Bis der Umsatz sprudelt

Der Tabakfachhändler Michael Kegreiss setzt neben Single Malt Whisky nun auch auf Champagner

SPIRITUOSEN

[pic|79|l|||Die Leidenschaft wurde für den Fachhändler zum Beruf: Edle Tabake und feine Spirituosen gehören für Michael Kegreiss einfach zusammen.|||]

STUTTGART (DTZ/esa). „Brüder! Kommt geschwind. Ich trinke Sterne!“ soll Ende des 17. Jahrhunderts Dom Pérignon begeistert ausgerufen haben – der Benediktinermönch gilt als der Erfinder des Champagners. Tatsächlich setzte er aber alles daran, dass keine Bläschen in die Flasche kommen; für den Kellermeister der Abtei von Hautvillers waren sie nur eine unerwünschte Nebenerscheinung. Doch das tut der Legende und dem Champagner-Mythos keinen Abbruch: 2007 wurden weltweit 338 Mio. Flaschen Champagner verkauft und der Vorjahresrekord um drei Prozent gesteigert. Deutschland ist nach Frankreich, Großbritannien und den USA mit jährlich elf Millionen Flaschen viertgrößter Abnehmer.

Hier zu Lande scheint der edle Schaumwein immer mehr Genießer zu finden. Nicht als prestigeträchtige Luxusbrause für euphorisierte Anhänger der New Economy, wie es vor zehn Jahren der Fall war, sondern für Menschen, die den Wert eines außergewöhnlichen Naturproduktes zu schätzen wissen. Und wer versteht davon mehr als die Kunden eines Tabakfachgeschäftes? So ist seit kurzem das Schaufenster von Michael Kegreiss mit Champagner dekoriert. Vor zehn Jahren hat er seine privaten Leidenschaften zum Beruf gemacht und in der Stuttgarter Eberhardtstraße ein Fachgeschäft für Zigarren und schottischen Single Malt Whisky eröffnet. Die Gewichtung der beiden Genüsse gibt der Tabakfachhändler mit „50 : 50“ an – für ihn gehören sie einfach zusammen, jedenfalls in den 35 Quadratmetern seines Geschäftes.

Dort findet man im begehbaren Humidor eine große Auswahl edler Longfiller aller Provenienzen, und der Bestand des gälischen Lebenswassers hat sich mit den Jahren auf gut 300 Sorten erweitert. Immer tiefer konnte Kegreiss in die faszinierende Materie eindringen, sich spezialisieren und wichtige Kontakte knüpfen. Dabei kam der ehemalige Autohändler aus Ludwigsburg erst 1996, während eines England-Urlaubs, mit Single Malt Whisky in Kontakt: „Davor hatte ich nur Supermarktprodukte wie Chivas Regal gekannt“.

Doch das Aha-Erlebnis in einem Londoner Pub hinterließ weit reichende Spuren. Eines der Höhepunkte war 2006 die eigene Einzelfassabfüllung eines 25 Jahre alten „Highland Park“ – innerhalb kürzester Zeit waren die 120 Flaschen mit dem Etikett „The Masterplan Malts Vol. I“ vergriffen. Die Nummer 001 hatte sich Michael Kegreiss für besondere Anlässe gesichert.

Warum Whiskykenner so für Einzelfassabfüllungen schwärmen, hat einen entscheidenden Grund: So, wie Zigarrentabake von Ernte zu Ernte immer neu komponiert werden müssen, damit der Aficionado „seine“ Marke als solche geschmacklich wiedererkennt, werden in Whiskyfirmen verschiedene Single Malt-Fässer so miteinander verschnitten, damit beispielsweise ein 15 Jahre alter „Dalwhinnie“ immer seine typischen Heidekrautnoten und seine malzige Süße besitzt. Der Whiskyliebhaber erhält somit über die Jahre hinweg ein konstantes Produkt.

Der Kenner interessiert sich aber noch mehr für die einzelnen Fässer, deren unverschnittener Inhalt de facto ein Unikat ist. So gibt es unabhängige Abfüller (beispielsweise Signatory), die einer Destillerie wie etwa Macallan ein ganz bestimmtes Fass abkaufen, abfüllen und in dieser limitierten Auflage verkaufen. Doch mit den entsprechenden Kontakten kann auch ein Einzelhändler aus Deutschland solch eine Rarität im Fass erwerben. Das Ganze hat natürlich seinen Preis, und der Durchschnittskunde würde niemals 120 Euro für eine Flasche hinblättern, aber „meine Kunden sind mitgewachsen“, erklärt Kegreiss.

