BDTA-Tagung nimmt Standortbestimmung vor

Regulierung, Preispolitik, Bayern und Automatentechnik im Fokus

BERLIN (DTZ/fok). Den hohen Stellenwert der Verbandsarbeit für die Zukunft der Mitglieder demonstrierte auch die diesjährige Unternehmertagung des Bundesverbandes Deutscher Tabakwarengroßhändler und Automatenaufsteller beeindruckend.

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Trotz des Schrumpfungsprozesses der Branche war der Tagungsraum für die Veranstaltung im Steigenberger Hotel Berlin Mitte letzter Woche gut gefüllt. Und die Stimmung trotz der Probleme des Vertriebskanals Zigarettenautomat verhalten optimistisch. Nach dem Motto „Klagen hilft nichts“ versuchen die Großhandelsunternehmer die Handlungsspielräume auszuloten und durch geschickte Verbandspolitik auch so weit als möglich zu erhalten.

So stellte Paul Heinen, stellvertretender Vorsitzender des Verbandes, in seiner Begrüßungsansprache drei Schlaglichter heraus: Die Themen Tabakregulierung, Preispolitik der Hersteller und Tabakprävention. Heinen wandte sich energisch gegen die politischen Tendenzen, das alltägliche Zusammenleben der Bürger durch immer mehr staatliche Eingriffe zu regeln.

Gegen Überregulierung
Dies äußere sich zum Beispiel in der Fokussierung auf Themen wie die Nichtraucherschutzgesetzgebung bei den Landtagswahlen. Zum bevorstehenden Volksentscheid für ein totales Gastrorauchverbot in Bayern erläuterte Heinen das Engagement des BDTA im Aktionsbündnis „Bayern sagt nein!“ gegen diese Überregulierung.

Dem breiten Bündnis von Bürgern, Gastronomen, Getränkewirtschaft und anderen Betroffenen habe sich der BDTA wie auch der DZV angeschlossen, und das mit offenem Visier, denn es sei nicht verwerflich, sich als Wirtschaftsakteur für die eigenen legitimen Interessen einzusetzen, um so mehr, als die bestehenden Gesetze in Bayern einen ausreichenden Nichtraucherschutz bereits sicherstellen.

Kritik an Preisentscheidungen
Mit Blick auf den Markt nahm Heinen die Preisentwicklung unter die Lupe und hatte dabei einige Kritikpunkte an herstellerindividuellen Entscheidungen im Visier. So sei die Einführung einer neuen Billigpreisklasse nur wenige Wochen, nachdem die Weichenstellung in Richtung einer Margenverbesserung durch die autonome Preisanhebung erfolgt sei, aus Sicht des BDTA kontraproduktiv für die Margen und gehe mit einem zusätzlichen Preisverfall innerhalb des Markenzigarettensegments einher.

Auch die Tatsache, dass die Hersteller die Option einer Überwälzung der höhere Mindeststeuerbelastung auf die KVP zunächst nicht nutzten, habe den Handel durch massive Margenabschläge bei den ohnehin schlecht kalkulierten Industrieniedrigpreislagen ins Mark getroffen.

Durch die inzwischen verschickten neuen Preislisten ergebe sich zwar eine Entspannung der Margensituation. Allerdings habe der Handel kein Verständnis dafür, dass die Strategiepreislage 5,00 Euro/23 Stück von diesen herstellerindividuellen Preiserhöhungsmaßnahmen – mit einer Ausnahme – offensichtlich ausgeklammert werde.

Zweistelliger Millionenbetrag an entgangener Marge
Damit schlage die Mindeststeuererhöhung auf das Spannenniveau durch und koste den Handel im Jahresverlauf einen zweistelligen Millionenbetrag an entgangener Marge. Heinen zeigte sich überzeugt, dass der Markt auch in der Strategiepreislage eine moderate Preiserhöhung vertragen hätte.

