Ermuri Vorstandsvorsitzender Rainer Iwohn: Tabakwarenhandel ist in eine gefährliche Situation geraten
DRESDEN (DTZ/da). „Die Politiker können sich freuen“, meinte Ermuri-Vorstandsvorsitzender Rainer Iwohn (Bild) mit einem leicht süffisanten Unterton auf der Ermuri-Jahrestagung 2008, die vom 23. bis 26. Mai in Dresden stattfand. Dort zeichnete er vor rund 160 Tagungsteilnehmern ein Bild, das den Staat als eigentlichen Gewinner sieht, während der Fachhandel, insbesondere der Tabakwaren-Facheinzelhandel und -Fachgroßhandel auf der Verliererseite steht.
[br*000039.JPG**] „Die Arbeitslosenzahl geht zurück, der Export marschiert und die Wirtschaft brummt. Die Steuereinnahmen sprudeln wie lange nicht mehr. Die Mehrwertsteuer scheint verkraftet. Nur die Tabaksteuer will nicht so richtig“, erklärte Iwohn, der bei näherem Hinsehen noch einige weitere „Schönheitsfehler“ ausmachen konnte. So ließen sich etwa bei der Konsumentwicklung deutlich einschränkende Bemerkungen machen. Der Pro-Kopf-Verbrauch der privaten Haushalte steige zwar nominal, sei real aber rückläufig, was letztlich Konsumverzicht heiße. Und der Anteil des Fachhandels an den privaten Konsumausgaben zeige nach unten. Dass die Tabakbranche, wie schon in den Vorjahren, an der privaten Gesamtentwicklung nicht partizipiere, sei auch an den Ausgaben für Tabakwaren im 1. Quartal 2008 klar erkennbar. Diese seien um 8,2 Prozent zurückgegangen.
Für die Negativentwicklung machte der Ermuri-Vorstandsvorsitzende verschiedene Faktoren verantwortlich. Neben der allgemeinen Kaufzurückhaltung aufgrund steigender Energiepreise und höherer Steuer- und Abgabenlasten nannte er die Antitabakpolitik, zu der auch die Medien einen beachtlichen Teil beitragen würden, die verschärften Jugendschutzgesetze, die Rauchverbote in der Gastronomie und last but not least den Schmuggel und die Jedermann-Einfuhren aus dem steuergünstigeren Ausland.
Es geht an die Substanz
„Von der schlechten Entwicklung sind Industrie, Großhandel und Facheinzelhandel gleichermaßen betroffen. Der Ertragsverlust trifft alle in der Branche und hat auf Großhandelsebene einen ruinösen Wettbewerb ausgelöst. Am stärksten leidet jedoch der Facheinzelhandel, zumal auch die beiden anderen Standbeine, Lotto und Presse, erhebliche Blessuren haben hinnehmen müssen. Er ist in eine gefährliche Situation geraten, die an der Substanz nagt“, so Iwohn, nach dessen Einschätzung das Ende der Talfahrt noch nicht erreicht ist. Dies unterstreiche auch eine Schätzung der Industrie, wonach bis 2010 zirka 22 Prozent der Tabakwareneinzelhändler (inklusive kioskähnliche Geschäfte) aufgeben werden.Weitere dunkle Wolken würden aus Brüssel heranziehen, wo unter dem Thema „Rauchfreies Europa“ über neue Regulierungen und Strangulierungen des Tabakmarktes diskutiert werde. An angedachten zukünftigen Restriktionen erwähnte Iwohn u. a. ein Verbot von Tabakkonsum in Gegenwart von Minderjährigen in privaten Verkehrsmitteln, Warnhinweise in Bildform und die Einführung einer Inflationssicherung bei der Tabaksteuer, was praktisch jährliche Erhöhungen nach sich ziehen würde.
