KÖLN // Schon die Originalfassung der EU-Tabakproduktrichtlinie (TPD 2) stellt den Tabakwaren-Fachhandel vor enorme Herausforderungen. Doch das für die Umsetzung der TPD in deutsches Recht federführende Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) will noch darüber hinausgehen und stellt damit den Tabakwarenfacheinzelhandel vor existenzielle Probleme.
Wie DTZ bereits berichtete, sind unter anderem folgende Verbote und Beschränkungen geplant:
Bild-Warnhinweise auf Zigarren, Zigarillos und Pfeifentabak. Seitens der EU sind sie nur für Zigaretten und Feinschnitt vorgesehen.
Verbot von Mentholzigaretten in Deutschland bereits ab Mai 2016. Die EU-Richtlinie sieht hingegen für das Verbot von Mentholzigaretten eine Übergangsfrist bis 2020 vor.
Aktiv werden
Dagegen wendet sich der Bundesverband des Tabakwaren-Einzelhandels (BTWE) mit einer Aktionskampagne. Er fordert deshalb Tabakwaren-Fachhändler auf, gegen TPD 2 aktiv zu werden: „Kontaktieren Sie Abgeordnete aus Ihrer Region und schreiben Sie den Mitgliedern des Ausschusses Ernährung und Landwirtschaft, was Sie von diesen Maßnahmen halten.“
Wichtige Argumentationshilfe dazu gibt ein Anschreiben des BTWE-Präsidenten Rainer von Bötticher an Christian Schmidt, den Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft. Diesen Brief und eine Liste der Mitglieder des Ausschusses Ernährung und Landwirtschaft finden Sie unten stehend. Abschließend bittet der BTWE die Tabakwarenhändler darum, ihm unter der E-Mail [link|mailto:btwe@einzelhandel.de ]btwe@einzelhandel.de [/link] ihre Aktivitäten mitzuteilen. red
Die Mitglieder-Liste des Ausschusses Ernährung und Landwirtschaft des Deutschen Bundestages mit Anschrift des Büros im Bundestag und Wahlkreis finden Sie [lpdf|73]hier.[/lpdf]
Offener Brief von Rainer von Bötticher
Sehr geehrter Herr Minister Schmidt,
mein Name ist Rainer von Bötticher, ich bin als Inhaber der Firma M. Niemeyer Cigarren geschäftsführend tätig und ehrenamtlich als Präsident des Bundesverbandes Tabakfacheinzelhandel (BTWE e.V.). In dieser Funktion richte ich diese Zeilen an Sie.
Der BTWE vertritt 7000 Tabakwareneinzelhändler in Deutschland mit rd. 25.000 Arbeitsplätzen. Mit großer Besorgnis nehmen wir den Referenten-Entwurf zur EU-TPD 2 zur Kenntnis, in dem über die vorgelegte europäische Tabakproduktrichtlinie hinausgehend zusätzlich reguliert wird.
Im Einzelnen schmerzen uns im Wesentlichen folgende Punkte:
1. Unzureichende Umstellungsfristen für die Wirtschaft
Die Frist zur Umsetzung der geänderten Regelungen ist für die Hersteller- wir wie hören – zu knapp bemessen und in der verfügbaren Zeit nicht zu bewältigen. Es ist somit zu befürchten, dass ab dem Stichtag zur Umstellung (20. Mai 2016) der Einzelhandel nicht in ausreichender Menge mit TPD-konformer Ware beliefert werden kann und es somit zu empfindlichen Umsatzeinbußen und damit zu Verlusten käme.
2. Verbot von Marketing am Verkaufsort
Hinsichtlich des§ 18 muss eine Klarstellung erfolgen. Es muss weiterhin möglich sein, dem Konsumenten, der über 18 Jahre und Raucher ist, mit Marketingmaßnahmen am Verkaufsort anzusprechen und ihn über Qualität und Eigenschaften des Produktes zu informieren. Ansonsten würde jede Differenzierung der Produkte am Markt unmöglich gemacht werden. Nur so wird gewährleistet, dass der Endverbraucher sich objektiv sachlich über die Produkteigenschaften informieren kann.
3. Verbot der Außen- und Kinowerbung
Ein solches Werbeverbot für legale Tabakerzeugnisse würde die Grundlagen der freien Marktwirtschaft außer Kraft setzen und den Wettbewerb der Tabakhersteller massiv beeinträchtigen.