Das Problem sei der Preispunkt 5,00 Euro, der, so seine Sorge, wie bereits der Preispunkt 4,00 Euro wohl nur durch weitere „Impulse“ fiskalischer Eingriffe überwunden werden könne. Heinen verdeutlichte mit Blick auf die Entwicklung des Gesamtwirtschaftsnutzens, dass die Strategie einer Steigerung der Kleinverkaufswerte und damit des Wirtschaftsanteils in einem schrumpfenden Markt alternativlos sei.

In der Marktbeurteilung sei sich der BDTA mit dem Bundesfinanzministerium einig, das den Gesamtmarkt wie folgt beschreibt:
[bul] Stagnierende bis rückläufige Kleinverkaufs- und Steuerwerte,
[bul] Wettbewerb um Marktanteile zu Lasten von Werten,
[bul] Preisverfall in allen Gattungen (vor allem auch im Feinschnittmarkt),
[bul] hohe Preisabstände zwischen, aber auch innerhalb der Gattungen (u.a. bedingt durch eine nicht nachvollziehbare Preiszurückhaltung im Feinschnittsegment).

Heinen zeigte sich optimistisch, dass angesichts dieser weitgehenden Deckungsgleichheit der Marktwahrnehmung die Argumente des Handels im Dialog mit dem Ministerium sehr deutlich wahrgenommen werden.

Präsenz des BDTA in der Politik
Weiter unterstrich Heinen die Bedeutung der Präsenz des BDTA in der politischen Wahrnehmung auch bei der Thematik der Tabakprävention. Die neue Bundesregierung hatte sich beispielsweise bei einer Anfrage der Grünen hinter die derzeitige technische Lösung des Jugendschutzes an Zigarettenautomaten gestellt und einer nationalen Verbotsdiskussion eine klare Absage erteilt.

Aufklärungs- und Motivationsbedarf sieht der BDTA bei der Sensibilisierung der deutschen Politik mit Blick auf internationale Regulierungsprozesse. Diese sind durch zunehmende Intransparenz, restriktive Informationspolitik, Kompetenzüberschreitungen und eine schleichende Entdemokratisierung gekennzeichnet.

Hier hofft der Großhandel, dass sich Berlin von Beginn an stärker in europäische Angelegenheiten einbringt, wie es auch das Bundesverfassungsgericht dem deutschen Gesetzgeber vor kurzem eindringlich nahegelegt habe.

Umfangreiches Programm zur Automatentechnik
Keine BDTA-Tagung ohne umfangreiches Programm zur Automatentechnik. In diesem Jahr standen die Themen Netzunabhängige Energieversorgung, neuer elektronischer Personalausweis, kontaktlose Nutzung der GeldKarte und Änderungen der Deutschen Bundesbank im baren Zahlungsverkehr auf der Tagesordnung.

Die Aufklärungs- und Mobilisierungskampagne des Aktionsbündnisses Freiheit & Toleranz, die die bayerischen Bürger für ein „Nein“-Votum beim Volksentscheid motivieren will, präsentierte die damit beauftragte Agentur „Zum Goldenen Hirschen“.

Als Kernaussage wird dabei herausgestellt, dass es bereits ein weitgehendes Nichtraucherschutzgesetz in Bayern gibt, während der jetzt angestrebte „Verbotsentscheid“ eine unangemessene Einschränkung der bürgerlichen Freiheiten darstellt.

Breitangelegte Kampagne
Das Nein zum totalen Rauchverbot wird mit unterschiedlichen Plakaten, Aufklärungsflyern und etlichen anderen Informationstools, via Facebook und unmittelbar vor dem Entscheid auch mit Radiospots auf launige Weise breitflächig den Bürgern nahe gebracht, wobei nicht nur die Raucher, sondern auch tolerante Nichtraucher zur Wahlbeteiligung animiert werden sollen. Bei diesen Aktionen klinkt sich der bayerische Großhandel aktiv in die Kampagne ein, zum Beispiel mit Infoplakaten auf den Automaten.

