BTWE-Podiumsdiskussion zeigt Wünsche und Grenzen auf
RÖSRATH (DTZ/fok). Zwischen dem, was sich die Lottoannahmestellen wünschen und dem, was der Alltag ihnen bietet, klaffen große Lücken. Das zeigte eine Podiumsdiskussion auf der diesjährigen Tagung des Bundesverbandes des Tabakwaren-Einzelhandels (BTWE) erneut deutlich auf. Unter der Moderation von Dr. Wilm Schulte in seiner Funktion als Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Lotto- und Totoverbandes der Annahmestelleninhaber in NRW standen Michael Barth, Geschäftsführer der Bremer Toto und Lotto GmbH, Hans-Jürgen Gärtner, Prokurist und Abteilungsleiter Vertrieb der Westdeutschen Lotterie, sowie Hermann Teckenburg, 1. Vorsitzender des Bundesverbands der Lotto-Toto-Verkaufsstellen in Deutschland, Rede und Antwort.
[pic|157|l|||Die Auswirkungen des Glücksspielstaatsvertrags und die problematische Entwicklung der Kernsortimente standen im Mittelpunkt der Lotto-Podiumsdiskussion.|||]
Funktionierendes Vertriebsnetz
Die Frage Dr. Schultes, ob das Lottogeschäft angesichts zahlreicher Problemfelder und Risikofaktoren überhaupt eine Zukunft habe, beantwortete Dr. Barth mit einem klaren Ja: „Wir brauchen uns, wir brauchen ein funktionierendes Vertriebsnetz und sitzen deshalb im selben Boot.“ Andererseits machte er aber auch deutlich, dass die Politik trotz Glücksspielstaatsvertrags zurückhaltend in der Frage der klaren Zukunftsabsicherung für das bestehende Modell ist. Hans-Jürgen Gärtner unterstrich, dass es zwischen WestLotto und den Annahmestellen bereits heute eine enge Zusammenarbeit mit vielen Gesprächen gibt. Wie das Lottofachgeschäft in 20 Jahren aussieht, könne er aber nicht beantworten. Wichtig sei, dass die Annahmestellen heute ihre Hausaufgaben machten. Und das sei, betriebswirtschaftlich gesehen, nicht immer der Fall. Jeden Monat gingen durchschnittlich zwei Annahmestellen in die Insolvenz.
[pic|158|r|||Die Tagungsteilnehmer aus dem Einzelhandel klinkten sich aktiv in die Diskussionsrunden ein.|||]
Glückspielvertrag und allgemeine Handelslage
Hermann Teckenburg machte unter den Problemen für die Lottofachgeschäfte zwei gravierende Punkte aus: Die Folgen des Glücksspielstaatsvertrags und die allgemeine Lage im Handel. Provokativ zeigte er sein T-Shirt mit dem Aufdruck „Ich bin mit der Gesamt-Situation unzufrieden“ und zählte auf: Billigsortimente, Spannenverluste, Discounterkonkurrenz. Bei Lotto in 2008 ein Umsatz-/Ertragsrückgang von 12 Prozent. Probleme mit Kundenkarten, unterschiedliche Regelungen bei Testkäufen zur Kontrolle des Jugendschutzes. Gerade weil die Spannenverluste bei allen Hauptertragssäulen Presse, Tabakwaren und Lotto festzustellen sind, sei die Situation so gefährlich. Hinzu komme die Kreditproblematik bei geringer Eigenkapitalausstattung. Außerdem mahnte er die Ungleichbehandlung der Annahmestellen gegenüber privaten Wettbüros an, die keinen Testkäufen unterzogen würden.