Und auch die deutschen Politiker würden bei der Anti-Tabakpolitik kräftig mitmischen. So möchte der SPD-Politiker Peter Friedrich für Feinschnitt und Pfeifentabak die Höhe der Steuerbelastung auf hundert Prozent der Steuer auf Zigaretten anheben. Die SPD-Politikerin und Drogenbeauftragte Sabine Bätzing mache sich u. a. stark für weitere Werbebeschränkungen, ein Verbot von Zigarettenautomaten und eine Abgabe zur Suchtbekämpfung. „Und der SPD-Politiker Karl Lauterbach möchte am liebsten den Tabakgenuss ganz verbieten, so mein Eindruck“, sagte Iwohn weiter. Unmittelbar bevorstehend sei die Erhöhung der Tabaksteuer für Feinschnitt. Im Gespräch seien 70 Prozent vom Niveau der Zigarettensteuer, was eine massive Erhöhung der Kleinverkaufspreise auf Feinschnitt nach sich ziehen würde. „Hoffen wir, dass es nicht so extrem kommt!“
Immerhin würden die Finanzpolitiker ein bisschen zur Vorsicht neigen aufgrund der Entwicklung der Tabaksteuer nach dem letzten „großen Schluck aus der Pulle“. Iwohn: „Eine gewisse Lernbereitschaft scheint in Berlin erkennbar.“ Dieses habe aber vermutlich nur mittelfristig Bedeutung, denn die Sektierer in Brüssel würden nicht locker lassen. EU-Recht breche nun einmal Länderrecht, sofern es mit der deutschen Verfassung vereinbar sei. In Brüssel stehe Harmonisierungsbedarf stets im Fokus der EU-Politiker, wobei man sich natürlich an den höchsten Steuersätzen, wie zum Beispiel in England orientiere.
„In dieser Angelegenheit haben wir leider nicht die öffentliche Meinung auf unserer Seite, zumal die Politiker, die Medien und die Anti-Raucher-Lobby immer noch mit nicht nachgewiesenen bzw. objektiv falschen Statistiken Meinungsmache betreiben“, konstatierte Iwohn. Aus all dem schloss er, dass es allerhöchste Zeit sei, sich gegen die ausufernde Verbotspolitik zur Wehr zu setzen. „Es muss etwas geschehen“, sagte Iwohn und stellte fest: „Es geschieht auch etwas: Wirte demonstrieren auf der Straße, Brauer machen mobil, Gastronome klagen vor dem Bundesverfassungsgericht.“ Im Internet hätten sich viele Initiativen bis hin zur Parteigründung entwickelt. Und in Holland habe sich eine „internationale Koalition gegen Prohibition“ gebildet, wozu auch das deutsche „Netzwerk Rauchen“ zähle. Innerhalb der Branche habe sich insbesondere die Organisation „MUT“ (Mittelständische Unternehmen der Tabakbranche“), zu deren Mitbegründern die Ermuri gehöre, den Widerstand gegen die Bevormundung des Tabakgenusses auf die Fahnen geschrieben.
Die Ermuri selbst habe in Sachen Widerstand gegen die ausufernde Verbotspolitik ihre Öffentlichkeitsarbeit fortgesetzt, zum Beispiel mit dem „Genussverstärker“, und ist auf politischer Ebene aktiv geworden. Iwohn zählte dazu u. a. folgende Punkte auf: Wahlunterstützung der hessischen Mitglieder durch Plakate und Handzettel mit der Aufforderung: „Wählt den Wirt – und nicht den Koch, Zweitstimme für die FDP“.
Intervention beim nordrhein-westfälischen Landtag, Luftreinigungsgeräte in Kneipen gesetzlich zuzulassen. Neuste Presseinfo dazu: Ab 1. Juli 2008 darf in Ein-Raum-Kneipen geraucht werden, wenn eine Anlage zur Luftreinigung eingebaut wird.