Der Fachhandel befürchtet, dass dann nur noch der Preis Marketinginstrument der Industrie ist, mit der Folge, dass Margenverluste zu erheblichen betriebswirtschaftlichen Problemen im Fachhandel führen und seine Existenz bedrohen.
4. Einführung von Schockbildern auf Zigarillos, Zigarren und Pfeifentabak
Wir sind gegen Schockbilder auch auf Zigarillos, Zigarren und Pfeifentabak, weil sie ein legales Genussmittel „für den älteren Herrn" unverhältnismäßig diskriminieren. Zigarillos, Zigarren und Pfeifentabake werden nicht inhaliert und maßvoll von älteren Menschen genossen. Insofern ziehen bei dieser Produktgruppe Jugend- und Gesundheitsschutz-Argumente nicht. Unsere Läden, die sich über ein breites Sortiment mit hoher Beratungskompetenz definieren, würden gegenüber den Kunden und übrigens auch gegenüber den eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zum Gruselkabinett mutieren. Schockbilder auch auf Zigarren, Zigarillos und Pfeifentabake würden an den Grundfesten des Anspruchs eines Tabakwarenfachgeschäftes als Genussoase rütteln und die Existenz tausender Fachhändler akut gefährden.
5. Abverkaufsfristen für den Handel
Es handelt sich bei Zigarillos, Zigarren und Pfeifentabak um ein sehr vielfältiges, breit sortiertes Sortiment mit vielen „Langsamdrehern". Wir kämen mit der Übergangsfrist von 1 Jahr nicht hin. Ware müsste zurückgenommen, vernichtet werden zu unübersehbaren hohen Kosten … Wir fordern für diesen Sortimentsbaustein einen unbefristeten Übergang.
Sehr geehrter Herr Minister Schmidt, wir sind unbedingt für Gesundheits- und Jugendschutz und auch für die Regulierung eines risikobehafteten Produktes, aber bitte doch maßvoll, verhältnismäßig und verantwortungsvoll gegenüber der Tabakwirtschaft. Schon die Originalfassung der TPD 2 stellt uns vor enorme Herausforderungen, und ich hatte die bisherigen politischen Signale so verstanden, dass Deutschland 1 : 1 umsetzt. Der deutlich darüber hinausgehende Referentenentwurf stellt den Tabakwarenfacheinzelhandel vor existenzielle Probleme. Ich möchte Sie im Sinne unserer Mitglieder, häufig lange am Markt tätige Familienbetriebe, bitten, dieses zu berücksichtigen und zu korrigieren.
Unseres Erachtens bedeuten die Referentenentwürfe zu TPD 2 Eingriffe des Staates in die Sortimentsstruktur einer ganzen Branche zum Nachteil der Endverbraucher. Unsere Einzelhandelsorganisationen HDE und BTWE haben in jüngster Vergangenheit bereits dezidierte Stellungnahmen zu allen relevanten TPD-Themen gegenüber BMWI und BMEL abgegeben. Es ist mir ein besonderes Anliegen, aus unternehmerischer Sicht meine extreme Besorgnis zum Ausdruck zu bringen: Ich betreibe „M. Niemeyer Cigarren" in 4. Generation mit aktuell 77 Filialen im nordwestdeutschen Raum. Wir haben 400 Mitarbeiter. Im letzten Jahr hatten wir unser 150. Firmenjubiläum. Mein ältester Sohn ist vor 2 Jahren ins Unternehmen eingestiegen mit dem Ziel, es erfolgreich weiterzuführen. Die Felssteine, die uns nunmehr in den Weg geworfen werden, lassen uns an unserer Zukunft zweifeln…
Gern können Sie sich die Philosophie meines Unternehmens mittels des Imagefilms auf unserer Homepage einmal zu Gemüte führen.
Ich erlaube mir, Ihnen beigefügt zwei Branchen-Genussmagazine zur Kenntnisnahme zu überreichen. Wie würde sich das Kulturgut Tabak mit Schockbildern auf Zigarillos, Zigarren und Pfeifentabak in unseren Geschäften, den Humidoren und Lounges darstellen? Ästhetisch der Super-Gau!
Gern stehe ich für weitere Auskünfte, auch für ein persönliches Gespräch, zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Rainer v. Bötticher
M. Niemeyer Cigarren
(DTZ 34/15)