Zum Thema Demokratieverständnis im Rahmen internationaler Regulierungsprozesse zeigte der BDTA-Bevollmächtigte Dr. Reinhard Pauling die Problemfelder auf, die im Rahmen der Abstimmungsprozesse auf EU-Ebene, vor allem aber durch extrem tabakfeindliche Aktivitäten von NGOs und WHO entstehen.

Schwerpunktthema Tabaksteuerpolitik
Ein Schwerpunktthema der BDTA-Mitgliederversammlung war die Tabaksteuerpolitik in Deutschland. BDTA-Hauptgeschäftsführer Carsten Zenner zeigte in prägnanter Form die Folge der starken Tabaksteuererhöhungen Anfang bis Mitte des Jahrzehnts ergeben hat.

Stichwörter waren dabei das Nutzen von Steuerschlupflöchern durch die Industrie, die Migration von teuren zu billigen Tabakprodukten, die stärkere Preisspreizung bei der Zigarette mit Entstehen der vierten und fünften Preislage, das Wachstum von Schmuggel und Privateinfuhren wie auch die Preisblockade bei OTP.

Insgesamt war der Wirtschaftsnutzen inflationsbereinigt um 24 Prozent gesunken. Auch die Differenz des Durchschnittpreisniveaus von Fabrikzigarette und Volumentabaken entwickelte sich Zenners Berechnungen zufolge deutlich auseinander. Der Handel stehe mit dem Rücken zur Wand.

Fehlentwicklungen korrigieren
Der BDTA sieht hier Fehlentwicklungen, die es zu korrigieren gelte, wenn auch nicht auf einen Schlag. Zenner zeigte sich überzeugt, dass die Handelsverbände BDTA und BTWE treibende Kraft beim Meinungsbildungsprozess für eine sinnvolle Korrektur der Steuerstrukturen sein müssen. Die Branche brauche schlüssige Modelle, die die fiskalische Ergiebigkeit ebenso wie den Gesamtwirtschaftsnutzen wieder steigern können.

Priorität hat dabei nach Auffassung des BDTA der Schutz der Zigarette durch geeignete Maßnahmen zur Verhinderung von Steuerschlupflöchern, Verhindern von Schmuggel und neue Steuerstrukturen für OTP. Letztere sollten ihre Möglichkeit als Pufferfunktion gegen nicht in Deutschland versteuerte Zigaretten behalten, aber nicht weiter zur Spielwiese für Preisdumping dienen.

Die in den letzten Jahren deutlich zu groß gewordene Preisspreizung zwischen Zigaretten und OTP müsse reduziert werden. Hinsichtlich der Zigarette spricht sich der BDTA für ein langfristig angelegtes Steuerkonzept unter enger Berücksichtigung der Marktauswirkungen aus.

Interessen des Handels
Dieses Modell müsse ergänzt werden um Struktur- und Tarifveränderungen in allen Produktsegmenten des so genannten OTP-Markts. Ins Gespräch gebracht wurden auch Überlegungen, wie die Interessen des Handels in der Ausrichtung der Tabaksteuergesetzgebung besser Berücksichtigung finden können.

Als Gastredner äußerte sich DZV-Vorsitzender Ad Schenk zum Thema „Gestalten statt gestaltet werden – Chancen und Zukunft für Tabak“.

In der anschließenden Diskussion wurde hervorgehoben, dass es keinen Sinn mache, sich innerhalb der Tabakfamilie mit Blick auf den Gesamtwirtschaftsnutzen zu entzweien. Vielmehr sei es sinnvoll, angesichts der zahlreichen regulatorischen Herausforderungen Interessenkompatibilitäten zu identifizieren und an diesen Stellen zu kooperieren. Dies sei – vor einem stabilen wirtschaftlichen Hintergrund – durchaus aussichtsreich. Seitens des BDTA wurde das Thema Branchentreff der Tabakverbände angesprochen und dabei die Frage der Teilnehmer, der Themenfokussierung und der Verzahnung der Verbändeaktivitäten gestellt.

(DTZ 21/10)

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