mai ist der Stichtag, da gibt es kein Verschieben und kein Ändern mehr, da rennt die Zeit. Für die Unternehmen der Branche bedeutet das jede Menge Arbeit und vor allem Kosten.
Gibt es denn Unterschiede zum Beispiel zur Zigarette?
Mehrlein: Im Regelwerk gibt es fast keine Unterschiede – aber wir müssen erst 2024 umsetzen und nicht 2019. Unsere bereits ausgelieferten Produkte dürfen nach Inkrafttreten der neuen Regeln zwei Jahre im Handel abverkauft werden, nicht nur ein Jahr wie Zigaretten und Feinschnitt. Außerdem müssen Produkte, die aus einer manuellen Fertigung kommen, nicht mit einem sogenannten Anti-Tampering Device kontrolliert werden.
Damit soll auch Schmuggel verhindert werden.
Mehrlein: Ja – das System der Rückverfolgbarkeit soll den Schmuggel bekämpfen. Allerdings habe ich immer darauf hingewiesen, dass es bei Zigarren, Zigarillos und Pfeifentabak keinen Schmuggel gibt. Insofern ist das für unsere Produkte ein sinnloses Regelwerk. Und weil das Ganze sehr, sehr teuer wird, haben wir die Befürchtung, dass nicht alle Hersteller oder Vertreiber oder Importeure das wirtschaftlich schultern können.
Was wird das die Branche in Deutschland kosten?
Mehrlein: Das müssen wir abwarten. Es muss ja in Hardware und Software investiert werden, es müssen teilweise neue Arbeitsplätze eingerichtet werden. Maschinen müssen umgebaut und Abläufe neu organisiert werden. Also da kommen neben den Fixkosten für die Umsetzung auch einige laufende Kosten auf die Branche zu.
Gibt es weitere Herausforderungen?
Mehrlein: Viele! Wir haben bereits das Tabakwerbeverbot umgesetzt – mit einzelnen Ausnahmen für unsere Produkte. Wir haben das Tabaksteuermodernisierungsgesetz umgesetzt. Jetzt sind wir alle gespannt, was letztlich in den Verträgen der Ampel-Koalition stehen wird. Grundsätzlich sollte sich hier die Politik zurückhalten, denn wie gesagt haben wir gerade erst eine Regulierungswelle hinter uns, und die Tabakprodukte sind eigentlich vollumfänglich durchreguliert.
Und was tut sich auf europäischer Ebene?
Mehrlein: Die meisten Dinge in der Tabakregulierung beginnen in Brüssel. Deswegen sind wir als BdZ selbst und über den europäischen Verband dort aktiv und aufmerksam.
Welche Themen beschäftigen Sie konkret?
Mehrlein: Da gibt es einen grundsätzlich sehr lobenswerten Plan zur Bekämpfung von Krebs. Der umspannt viele Themenfelder, vom Arbeitsplatz über Alkohol und Freizeitgestaltung bis hin natürlich zum Tabak. Da werden verschiedenste Instrumente angesprochen und wir befürchten, dass es da zu Forderungen nach Plain Packaging, höheren Tabaksteuern oder Aromenverboten kommt. Des Weiteren sind wir natürlich mit der Tabaksteuerrichtlinie befasst. Dort erwarten wir in Kürze einen ersten Richtlinienentwurf der EU-Kommission. Und schließlich hat die EU-Kommission einen Bericht zur Tabakproduktrichtlinie erstellt. Aus dem könnte abgeleitet werden, dass die TPD 2 überarbeitet werden muss. Da müssen wir abwarten, ob die TPD 3 noch vor der Europawahl 2024 verabschiedet werden soll oder es noch bis zum Ende des Jahres 2024 dauert, bis ein erster Entwurf vorgelegt wird.
Sie haben den europäischen Verband erwähnt. Wie ist denn da die Zusammenarbeit?
