BDTA-Jahrestagung: Offener Schlagabtausch mit Herstellern
DRESDEN (DTZ/fok). „Unter allen bisherigen BDTA-Jahrestagungen nimmt die diesjährige eine Sonderstellung ein: Noch nie wurden im Rahmen dieser Veranstaltung die Positionen von Handel und Industrie so offen und gleichzeitig so kontrovers diskutiert. Fazit: Ende der Symbiose, jeder ist sich selbst der nächste, darauf muss sich der Handel für die Zukunft einstellen.“
Dieses Resümee aus dem Teilnehmerkreis fasst die Stimmung der Großhändler auf der Tagung des
[linkn|http://www.bdta.de]Bundesverbandes Deutscher Tabakwaren-Großhändle und Automatenaufsteller (BDTA)[/link],
die sich irgendwo zwischen Schock und der Akzeptanz, dass die Karten offen auf den Tisch gelegt wurden, zusammen.
Auslöser für heftigen Disput
Auslöser war ein heftiger Disput mit den Vertriebschefs der beiden großen Hersteller BAT und Reemtsma. Das von Dr. Arno Lippert (BAT) aufgezeigte Szenario künftiger vertrieblicher Zusammenarbeit vor dem Hintergrund eines rückläufigen Marktes ebenso wie die von Michael Kaib (Reemtsma) verteidigte neue Preisstellung einiger Reemtsma-OTP-Marken (OTP: engl. Other Tobacco Products) trafen bei den Großhändlern inhaltlich auf ausgesprochen kritische Ressonanz. Das industrieseitige Bekenntnis, den OTP-Preiskampf trotz der hierbei zu erwartenden Millioneneinbußen auf Handelsseite fortzusetzen, wurde vom Handel als ebenso ehrlich wie in der Sache inakzeptabel beurteilt.
Handel zeigt klaren Gestaltungswillen Schon die Eröffnungsansprache von BDTA-Präsident Hubertus Tillkorn hatte das zunehmende Spannungsverhältnis zwischen Industrie und Handel thematisiert. Nachdem zuvor alle Appelle des Handels nach existenziell wichtigen höheren Erträgen über das gesamte Tabakwarensegment hinweg nahezu ungehört geblieben seien, so Tillkorn, habe erst die gemeinsame Initiative von BDTA und BTWE für eine Neugestaltung der Mindestpackungsinhalte dafür gesorgt, dass Bewegung in den Markt kam und die herstellerseitige Patt-Situation aufgegeben wurde.
Tillkorn weiter: „Die individuellen Preisentscheidungen der Hersteller stellen einen ersten wichtigen und lebensnotwendigen Beitrag dar, die Ertragssituation auch für den Handel zu verbessern. Diese Politik der Margenverbesserung muss kontinuierlich fortgesetzt werden, damit der Tabakwarenhandel in Deutschland auch in Zukunft die für Tabakwaren wichtige distributive Leistung unter Beibehaltung des hohen Qualitätsniveaus erbringen kann.“
Kritik an der Art der Zusammenarbeit
Kritik übte der BDTA-Präsident gleichwohl an dem Wie der Preisankündigungen und der Umsetzungsvorhaben. Ein derartiges Planungschaos dürfe sich nicht mehr wiederholen. Tillkorn appellierte an die Industrie, künftig wieder früh und intensiv mit den Handelspartnern in den Dialog zu treten. Außerdem wiederholte er die Forderung des BDTA an die Hersteller, in der Frage der Reichweiten für einen angemessenen Zeitraum von drei Monaten altpreisige Automatenware in ausreichendem Volumen zur Verfügung zu stellen, um den Automatenaufstellern eine flexible Umstellung zu ermöglichen. Alle Marktbeteiligten wies Tillkorn auf die Notwendigkeit hin, in der Kommunikation Richtung Konsument alle Möglichkeiten zu nutzen, um zu verdeutlichen, dass die Erhöhung der Packungspreise auch mit einer Erhöhung der Packungsinhalte einhergehe.
Unter Berücksichtigung der Gesamtzusammenhänge im Tabakwarenmarkt bezeichnete der BDTA-Präsident vorhandene Tendenzen, einzelne OTP preislich neu zu positionieren, um abwanderungswillige Zigarettenraucher im Zuge der Preiserhöhungsrunde zu OTP zu ziehen, als bedenklich, ja inakzeptabel, weil hier wieder Preispolitik zu Lasten des Handels betrieben werde und kontraproduktive branchenpolitische Signale ausgesendet würden.
Positiv stellte Hubertus Tillkorn die Zusammenarbeit zwischen BDTA und BTWE heraus. Der Handel habe Geschlossenheit und Einigkeit demonstriert und somit auch in der Wahrnehmung durch die Politik und die involvierten Ministerien punkten und weiteres Vertrauen durch Zuverlässigkeit verbuchen können. Kritische, aber offene Debatte mit der Industrie Zu zentralen Diskussionsthemen entwickelten sich die Redebeiträge der beiden Vertriebschefs von BAT und Reemtsma. Unter der Headline „Heute an Morgen denken“ skizzierte Dr. Arno Lippert (BAT) den für die nächsten Jahre zu erwartenden Rückgang des Gesamtkonsums.
