Bundesrat gegen überzogene EU-Forderungen

Ländervertreter bremsen Kommissionsvorschlag zu rauchfreien Zonen

BERLIN (DTZ/fok). Der Bundesrat hat sich zu einem „Vorschlag der EU-Kommission für eine Empfehlung des Rates über rauchfreie Zonen“ kritisch geäußert. In ihrem Beschluss bringt die Länderkammer zum Ausdruck, dass sie überzogene Forderungen für kontraproduktiv hält. Sie schadeten den Strategien zur Verbesserung der Gesundheit.

Der Bundesrat betont ausdrücklich die Regelungskompetenz der Mitgliedstaaten und verweist auf die bereits erlassenen Gesetze zum Nichtraucherschutz. Eine Unterstützung durch die EU bei der Erfüllung der WHO-Verpflichtungen der Mitgliedstaaten sei nicht erforderlich. Lange wurde in Deutschland das Thema Nichtraucherschutz heiß gekocht.

Klare Maßnahmen getroffen
Mit den Vorschriften zum Schutz am Arbeitsplatz und den weitgehenden Rauchverboten in öffentlichen Gebäuden und Verkehrsmitteln wurden seitens der Bundesregierung klare rechtliche Maßnahmen getroffen.

Bei den heftig umstrittenen Rauchverboten in der Gastronomie deuten sich nach heftigen Protesten der Betroffenen und den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nun auf Länderebene Regelungen an, die einen tragfähigen Kompromiss zwischen den berechtigten Interessen von Rauchern und Nichtrauchern darstellen. Typisch deutsch: Man fetzt sich und bekriegt sich, aber irgendwann einigt man sich auf einen Vergleich, der zwischen den Extrempositionen liegt und der damit zwar nicht von jedem für gut geheißen, aber doch von der Bevölkerung insgesamt akzeptiert wird.

Totales Rauchverbot durch die Hintertür
Wenn da nicht Brüssel wäre: Zwar fehlt den Eurokraten die Richtlinienkompetenz für Gesundheitspolitik. Doch das hindert sie nicht zu versuchen, nationale Kompromisse über die Hintertür wieder auszuhebeln: Konkret ein totales Rauchverbot in der Gastronomie europaweit durchzudrücken.

Als Instrument verschickte die EU-Kommission einen „Vorschlag für eines Empfehlung des Rates über rauchfreie Zonen“ (Drucksache 647/09, siehe Internet www.bundesrat.de) an die Mitgliedstaaten.

Empfehlungen des Rates haben zwar nicht verpflichtenden Charakter, können aber sehr wohl als Druckmittel zur ungewünschten Harmonisierung eingesetzt werden. Der Vorschlag stützt sich auf das WHO-Rahmenübereinkommen zur Eindämmung des Tabakkonsums, das die Bundesrepublik bekanntlich nur unter dem Vorbehalt einer Protokollerklärung zur Übereinstimmung entsprechender Maßnahmen mit der deutschen Verfassung unterzeichnet hatte.

Altbekannte Fehlinformationen
In dem 22 Seiten starken Vorschlag der EU-Kommission werden u.a. altbekannte Fehlinformationen wieder aufgewärmt, angefangen von der angeblichen Zahl von Passivrauchtoten bis hin zur Forderung, Grenzwerte für die Belastung mit Passivrauch müssten abgelehnt werden.

Die entscheidende Passage, um Totalrauchverbote in der Gastronomie durchzudrücken, findet sich unter der Definition „öffentliche Orte“: „Die verwendete Definition sollte alle Örtlichkeiten umfassen, die für die Allgemeinheit zugänglich sind, sowie Örtlichkeiten, die gemeinschaftlich benutzt werden, unabhängig von den Eigentumsverhältnissen oder dem Zugangsrecht“. Verbinden möchte die EU-Kommission ihr Vorhaben mit einer umfangreichen Kontroll- und Überwachungsbürokratie.

Ländervertreter halten nichts von blindem Aktionismus
Dass in Deutschlands Parlamenten noch Politiker sitzen, die dem Brüsseler Aktionismus Paroli bieten, zeigt die Stellungnahme des Bundesrates zu dem Kommissionsvorschlag. Den Empfehlungen seiner Ausschüsse folgend, hatte der Bundesrat am 18. September 2009 einen Beschluss gefasst, der sanft, aber bestimmt die Vorschläge der Kommission ablehnt bzw. relativiert.