[pic|80|r|||Sein Schaufenster hat Michael Kegreiss mit erlesenen Champagnern dekoriert und mit schmucken Accessoires sowie einer antiken Karte der Champagne ergänzt.|||]

Neben den Premiumlongfillern im begehbaren Humidor sind die Whiskyspezialitäten zu einem festen Standbein seines Geschäftes geworden. Dafür hat er große Teile seines Zeitschriftenregals geopfert. Auch sonst investiert er viel Zeit in das „Wasser des Lebens“: Um immer auf dem neusten Stand zu sein, seien für ihn jedes Jahr im Herbst die „InterWhisky“ in Frankfurt und die „Whiskyship“ in Zürich wichtige Pflichttermine. Nur Schottland selbst ist für ihn passé: „Seit man in den Pubs nicht mehr rauchen darf, zieht es mich nicht mehr dort hin“, zeigt sich der 45-Jährige konsequent.

Im Gegensatz zum Whisky war dann der Weg zum Champagner weniger eine emotionale als eine rationale Entscheidung: „Viele der umliegenden Feinkostgeschäfte in der City sind verschwunden. Aber der Bedarf ist nach wie vor vorhanden.“ Zum edlen Schaumwein riet ihm auch Alexander Friedrich, ein befreundeter Tabakfachhändler in Ludwigsburg, der mit Champagner in den letzten Jahren sehr gute Erfahrungen gemacht hatte. Kegreiss’ erste Zwischenbilanz: „Es läuft gut an, ich bin selbst überrascht.“
Demnächst will er dann dem Beispiel seines Ludwigsburger Kollegen folgen und seinen Kunden zusätzlich bereits gekühlte Flaschen anbieten. Davon könnten allein schon die Hochzeitsgesellschaften des nahen Standesamtes profitieren.

Neben allseits bekannten Champagnermarken wie „Veuve Clicquot“ und „Moët & Chandon“ setzt der Einzelhändler vor allem auf so genannte Winzerchampagner, den Marken kleinerer Hersteller. Sein eindringlichster Rat: „Du musst immer Vielfalt zeigen – mit nur zwei Flaschen kannst du nichts anfangen!“ Die meisten Informationen über Champagner erhält er über Fachliteratur, verschiedene Tastings und über seine Großhändler. Michael Kegreiss weiß, dass fundierte Fachkenntnisse die Basis für den Verkauf hochwertiger Genussmittel sind; deshalb ist auch ein Besuch der Herkunftsregion, der Champagne, geplant. Außerdem könne er dort mit den Winzern direkt in Kontakt treten, um eventuell in der Zukunft für ein kleines Haus den Deutschland-Import zu übernehmen.

Halbe Sachen scheint es für den Stuttgarter Einzelhändler jedenfalls nicht zu geben, wenn er sich für eine Sache engagiert, dann richtig. Nur schade, dass solcher Enthusiasmus manchmal von außen gebremst wird: Tastings veranstaltet Kegreiss nur noch auf Firmenbuchung. „Für meine Kunden fehlen mir einfach die passenden Räumlichkeiten“, argumentiert der Schwabe. Denn Verkostungen würde er immer in Verbindung mit der Zigarre durchführen und das sei in der Gastronomie einfach nicht mehr realisierbar: „Finden Sie mal etwas, wo man eine Verkostung mit Zigarre machen kann, ohne dass der Wirt durchdreht.“ In den letzten Jahren habe sich die steile Erfolgskurve der Zigarre ja etwas abgeschwächt, doch die Aficionados, die der Handgerollten weiterhin die Treue hielten, besäßen ein ausgesprochenes Qualitätsempfinden und seien häufig offen für Neues.

Durch den Champagner hätte sich für ihn ein ganz neuer Kundenkreis erschlossen, zumal die Partnerin eines Whiskykunden nun auch nicht mehr mit leeren Händen den Laden verlassen muss. Dabei könne man ein so ausgewähltes Produkt wie Champagner nur über eine gezielte Ansprache des Kunden bewerben, so Kegreiss. „Dann lässt er sich irgendwann auch an einen exklusiven Jahrgangschampagner heranführen“, sagt der Stuttgarter Händler. „Doch inwieweit das Thema Champagner für uns ein Erfolg wird, kann ich erst nach Weihnachten beurteilen“, schätzt Michael Kegreiss und ergänzt lachend: „Im schlimmsten Fall können wir ihn immer noch selbst trinken!“

(DTZ 34/08)

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