Dabei rechnet er für OTP mit einer stabilen Entwicklung und für den nicht in Deutschland versteuerten Bereich mit einem leichten Minus. Der Rückgang werde damit weitgehend zu Lasten der Fabrikzigarette gehen. Weiter erwartet die BAT eine Zunahme der Restriktionen. Außerdem eine Fortsetzung des Trends zu „Value for money“, also niedrigpreisigen Angeboten, die nach BAT- Prognose den Premiumbereich volumenmäßig im Jahre 2013 einholen. Denn, so Dr. Lippert, die deutschen Konsumenten sind Discount-Fans; sie wollten Premiumqualität, aber die für wenig Geld. Er sei froh über die Preiskorrektur bei der Zigarette, die Verbindung mit dem Thema Mindestpackungsinhalt aber leuchte ihm nicht ein.
Preissprung im Premiumbereich
Dies führe in zwei kurz aufeinander folgenden Schritten zu einem 70-Cent-Preissprung im Premiumbereich, wobei die Gefahr bestehe, dass die Handelsmarken den autonomen Preisschritt nicht nachvollzögen, weitere Mengen von der Zigarette in die braune Ware abwanderten und der Schmuggel weiter ansteige. Da seien alle Marktbeteiligten gefordert, den Konsumenten den echten Preisschritt getrennt vom optischen Preisschritt durch den Wechsel von 17 auf 19 Stück Packungsinhalt zu vermitteln.
Vergütung von Zusatzleistungen
Im Anschluss ging Dr. Lippert auf Forderungen des Handels ein, wegzukommen von einer KVP-orientiertem Spanne (KVP: Kleinverkaufspreis), hin zu einer Vergütung pro Packung, und darüber hinaus die Vergütung von Zusatzleistungen ins Auge zu fassen. Dabei definierte er aus BAT-Sicht die positiven und kritischen Erfolgsfaktoren der verschiedenen Felder einer solchen neuen Form der Zusammenarbeit, von der Logistik über das Category Management bis hin zur regionalen Markterschließung. War es nun Denkanstoß oder realistisch zu wertendes Modell: Die Reaktion der Großhändler zeigte hohe Sensibilität.
Existenzberechtigung im System
Die Befürchtung der kleinen und mittleren Großhändler, in einem solchen Vertriebsmodell keine Existenzberechtigung mehr zu haben, wurde vorgetragen. Und ein national operierender Automatenbetreiber stieß sich an den Kostenüberlegungen, bei denen Spediteure als Benchmarks und einige andere Märkte mit anderen Marktvoraussetzungen als mögliche Vergleiche genannt worden waren. Versucht man die Diskussion konstruktiv auszulegen, dann bietet sie mit ihren heftigen Reaktionen die Erkenntnis, dass gewünschte Annäherung hinsichtlich veränderter Aufgabenfelder nur in gegenseitigem Einvernehmen und unter Berücksichtigung der Existenzanliegen beider Seiten möglich ist.
Heißes Thema Preissenkung
Mit der kurz zuvor erfolgten Entscheidung, die KVP einiger Reemtsma-OTP-Marken zu senken, statt sie, wie zunächst angekündigt, zu erhöhen, hatte Reemtsma-Vertriebschef Michael Kaib ein heißes Thema anzupacken. Nach einer Übersicht über die Marktentwicklung und der Erläuterung der Position des Verbandes der Rauchtabakindustrie zum Erhalt der Pufferfunktion des Feinschnitts gegenüber dem Schmuggel betonte er die große Bedeutung der Preispositionierung. Die Entscheidung der BAT, ihren Feinschnitt Pall Mall nicht im Preis anzuheben und mit einer neuen Variante eine höhere Stückzahl, bezogen auf das Tabakgewicht, auszuloben, zwinge Reemtsma zur Preisreposition.
Die ursprüngliche Reemtsma-Preisliste hätte zu einer klaren Margenverbesserung geführt. Die neue Preispositionierung des Wettbewerbprodukts erzwinge aber eine deutliche Reaktion der hierdurch unmittelbar betroffenen Reemtsma-Marken. Gleichwohl werde die angekündigte Preiserhöhung bei vielen traditionellen Marken auch vollzogen. Reemtsma gehe bewusst in diese preisliche Auseinandersetzung, das Unternehmen könne es sich nicht leisten, auf die neue Preispositionierung des Wettbewerbers nicht zu reagieren, auch wenn dies Margeneinbußen beim Handel verursache. Da andererseits Dr. Lippert die Preisstellung des Pall Mall Feinschnitts im Vergleich zu anderen internationalen Marken wie Chesterfield, Next und Route 66 verteidigte, machten die Großhändler ihrem Zorn Luft, dass die OTP-Preisauseinandersetzungen auf ihrem Rücken ausgetragen werden.
(DTZ 21/09)
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