Der Brandy de Jerez war für eine lange Zeit das Lieblingsgetränk von vielen Zigarrengenießern
[pic|90|l|||Domecq in Aktion|||]
JEREZ DE LA FRONTERA (DTZ/lb). Über Jahrhunderte erlebte der spanische Brandy de Jerez in Europa eine wahre Blütezeit und mauserte sich zum absoluten Lieblingsgetränk für Zigarrenliebhaber. Erst in den 80er Jahren wurde es überraschend still um den edlen Tropfen, denn zahlreiche neue Modecocktails verdrängten den Klassiker plötzlich aus den Bars und ließen sogar das Vorurteil entstehen, der Weinbrand sei nur noch das Getränk alter Männer, die im Ohrensessel rauchend über den Lebensabend nachdenken. In den letzten Jahren erlebte der Brandy jedoch eine überraschend glorreiche Wiedergeburt. Nicht nur für die Winzer Andalusiens eine feine Sache, denn wer einmal bei einer guten Zigarre das feine Bouquet aus Mandeln, Beeren und Nüssen eines Solera Gran Reserva probiert hat, der wird den Altmeister des guten Geschmacks nicht mehr missen wollen.
Langsam kriecht die andalusische Sonne den Himmel empor. Es ist gerade mal zehn Uhr morgens, und doch liegt die Hitze bereits mit erdrückenden 40 Grad flirrend auf den Weinfeldern von Jerez de la Frontera. Dass bei diesen Temperaturen das Gold Spaniens – die Palomino-Weintrauben – gedeihen sollen, erscheint kaum vorstellbar.
„Andalusiens Geheimnis“
Beltr?n Domecq, Spross eines „hochprozentigen Adelsgeschlechts“, macht sich darüber jedoch keine Sorgen.
Gut gelaunt begrüßt er eine Gruppe Besucher, um sie in die Wunder des andalusischen Klimas und die Brandyherstellung einzuführen. Wie ein zärtlicher Liebhaber streift er an seinen Reben vorbei, kniet auf dem staubigen Boden nieder und lässt bedächtig einen Haufen Erde durch die Finger rinnen. „Das ist Andalusiens Geheimnis“, bemerkt er bedeutungsschwanger, „dieses blasse Stück Erde.“
Keine Frage, sein Auftritt ist filmreif. Als würde Scarlett O`Hara theatralisch über ihr geliebtes Tara reden. Das Aha-Erlebnis der Zuschauer bleibt trotzdem aus. Domecq nimmt es jedoch gelassen, ist die Reaktion längst gewöhnt. „Der Boden hier besteht aus der Albariza“, erklärt er geduldig und klopft sich den Staub von der Hose, „eine kalkhaltige Erde, die wie ein Schwamm das spärliche Regenwasser speichert und uns so die besten Trauben für die Weinherstellung schenkt.“
[pic|91|r|||In stilvollen Hallen mit hohen Gewölben lagern die Brandy-Fässer.|||]
„Die Spirituosenbarone“
Er muss es wissen, denn schließlich erkannte kaum jemand den Reichtum des andalusischen Bodens so früh wie seine Familie. Genauer gesagt: Pedro Domecq Lebaye. Ein Franzose, der 1730 in die Stadt kam, um zusammen mit seinem Freund Juan Haurie und dem Iren Patrick Murphy die ersten eigenen Reben anzupflanzen und den damals schon begehrten Sherry zu produzieren. Die trockenen Finos, würzigen Olorosos, lieblichen Creams und karamellfarbenen Amontillados, die oft erst über Jahrzehnte in amerikanischen Eichenfässern lagern mussten, bevor sie perfekt gereift die Bodegas verlassen konnten, begeisterten mit ihrem weihnachtlich duftenden Bouquet anfänglich nur die britische Oberschicht, bald schon ganz Europa und bescherten Jerez schließlich den Ruf als Mekka der reichsten Spirituosenbarone der Welt.
Ohne Sherry kein Brandy
Es ist durchaus kein Nebenschauplatz, auf den Beltrán Domecq mit der Geschichte des Sherrys abgleitet. Denn ohne ihn hätte es den Brandy tatsächlich nie gegeben. Auch wenn dieser seine Entstehung eigentlich nur einem unerhörten Zufall verdankt, den der Andalusier gleich zum Besten gibt. Kein Wunder, immerhin war es einer seiner Vorfahren, der den Weinbrand ‚erfand’: „Mein Urahn Pedro Domecq Lustau erhielt eines Tages die Bestellung eines holländischen Abnehmers, der Weinalkohol orderte“, erinnert er sich, „doch plötzlich stornierte dieser den Auftrag. Den kostbaren Stoff einfach verkommen zu lassen, wäre natürlich viel zu schade gewesen. Domecq Lustau ließ ihn daher einfach in leeren Sherry-Fässern zwischenlagern“. Erst Jahre später – die Restposten waren fast vergessen – kostete er die aufgehobene Ware und stellte überrascht fest, dass die Reifung dem Alkohol nicht nur eine samtig dunkle Farbe, sondern auch ein völlig neues Bouquet verliehen hatte, indem er das Sherryaroma absorbiert und im Laufe der Jahre einfach weiter veredelt hatte.