Umsatzrückgänge: Ausbleiben der großen Jackpots
Gärtner erläuterte aus seiner Sicht: Die Umsatzrückgänge bei Lotto in 2008 hingen mit dem Fehlen größerer Jackpots zusammen. Im bisherigen Jahresverlauf 2009 sei wieder eine Steigerung um bisher 13,4 Prozent in NRW zu verzeichnen. Spannenverluste hingen oft auch mit dem Fehlen einer vernünftigen betriebswirtschaftlichen Steuerung der Handelsunternehmen zusammen. Die Testkäufe, durch den Staatsvertrag bedingt, könnten zwar hinderlich sein, sie seien aber nicht schuld an den Geschäftsschließungen. Es gebe keinen erkennbaren Zusammenhang zwischen Jugendschutz und Umsätzen. Testkäufe könne WestLotto nur bei den eigenen Annahmestellen durchführen, im Bereich privater Wettbewerber sei dies Sache der Ordnungsbehörden. Es sei klar, dass es ein Problem ist, den Jugendschutz nicht nur zu 99,9, sondern zu 100 Prozent zu garantieren. Aber die Annahmestellenleiter seien die im Geschäft dafür Verantwortlichen.
Spannenverbesserung und Testkäufe
In der anschließenden Diskussion wurde händlerseitig die Frage aufgeworfen, warum es denn angesichts der gewachsenen Aufgaben für die Annahmestellen keine Spannenverbesserung gebe. Auch kam Kritik auf an überzogenen Formen von Testkäufen, z.B. mit gefälschten Ausweisen, und gleichzeitig die Anregung, hier blockweit einheitliche Maßstäbe anzulegen. Auch das Konzept einer intelligenten Kundenkarte wurde in die Diskussion geworfen. Gärtner wies darauf hin, dass die Tests in NRW überwiegend mit jungen Erwachsenen durchgeführt würden, bei deren Nichtüberprüfung zunächst einmal mit Mahnungen, Nachschulungen und erst dann mit Kündigungen reagiert werde. Dem Hinweis Teckenburgs, dass bei einem Rückgang des Ertraganteils aus Tabakwaren, Presse, Lotto von heute durchschnittlich 80 Prozent am Gesamtumsatz der Annahmestellen künftig vermutlich nur noch 65 Prozent erwirtschaftet würden, begegnete Gärtner mit der Aussage: Lotto ist ein Pfropfring, den es durch geeignete Reiser zu veredeln gilt. Michael Barth hob die Rolle von Lotto als Frequenzbringer hervor.
Modernisierung des Systems
Die Anregung aus dem Teilnehmerkreis, Lotto zu modernisieren, andere Spielformen zu kreieren und den Einsatz mit attraktiven Gewinnplänen zu erhöhen, begrüßte Barth, der Lotto-Block sei in den letzten Jahren beweglicher geworden. Auf die Euro-Lotterie angesprochen, sagte er aber, derzeit sei die Zeit dafür noch nicht reif. Dann schlug er den Bogen von der politischen Bedeutung der Annahmestellen als Mittelstand und Nahraumversorger zu den dazu notwendigen Sortimenten und Sortimentsergänzungen für deren Zukunftssicherung, in die sich auch die Bremer Lottogesellschaft durch geeignete Marktforschung einbringe. Zu den Forderungen nach Spannenerhöhungen, empfahl er, mit der Politik zu reden, denn der Großteil des Geldes gehe an den Staat. Er sprach aber auch seine Überzeugung aus, dass reine Margenverbesserungen nicht zum dauerhaften Überleben gefährdeter Annahmestellen führten. In NRW waren Bemühungen um eine Dotierung für zusätzlichen Arbeitsaufwand durchaus von Erfolg gekrönt, unterstrich Dr. Schulte mit Hinweis auf den Betrag von 1,3 Mio. Euro, der als Unterstützung für die besonderen Belastungen an die Annahmestellen ausgezahlt worden war.
Aktiv verkaufen
Einig waren sich Podiumsdiskutanten und Tagungsteilnehmer, dass man klar zu den eigenen Produkten stehen und aktiv verkaufen müsse.
(DTZ 23/09)
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