Lotto über Happy Tipp-Automaten – ein ruinöses Geschäftsmodell?

So mancher kleine Einzelhändler fühlt sich über den Tisch gezogen

OBERHACHING (DTZ/red). Die Stimmung hätte ausgelassener nicht sein können. Anlässlich eines Festakts im Düsseldorfer Meilenwerk wurde die Happy Tipp Service GmbH, Oberhaching, am 4. Juli 2008 zu den Top 100 innovativsten Unternehmen im deutschen Mittelstand gekürt. Zu Unrecht, wie viele Happy Tipp-Vertragsparnter meinen.

Die Geschäftsidee dahinter scheint auf den ersten Blick ebenso simpel wie beeindruckend zu sein. Zumindest für ihn, den Happy Tipp-Geschäftsführer André Schneider. Denn der meldete vor einiger Zeit beim Deutschen Patent- und Markenamt die Marke „Lotto 2.0“ an. Seine Shop in Shop-Lösung, ein kleiner roter Lottoautomat, soll nun die interessierte Kundschaft anlocken. Dieses Lottoterminal bietet Schneider bundesweit kleineren Einzelhändlern im Leasingverfahren an, die dann als gewerbliche Spielvermittler das staatliche Lotto 6 aus 49 verkaufen sollen.

Schillernde Farben und harte Fakten
In schillernden Farben werden die Zusatzverdienstmöglichkeiten in den bunten Werbeprospekten gepriesen. „Ihre Investition beträgt in den ersten 30 Monaten lediglich 182,00 Euro pro Monat“, heißt es da. Und weiter: „…Das Umsatzpotenzial einer mittleren Annahmestelle zugrunde gelegt, erreichen Sie nach Ablauf der 30 Monate Leasingzeit sogar die Marke von 2 000 Euro Gewinn pro Monat“. Doch Ernüchterung macht sich breit bei den kleinen Einzelhändlern, die mit viel Hoffnung auf Zusatzgewinne die langjährigen Leasingverträge mit Happy Tipp abschlossen. Zum einen steht juristischer Ärger ins Haus. Denn Happy Tipp verfügt in den Bundesländern gar nicht über die erforderliche Erlaubnis, als gewerblicher Spielvermittler tätig zu werden. Und auch die an die Vertragspartner verteilten Werbematerialien verstoßen in wesentlichen Teilen gegen das Gesetz. Gleiches gilt für die gesetzlich vorgesehenen Pflichthinweise, mit denen die Kunden über die Gefahren des Glücksspiels aufgeklärt werden müssen. Ein Urteil des Landgerichts Kassel vom 30. April 2008 untersagte außerdem die Bewerbung mit dem 5 Euro-Bonus für Neukunden. Den Rechtsstreit haben natürlich die Filialen „am Hals“, denn bei ihnen steht der Automat. Und die haben wegen des eindeutigen Rechtsverstoßes keine Chance.

Zum anderen lassen auch die versprochenen Umsätze auf sich warten. Eine Happy Tipp Filiale muss zwei Verträge schließen. Der Vermittlungsvertrag mit Happy Tipp bringt pro Einzelspielauftrag 6,13 Prozent Provision inklusive Mehrwertsteuer. Der zweite, der Leasingvertrag mit der Deutschen Leasing Information Technology GmbH, kostet eine monatliche Leasingrate von rund 200 Euro. Peter M. (Name von der Redaktion geändert), Vertragspartner von Happy Tipp: „Ich müsste ja mindestens 3900 Euro Umsatz im Monat machen, um überhaupt meine Kosten aus den Leasingraten decken zu können. Aber mehr als 200 Euro Umsatz habe ich nie eingenommen. Außerdem erhalte ich seit Monaten nun schon keine Provisionszahlungen von Happy Tipp mehr, so dass ich jetzt den Vertrag kündigen werde. Die Kunden beschweren sich bei mir, dass die Gewinne nicht oder nur mit großer zeitlicher Verzögerung überhaupt ausgezahlt werden.

Das ist geschäftsschädigend für mich, obwohl ich eigentlich gar nichts dafür kann.“ Um die im Werbematerial angekündigten 2000 Euro Gewinn aus den Provisionen erzielen zu können, wäre ein monatlicher Umsatz in Höhe von etwa 39000 Euro notwendig. Offensichtlich ist dies weit von der Realität entfernt, wie auch ein intimer Kenner von Happy Tipp berichten kann. Andreas M. (Name von der Redaktion geändert) rät Happy Tipp-Filialen, die Verträge schnellstmöglich wieder zu kündigen. Er ist überzeugt, dass bei diesem Geschäftsmodell allein die Leasinggebühren auf Kosten der Einzelhändler das Geld bringen sollen. „Da geht es nicht um Lotto, sondern allein darum, möglichst viele Leasingverträge für die Terminals abzuschließen“, sagt er.

Hilfe im Internet
Im Internetforum für Lotto-Annahmestellen

([linkn|http://www.annahmestelle.net]www.annahmestelle.net[/link])

diskutieren Happy Tipp-Filialen, wie sie sich aus den Verträgen wieder lösen können. Dort heißt es von einem Vertragspartner: „Gestern war ich bei einem anderen Happy Tipp Geschäft in unserer Nähe, das mittlerweile auch nur noch per Anwalt mit Happy Tipp kommuniziert. Ich suche nun Leute, denen es genauso geht, die auch auf Happy Tipp reingefallen sind und die nun aus dem Vertrag raus wollen.“ Viele kleine Einzelhändler sehen sich getäuscht und stehen durch die laufenden Leasingraten vor dem wirtschaftlichen Aus. Anstatt sich mit diesen grundsätzlichen Problemen bei ihren Vertragspartnern auseinander zu setzen, mahnt Happy Tipp derzeit lieber die Konkurrenz, also staatliche Lotteriegesellschaften und ihre Verkaufsstellen, wegen vermeintlicher Verstöße gegen den Glücksspielstaatsvertrag ab. Dies freilich, ohne sich selbst an die abgemahnten gesetzlichen Vorgaben zu halten. (DTZ 30/08)

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