Die erste Brandy-Marke
1874 brachte Domecq mit dem „Fundador“ weltweit die erste Brandy-Marke auf den Markt, verfeinerte das so genannte Solera-Prinzip, in dem der Branntwein immer wieder mit jungem Alkohol verfeinert und so für ganze Jahrhunderte haltbar gemacht werden konnte und galt bald schon als reichster Mann Andalusiens. „Um in Jerez wer zu sein, muss man entweder ein Pferd sein oder ein Domecq“, lautet seitdem ein geflügeltes Wort in der Region. Dass dieses unverändert stimmt, merkt man auch heute noch. Ein Denkmal Domecq Lustaus, Domecq-Fässer als Straßenschmuck sowie Domecq-Bars und Restaurants erinnern in Jerez de la Frontera an jeder Ecke daran, wer hier schon seit Urzeiten das Sagen hat. Selbst die vielen Zigarrenclubs der City huldigen mit Vorliebe dem Domecq-Brandy auf besondere Art und laden regelmäßig zu speziellen Verkostungen ein, bei denen fünfgängige Drei-Sterne Menüs und beste Havanna-Zigarren das edle Mandelaroma zum Beispiel eines „Duque de Veragua“ genussvoll unterstreichen.
Ideale Kombination mit Zigarren
Ein Thron, auf dem sich der Brandyhersteller glücklicherweise international aber nicht mehr ausruhen kann, denn längst haben auch andere Firmen die Glut Andalusiens für sich entdeckt und produzieren in der Region Gran Soleras vom Feinsten. Spitzenbrandys wie zum Beispiel einen „Cardenal Mendoza“ aus dem Hause Sanchez Romate, ein „Lepanto“ des alteingesessenen Traditionsunternehmens Gonzalez Byass, ein “Gran Duque d’Alba Oro” der Bodega Williams & Humbert oder aber ein „Conde de Osborne“ des gleichnamigen Unternehmens Osborne, dessen schwarzer Bulle heute auch stolz die Straße nach Jerez ziert und zum Markenzeichen der andalusischen Metropole wurde.
Dass die braunen „Tabakstangen“ und das Edelgetränk auch unabhängig von allen Marken in Jerez wie selbstverständlich zusammengehören, stand dabei auch schon für prominente Gäste wie Winston Churchill, Steven Spielberg, Pablo Picasso oder Rod Taylor fest, die im schweren, alkoholgeschwängerten Duft einer der vielen Bodegas mit Kreidestiften ihr Autogramm auf eines der Brandy-Fässer kritzelten und sich anschließend in einer der zahlreichen Bars nur allzu gerne von der besonderen Genusskombination umnebeln ließen.
[pic|92|l|||Oft sind die Fässer mit geschnitzten Motiven versehen und dienen auch als Straßenschmuck.|||]
Doch so schön die Erfolgsstory des Edelbranntweins auch klingt, so viele Schattenseiten durchlief sie auch. Ricardo Rebuelta, Generaldirektor der staatlichen Kontrollbehörde Consejo Regulador kennt sie genau: „Dank unserer Initiative darf sich seit 1984 nur noch der Brandy aus der Region des Sherry-Dreiecks als „Brandy de Jerez“ bezeichnen, wobei dieser aber noch 42 weitere streng kontrollierte Auflagen erfüllen muss“, erklärt er. Der Grund: Im Laufe der Zeit gab es zahlreiche internationale Fälschungen, die dem Ruf des andalusischen Branntweins schwer geschadet haben. Der sinkende Export von einst 400 Millionen auf gerade noch 75 Millionen Flaschen wurde durch die neuen, scharfen Kontrollen allerdings nicht verhindert. „Schuld daran waren auch die Modegetränke wie Whisky-Cola und Gin-Tonic, die den Brandy seit den 80er Jahren plötzlich aus der Barkultur verdrängten“, erinnert sich Rebuelta.
Neue Vermarktungschancen
Kein Wunder, dass die Brandybarone damals plötzlich erschrocken aus ihrem verwöhnten High-Society-Schlaf erwachten, nach Jahrhunderten des süßen Müßiggangs die Stierkämpfe und Pferderennen erstmals in der Stadt ignorierten, aus ihren Bougainville bewachsenen maurischen Palästen heraus kamen und sich um neue Vermarktungschancen kümmerten. Schließlich wurden die Tore der Bodegas gegen Eintritt für Besucher geöffnet. Ein sinnlicher Schulterschluss mit der andalusischen Kultur, die feuriger nicht sein könnte.
Denn während in den Bars das Leben zu den Flamencoklängen der Zigeuner tobt, “chiringuitos”, kleine Restaurants mit Holzkohlegrill, Spezialitäten aus der regionalen Küche oder die berühmten Tapas offerieren, kann man direkt nebenan in den Bodegas die hohe Kunst der Brandyherstellung live erleben und erkosten. Die Liebe zum Weinbrand wurde da schon oft innerhalb von wenigen Minuten neu entfacht.
Ricardo Rebuelta blickt jedenfalls wieder beruhigt in die Zukunft: „Sherry time is any time. Diese Weisheit hat schon die englische Queen erkannt.“ Er lacht. „Und nach dem Solera-Prinzip gilt ja bekanntlich: was der Sherry schafft, das wird der Brandy noch verbessern.“
(DTZ 36/08)
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