HANNOVER // Oliver Harmsen hat Mitte April die Nachfolge von Hermann Teckenburg als Vorsitzender des Bundesverbandes der Lotto-Toto-Verkaufsstellen in Deutschland (BLD) angetreten. DTZ sprach mit ihm über Entwicklungen auf dem Glücksspiel-Markt, die großen Herausforderungen für die Lotto-Annahmestellen und darüber, wo er als BLD-Vorsitzender Akzente setzen will.
Die 24.000 Lottoverkaufsstellen in Deutschland beschäftigen über 100.000 Arbeitnehmer. Das ist eine beeindruckende Zahl, die nur wenige der größten Arbeitgeber Deutschlands erreichen. Trotzdem werden die Lottoverkaufsstellen kaum von der Politik und der Öffentlichkeit wahrgenommen. Was läuft da falsch?
Oliver Harmsen: Lotto hat heute nicht mehr den Stellenwert in der Gesellschaft und in den Medien wie noch vor Jahren. Ein Jackpot von 15 oder 20 Millionen Euro war früher ein Thema für die Titelseite der „Bild“. Heute gelingt das selbst bei 30 oder 40 Millionen Euro kaum noch. Hinzu kommen die vielen Einschränkungen für die staatlichen Lotteriegesellschaften und für die Annahmestellen. Das staatliche Glücksspiel hat eine hohe Verantwortung gegenüber der Bevölkerung. Denn der Spieltrieb der Menschen soll ja in geordneten Bahnen verlaufen. Eigentlich müssten gleiche Spielregeln für alle Marktteilnehmer gelten, also auch für die privaten beziehungsweise illegalen Anbieter. Das ist leider nicht der Fall. Und genau an dieser Stelle läuft es schief.
Die Annahmestellen sind zurzeit der dominierende Vertriebsweg für Lotto und Co. in Deutschland. Wird das auf Sicht so bleiben?
Harmsen: Die Lotteriegesellschaften betonen, dass die Verkaufsstellen ihr wichtigster Vertriebsweg sind. Und das ist ja derzeit tatsächlich so. Es ist aber nicht gesagt, dass dies noch lange so bleibt. Die Lotteriegesellschaften sind bestrebt, die Umsätze zu halten beziehungsweise zu steigern. Da ist das Internet ein Zukunftsweg. Sicherlich werden die Annahmestellen in den nächsten Jahren der führende Vertriebsweg bleiben. Der Abstand des Internet-Lottos zum terrestrischen Lottovertrieb wird allerdings mit der Zeit immer kleiner. Mit anderen Worten: Der stationäre Vertrieb als Marktführer wird auf Dauer Federn lassen. Und nur die beweglichen Verkaufsstellenleiter werden sich längerfristig behaupten.
Die Geschäftsführer der Lotteriegesellschaften werden nicht müde, zu betonen, dass durch das Spielangebot im Internet neue Zielgruppen angesprochen werden, die nicht in den Annahmestellen spielen. Trifft das nach Ihren Beobachtungen zu?
Harmsen: Ja, das sehen wir im BLD genauso, und das wird auch in Zukunft so sein. Das bedeutet für die Verkaufsstellen: Der klassische Lotto-Spieler stirbt sozusagen mit der Zeit weg und es kommen keine neuen nach. Denn die jüngere Generation hat ein anderes Einkaufsverhalten, für sie spielt der Online-Handel eine viel größere Rolle. Das World Wide Web hat schon viele Bereiche erobert. Warum sollte es ausgerechnet vor Lotto Halt machen?
Die Erteilung der Konzessionen für Sportwetten hat sich in einem Dickicht von Klagen verstrickt. Trotzdem halten die Bundesländer an einem Glücksspiel-Staatsvertrag fest, der maximal 20 Lizenzen bundesweit zulässt. Sollte jetzt nicht endlich die Reißleine gezogen werden?
Harmsen: Die Reißleine können nur die politisch Verantwortlichen ziehen. Die Begrenzung auf maximal 20 Konzessionen war ein Geburtsfehler des Staatsvertrags. Wer die Sachlage kannte, musste kein Hellseher sein, um vorherzusagen, dass die abgelehnten Bewerber klagen würden. Meines Erachtens wird auch noch der 1001. Interessent vor Gericht ziehen. Das Ganze kann sich über Jahre hinweg in die Länge ziehen. In dieser Zeit machen die privaten Sportwettenanbieter weiter wie gehabt und die staatlichen Lottoverkaufsstellen sind die Dummen dabei.
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