Schlagwort: Gesundheitsrisiken

  • Tabakkonzerne müssen elf Milliarden Euro zahlen

    QUÉBEC // Das Oberste Gericht der kanadischen Provinz Québec hat drei internationale Tabakkonzerne zur Entschädigungszahlung in zweistelliger Milliardenhöhe verurteilt.

    Imperial Tobacco, Rothmans Benson & Hedges und JTI-Mac Donald sollen den mehr als eine Millionen Betroffenen 15,5 Milliarden kanadische Dollar, umgerechnet rund 11,3 Milliarden Euro, an Entschädigungen und Zinsen zahlen, entschied der Richter Brian Riordan. Es ist die höchste Entschädigungssumme, die jemals in Kanada verhängt wurde. Vorausgegangen war ein 17-jähriger Rechtsstreit.

    Riordan befand die Hersteller für schuldig, gegen die „allgemeine Pflicht, anderen nicht zu schaden“ sowie gegen die Pflicht, „seine Kunden über Risiken und Gefahren seiner Produkte aufzuklären“, verstoßen zu haben. Die Unternehmen kündigten Berufung gegen die Entscheidung an.

    „Seit den Fünfziger hatten die Kanadier ein starkes Bewusstsein der Gesundheitsrisiken beim Rauchen“, machte JTI-Mac Donald in einer Erklärung geltend. Dieses Bewusstsein sei überdies seit mehr als 40 Jahren durch Warnhinweise auf jeder Zigarettenpackung verstärkt worden. Das Urteil in Québec wolle „erwachsene Konsumenten von jeder Verantwortung für ihr Verhalten entbinden“, kritisierte der Konzern.

    Vor dem Gericht waren zwei Sammelklagen verhandelt worden, die knapp 1,02 Millionen Raucher aus Québec bereits 1998 eingereicht hatten. Mit der Verhandlung war aber erst vor Kurzem begonnen worden.

    Trotz der Berufung müssen die Unternehmen laut Urteil in den kommenden 60 Tagen bereits etwa 730 Millionen Euro Entschädigung bereitstellen.
    red

    (DTZ 23/15)

  • Iqos soll Testraucher überzeugen

    MAILAND // „Wie rauchen Sie?“ Eine hübsche Dame stellt dieser Frage jeden, der die Bar im Zentrum von Mailand betritt und sich als Raucher zu erkennen gibt. Sie ist eine der vielen Promoterinnen, die das neueste Produkt von Philip Morris in der italienischen Metropole bekannt machen sollen: Iqos, die neue elektronische Zigarette des Tabakkonzerns.

    Der Verkauf wird seit Ende 2014 in zwei Städten weltweit getestet. Neben Mailand wurde auch Nagoya in Japan für die Erprobungsphase ausgewählt.

    Iqos ist keine gewöhnliche E-Zigarette, denn sie enthält Tabak – hier werden also keine Fluids eingesetzt. Ein aufladbares Gerät, das ein wenig wie ein hohler Kugelschreiber aussieht, erhitzt während des Rauchens einen Tabak-Stick auf 350 Grad. Da keine Verbrennung stattfindet, entsteht auch kein Rauch. Dadurch sollen die Gesundheitsrisiken verringert werden, sagt Philip Morris. Das Unternehmen wird jedoch nicht müde zu betonen, dass die genaue Wirkung von Iqos gerade wissenschaftlich untersucht wird. Weitere Vorteile sind die geringere Geruchsentwicklung sowie die Tatsache, dass keine Asche erzeugt wird.

    In Mailand wird Iqos an vielen „Tabaccai“ angeboten, das sind Tabakwarenläden, aber auch Bars, die eine Lizenz für den Verkauf von Tabakerzeugnissen haben. Für das Gerät müssen Raucher 70 Euro berappen, eine Packung mit 20 Sticks kostet 5 Euro – das ist in etwa auch der Preis einer Zigarettenpackung in Italien. Die Besteuerung der Sticks ist ebenfalls auf Zigarettenniveau, also insgesamt rund 70 Prozent des Verkaufspreises. Angeboten wird Iqos in zwei Sorten, mit und ohne Menthol. Eine leichte Variante gibt es nicht. Bis zum 30. Januar 2015 genoss jeder Iqos-Käufer eine Rückgabe-Garantie: Das Gerät konnte innerhalb von 40 Tagen problemlos zurückgegeben werden, der Kaufpreis wurde dann erstattet. Seit Anfang Februar gilt diese Regelung nicht mehr. Darüber ist die Promoterin nicht besonders froh, denn von der Investition in das Gerät schreckt so mancher Raucher erst einmal zurück. „Die Garantie hat vielen potenziellen Kunden das sichere Gefühl gegeben, sie könnten das Produkt ohne Risiko ausprobieren“, sagt sie.
    mar
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    (DTZ 06/15)

  • Wirtschaftsverbände sehen staatliche Überregulierung durchweg kritisch

    BERLIN (DTZ/HePe). „Staatliche Fürsorge zwischen Überregulierung und Kundennutzen“ – zu diesem Thema luden der BDI Bundesverband der Deutschen Industrie, die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie BVE und der Markenverband zu ihrem „Forum Wirtschaft und Verbraucher“ nach Berlin.