So bittet der Bundesrat die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, dass weitere Strategien zur Verbesserung der Gesundheit durch Einschränkungen von Gefährdungen durch Tabakrauch nicht durch überzogene Forderungen Schaden nehmen.

Bundesrat führt konkrete Beispiele aus Kommissionspapier an
Als konkrete Beispiele aus dem Kommissionspapier führt der Bundesrat an: „Es bedarf verstärkter Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten, um den Austausch von Informationen und bewährten Verfahren zu erleichtern und ein standardisiertes EU-Überwachungssystem zu entwickeln“.

Oder: „Sobald die aktive Durchsetzung beginnt, wird in viele Ländern empfohlen, eine aufsehenserregende Strafverfolgung zu betreiben, um die abschreckende Wirkung zu verstärken.“

Oder: „Wenn festgestellt wird, dass sich prominente Personen bewusst über die Rechtsvorschriften hinweggesetzt haben und diese in der Gesellschaft bekannt sind, können die Behörden ihre Entschlossenheit und die Ernsthaftigkeit der Rechtsvorschriften unter Beweis stellen, indem sie mit rigorosen und zügigen Maßnahmen reagieren und dabei die größtmögliche öffentliche Aufmerksamkeit erregen.“

Handschellen für Exkanzler Helmut Schmidt
Bei dem Gedanken an einen in Handschellen abgeführten Exkanzler Helmut Schmidt fanden die Bundesratsmitglieder solche Vorschläge weder verhältnismäßig noch förderlich für die Akzeptanz der Zielsetzung der Erhaltung der Gesundheit.

Weiter stellt der Bundesrat fest, er erkenne an, dass die Empfehlung des Rates keine rechtsverbindliche Regelungen, sondern lediglich Handlungsanleitungen und eine Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten vorsieht.

Regelungskompetenz liegt bei Mitgliedstaaten
Gleichwohl betont der Bundesrat für den Themenbereich „rauchfreies Europa“ ausdrücklich die Regelungskompetenz der Mitgliedstaaten und verweist auf das Subsidiaritätsprinzip gemäß Artikel 5 Absatz 2 EGV.

Der Bundesrat stellt heraus, dass die Länder bereits Gesetze zum Nichtraucherschutz erlassen haben, die sich an die Verpflichtungen aus dem WHO-Rahmenübereinkommen halten. Eine Unterstützung durch die EU bei der Erfüllung der WHO-Verpflichtungen ist aus Sicht des Bundesrates nicht erforderlich.

Mehraufwand für die Verwaltung abgelehnt
Die bestehenden Arbeitsschutzbestimmungen der EU reichten für einen wirksamen Nichtraucherschutz in Arbeitsstätten und damit am Arbeitsplatz aus. Und weiter: „Für verpflichtende Strategien, Programme und Maßnahmen, wie beispielsweise die Einrichtung nationaler Anlaufstellen für die Eindämmung des Tabakgebrauchs, wird keine Notwendigkeit gesehen. Insbesondere wird auch der mit der Einrichtung nationaler Anlaufstellen verbundene Mehraufwand für die Verwaltung abgelehnt.“

Während der Bundesrat mit seinem Beschluss eindeutig auf die Bremse gegenüber der Regulierungswut für die nächste Sitzung des Ministerrats tritt, setzt die schwedische Ratspräsidentschaft nachträglich noch einen oben drauf.

Sie brachte den Vorschlag auf den Tisch, für Zigaretten nur noch neutrale Packungen, so genannte plain packs, zuzulassen. Das hat zwar nichts mit Passivrauchen zu tun und kollidiert massiv mit den Verfassungsvorgaben in Deutschland und anderswo in der EU. Aber wen kümmert das in Brüssel und auch in Stockholm, wo man längst daran gewöhnt ist, z.B. Alkoholika in neutralen Flaschen zu konsumieren – schwarzgebrannt und unversteuert natürlich.

(DTZ 41/09)

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