Mehrlein: Wir pflegen eine sehr enge und vor allem aktive Zusammenarbeit mit dem europäischen Zigarrenverband ECMA. Einige unserer Mitgliedsfirmen sind dort ebenfalls Mitglied, und der BdZ ist sogenannter Beobachter – wie auch andere nationale Zigarrenverbände. Es gibt ja noch einige nationale Zigarrenverbände, so dass jedes Organisieren wichtig ist.
Wo gibt es denn solche Interessenvertretungen?
Mehrlein: In Belgien, in Frankreich, in Dänemark, in den Niederlanden und natürlich bei uns in Deutschland. Beim europäischen Verband haben wir als BdZ kein Stimmrecht, aber wir arbeiten ausgesprochen gut zusammen. Außerdem ist der BdZ selbst auch im Transparenzregister in Brüssel registriert und vor Ort aktiv.
Was gibt es sonst Neues aus Ihrem Verband?
Mehrlein: Wir haben ein neues Vorstandsmitglied. Oliver Haas von STG hat ja neue Aufgaben im Unternehmen auf europäischer Ebene übernommen. Für ihn ist der neue Country Manager für STG in Deutschland, Gleb Pugacev, nachgerückt. Außerdem wird der BdZ eine Broschüre mit Hintergründen und Argumenten pro Zigarre veröffentlichen. Diese wird nicht nur vom BdZ eingesetzt werden, sondern kann in Zukunft auch von interessierten Fachhändlern direkt beim Verband bezogen und dann an politisch interessierte Zigarrenkonsumenten verteilt werden. Hierüber werden wir noch gesondert und zeitnah informieren.
Können Sie beschreiben, was Ihr Verband den Mitgliedern bietet?
Mehrlein: Grundsätzlich lastet auf der Tabakbranche starker Druck. Anderen Branchen wie die Alkoholindustrie, Zucker, Süßigkeiten und dergleichen geht es nicht viel besser. Aber wir stehen stark unter Beobachtung. Deswegen ist ein Schulterschluss der Branche sinnvoll, damit man mit einer Stimme spricht. Das ist ein echter Mehrwert.
Und der BdZ war ja auch sehr erfolgreich.
Mehrlein: Wir haben in den vergangenen Jahren immer wieder Ausnahmen für Zigarren und Zigarillos generieren können. Das sieht man in der TPD ebenso wie bei der Tabaksteuer und bei Track & Trace. Ohne uns, behaupte ich, hätte es wahrscheinlich die fünf Jahre Übergangsfrist und die zwei Jahre Abverkaufsfrist bei Track & Trace nicht gegeben.
Außerdem arbeiten Sie politisch …
Mehrlein: Ja, wir versuchen, Zigarre und Zigarillo im politischen Berlin als das zu platzieren, was es ist: als Kultur und Genussgut für erwachsene Konsumenten. Wir veranstalten ja verschiedene Events, vor allem unseren parlamentarischen Abend. Der letzte liegt wegen der Pandemie eine Weile zurück; er stand unter der Schirmherrschaft der Botschaft der Dominikanischen Republik. Ich glaube, bei solchen Veranstaltungen wird der Politik klar, welche Rolle Zigarren und Zigarillos zum Beispiel gerade in den Herstellerländern spielen, wie viele Arbeitsplätze daran hängen. Das sind in der Dominikanischen Republik hunderttausende.
Wann findet der nächste Abend statt?
Mehrlein: Tja, der sollte Anfang Januar mit der Botschaft von Honduras sein. Aufgrund der Corona-Situation haben wir aber beschlossen, diesen ins Frühjahr beziehungsweise in einen Zeitraum zu verschieben, in dem eine Veranstaltung ohne jedes Risiko durchgeführt werden kann. Jedenfalls wollen wir bei diesen Veranstaltungen sowohl unsere Interessen in allen politischen Entscheidungsgremien vertreten, aber auch das Produkt mit all seinen Besonderheiten präsentieren.
Herr Mehrlein, wir bedanken uns für das Gespräch.
kes / max