    Vor etwa 100 Vertretern von Wirtschaftsverbänden, Politikern und Journalisten verwies Dieter Schweer, Hauptgeschäftsführer des BDI, auf das verbraucherpolitische Leitbild der Bundesregierung: Danach solle ein gut informierter mündiger und selbstbestimmter Verbraucher eine eigenverantwortliche Wahl treffen können. Überregulierung sei teuer und verhindere Angebotsvielfalt. Konsumsteuerung werfe die Frage nach ihren politischen Kriterien und ihrer demokratischen Legitimation auf. Es gibt auch, so Schweer, ein Recht auf Unvernunft.

    Während Klaus Müller, Vorstand der Verbraucherzentrale NRW, den Schutzaspekt in den Vordergrund stellte – der Konsument müsse vor Irreführung und Gesundheitsgefährdung bewahrt werden – beklagte der Vorsitzende der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, Jürgen Abraham, eine „Diktatur der Fürsorge“. Zur freien Lebensgestaltung gehöre auch das Wahlrecht des Verbrauchers. Dieser ließe sich stark vom Vertrauen in Marken leiten. Andererseits gäbe es besonders im Lebensmittelbereich eine Verunsicherung, die aus fehlendem Verständnis für die qualitativen, vor allem hygienischen Vorteile industrieller Produktion resultiere. Hier müsse die produzierende Wirtschaft durch maximale Transparenz für Abhilfe schaffen. „Öffnet Eure Betriebe“, forderte Abraham.

    In verschiedenen Podiumsrunden diskutierten dann unter der Moderation des Politikjournalisten Guido Bohsem von der Süddeutschen Zeitung Fachleute, Politiker und Journalisten über die Themenkreise Werbung, Sponsoring, Markenauftritt und Produktgestaltung, Inhaltsstoffe, Kennzeichnungspflicht und was das für die Kommunikation mit dem Verbraucher bedeute und wo die Grenzen der Herstellerfreiheit lägen.

    Während Jens Spahn (CDU) den Alkoholanbietern mangelhafte Einhaltung der Selbstverpflichtungen vorwarf, was der Präsident des Brauer-Bunds, Hans-Georg Eils, zurückwies, reklamierte Manfred Parteina, Geschäftsführer des ZAW, der Staat mische sich über Werberegulierung unzulässig in persönliche Lebensbereiche ein. Auch er forderte das „Recht auf Unvernunft“. Allgemeine Übereinstimmung dagegen herrschte bei der Feststellung der Notwendigkeit eines strikten Jugendschutzes.

    Beim Thema Tabak stand natürlich die neue Tabakrichtlinie im Mittelpunkt der Diskussion. Dirk Pangritz, Geschäftsführer des DZV, zeigte sich enttäuscht darüber, dass seitens des Bundesinstituts für Risikobewertung noch immer keine klare Reaktion auf die vorliegenden Daten erfolgt sei. Die im EU-Entwurf veränderten Deklarationsvorschriften würden zu weniger Information als bisher führen, Forderungen etwa nach „Verringerung der Attraktivität“ seien sinnlos, da Attraktivität ja kein objektiv messbarer Wert sei.

    Hans-Michael Goldmann (FDP), Vorsitzender des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, hielt die in der neuen Tabakrichtlinie vorgesehenen Verschärfungen schlicht für überflüssig und für schädlich, da sie der Produktdifferenzierung im Wege stünden. Dirk Pangritz sprang ihm bei mit dem Hinweis, dass selbst nach Aussage der Drogenbeauftragten fast 100 Prozent der erwachsenen Bevölkerung über die Gesundheitsrisiken, die mit dem Rauchen verbunden sind, informiert seien. Außerdem sei der Konsum bei Jugendlichen deutlich rückläufig.

    „Dürfen wir bald gar nichts mehr – rauchen, saufen, fressen?“ fragte Nicole Maisch (Grüne), ebenfalls Mitglied im Verbraucherschutz-Ausschuss, und antwortete mit einem erfrischenden „Doch“. Allerdings meinte sie auch, es sei politisch gewollt, dass weniger geraucht würde.

    Die Journalisten Jan Grossarth, Wirtschaftsredakteur der FAZ, und Guido Bohsem warfen übereinstimmend ihrem eigenen Berufsstand vor, dass die Diskussion in den Medien viel zu hysterisch geführt werde. Es sei ein Mechanismus der Mediengesellschaft, dass gehört werde, wer am lautesten schreie. Auch der FDP-Politiker Goldmann beklagte, dass die Berichterstattung zu diesen Themen ungewichtet und mit negativen Tendenzen erfolge – von den Politikern würde dann gefordert, daraus Gesetze zu machen.

    Wenn die Standpunkte dieses Forums auch unterschiedlich waren, blieb ein gemeinsames Fazit: Weniger Aufgeregtheit und mehr Sachlichkeit in der Diskussion, mehr Transparenz auf der Wirtschaftsseite und weniger Populismus in der Politik wären zu wünschen.

    (DTZ 21/13)