Vor dem Hintergrund der deutlich schlechteren Rahmenbedingungen für die Branche kommt der Ermuri-Vorstandsvorsitzende zu dem Schluss, dass Tabakwareneinzelhändler ihre Geschäfte als „Genussportale“ aufstellen sollten, in dem aber Tabakwaren immer noch als dominierender Bestandteil geführt werde. Die Ermuri hat dazu verschiedene Verkaufskonzepte entwickelt, die von Ermuri-Vorstand Manfred Kröger auf der Jahrestagung näher vorgestellt wurden (siehe Seite 4).
An Aktivitäten der Ermuri im laufenden Kalenderjahr zählte Rainer Iwohn u. a. folgende Punkte auf: Gemeinsame Wahlhilfe mit MUT für die FDP zur bayerischen Landtagswahl. Verzicht auf die Messe Tabaktreff Süd in Würzburg-Estenfeld und stattdessen Konzentration auf die Inter-tabac in Dortmund, wo die Ermuri-Verkaufskonzepte in den Vordergrund gerückt werden sollen. Beim Auslandsgeschäft zeigte die Ermuri nach Iwohns Angaben mit ihren Partnern bzw. Mitgliedern insgesamt eine gute Entwicklung. Die Ermuri Händlervereinigung Polen habe jetzt endlich (nach drei Jahren) als Verein eingetragen werden können.
Mit einem russischen Partner habe man ebenfalls Geschäftsbeziehungen aufgenommen, beabsichtige dort aber zunächst einmal keine Händlervereinigung zu gründen.
Im Rahmen der Regularien wurde den Vorständen und Aufsichtsräten Entlastung erteilt. Personelle Veränderungen gab es in den Gremien der Ermuri. Siegfried Wagner, Aufsichtsratsvorsitzender des Ermuri Einkaufsverbandes, gab sein Amt aus Altersgründen auf. Sein Nachfolger ist Dirk Quade (siehe auch Seite 4). Neu in den Aufsichtsrat gewählt wurden Anke Heck und Diethard Scheit. Oliver Fries hat sein Aufsichtsratsmandat niedergelegt und wurde neu in den Vorstand der Ermuri Händlervereinigung gewählt. Aus deren Vorstand verabschiedet hat sich Bernhard Link, bleibt aber Beiratsmitglied der Händlervereinigung.
Bei der anschließenden Diskussion kam aus dem Kreis der Tagungsteilnehmer die Empfehlung, sich stärker von unten gegen die Anti-Tabakpolitik zu wehren und sich als Fachhändler an die Landtags-, Bundestags- und Europapolitiker in seinem jeweiligen Wahlbezirk zu wenden und diese auf die Negativfolgen der Verbotspolitik aufmerksam zu machen.Eine weitere Anregung war, einen Sticker mit einem „R“ und einer Zigarette zu schaffen und diesen Anstecker in großer Zahl über den Fachhandel an Kunden zu verteilen.Von Nöten sei auch ein Verkaufskonzept für Menschen mit wenig Geld in der Tasche, damit der Fachhandel diese Konsumenten nicht vollends an Aldi, Lidl und Co. verliere.
Köln ist der nächste Tagungsort
Wie in den Vorjahren auch, wurde das Ermuri-Jahrestreffen wieder von einem umfangreichen Rahmenprogramm begleitet. Dabei spannte sich der Bogen von einer Stadtrundfahrt durch Dresden über eine lustige Dampferfahrt auf der Elbe und einem Besuch der Semperoper bis hin zu einem Ausflug in die „Sächsische Schweiz“.
Als Veranstaltungsort für die Ermuri-Jahrestagung 2009 ist Köln vorgesehen. Dazu stellten die Ermurianer Oliver Fries und Heinz Coenen die Vorzüge des künftigen Tagungsortes in launigen Worten vor. Nicht weit von der Dresdner Frauenkirche entfernt fand die Ermuri Jahrestagung statt.
(DTZ 22/08)
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