Berlin // Nachdem am 19. Mai 2014 die neue EU-Tabakproduktrichtlinie (TPD) in Kraft getreten ist, geht es jetzt an die Umsetzung. Die Politik muss innerhalb von zwei Jahren die Vorgaben der TPD in deutsches Recht umgesetzt haben. Dieselbe Frist gilt für die Hersteller, die bis zum Stichtag 20. Mai 2016 ihre komplette Produktion umstellen und ab diesem Zeitpunkt nach den neuen Bestimmungen produzieren müssen.
Angesichts der Komplexität der TPD und der noch offenen Umsetzungsfragen kommt die fristgerechte Produktionsumstellung einer Herkulesaufgabe gleich.
Vorbereitung auf die TPD
„Die Tabakindustrie ist, unabhängig von ihrer grundsätzlichen Kritik an der TPD – die unserer Auffassung nach weder dem Binnenmarkt förderlich ist noch dem Gesundheitsschutz dient – willens, unverzüglich mit den Vorbereitungen der Produktionsumstellung zu beginnen, um zum vorgegebenen Stichtag richtlinien- und gesetzeskonform zu sein. Zwingende Voraussetzung dafür ist aber, dass die noch offenen Umsetzungsfragen von der EU-Kommission im Wege von Durchführungsrechtsakten schnellstmöglich geregelt werden“, sagt dazu Jan Mücke, Geschäftsführer des Deutschen Zigarettenverbandes (DZV).
Dies betrifft beispielsweise die Vorgaben zu Gestaltung und Aufmachung der neuen Text- und Bildwarnhinweise auf der Vorder- und Rückseite der Packungen sowie die Vorgaben zur Anbringung der Warnhinweise auf Beuteln für Tabak zum Selberdrehen. Diese Vorgaben werden von den Herstellern zur Anpassung und Umrüstung der entsprechenden Druck- und Verpackungsmaschinerie benötigt.
Anfang Dezember hat die Kommission ihren Zeitplan für den Erlass der notwendigen EU-Durchführungsbestimmungen bekanntgegeben. Danach ist mit deren Erlass frühestens im vierten Quartal 2015 zu rechnen. Für die Entwicklung der neuen Maschinenelemente, die Installation in den Produktionsstätten sowie das Anfahren und Austesten auf den jeweiligen Produktionslinien brauchen die Hersteller aber eine angemessene Vorlaufzeit.
Mindestvorlaufzeit: 18 Monate
„Wir gehen von technisch bedingten Mindestvorlaufzeiten in der Branche von 18 Monaten für Feinschnitt und von zwölf Monaten für Zigaretten aus, zumal alle Produktionslinien EU-weit zum Stichtag 20. Mai 2016 umgerüstet sein müssen. Wer solch unrealistische zeitliche Vorgaben wie die EU-Kommission macht, scheint noch nie eine Fabrik von innen gesehen zu haben“, erklärt Jan Mücke.
Bereits heute zeichnet sich somit ab, dass den Herstellern eine rechtzeitige Umstellung ihrer Produktion nicht möglich sein wird. Auch die Planungen des in Deutschland für die Umsetzung federführend zuständigen Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) dürften damit Makulatur sein. Die Bundesregierung hat der Industrie versichert, dass sie sich in Brüssel dafür einsetzen wird, dass die Voraussetzungen für eine zügige Umsetzung geschaffen werden, so dass den Herstellern ausreichend Zeit bleibt, ihre Produktion an die neuen gesetzlichen Bestimmungen anzupassen. Allerdings kann der deutsche Gesetzgeber erst dann vollständig umsetzen, wenn die fehlenden EU-Rechtsakte vorliegen.
Industrie braucht Rechtssicherheit
Die Verabschiedung eines neuen Tabakgesetzes, das nach den Vorstellungen des BMEL erst im März des Jahres 2016 im Bundesgesetzblatt verkündet werden soll, käme eindeutig zu spät.
Dazu stellt Jan Mücke fest: „Die Industrie benötigt jetzt zeitnah Rechtssicherheit, um zum Stichtag 20.5.2016 einen reibungslosen Übergang in der Produktion hinzubekommen. Kein Unternehmensvorstand wird Investitionen in Millionenhöhe freigeben, solange nicht die rechtlichen Rahmenbedingungen eindeutig feststehen. Ich appelliere an die EU-Kommission und die Bundesregierung, alle Anstrengungen zu unternehmen, damit den Herstellern eine fristgerechte und vollständige Umstellung ihrer Produktion ermöglicht wird.“
Zugleich fordert Mücke eine angemessene Beteiligung der betroffenen Industrie am weiteren Umsetzungsprozess auf Brüsseler und nationaler Ebene ein. „Angesichts des operativen Erfüllungsaufwands kann eine operable und rechtzeitige Umsetzung der TPD nur gelingen, wenn nicht über die Köpfe der Branche hinwegentschieden wird, sondern eine fachliche Zusammenarbeit mit uns gesucht wird. Wir stehen der Bundesregierung, insbesondere dem federführenden BMEL, jederzeit mit unserer Expertise zu Verfügung“, so Jan Mücke.
Wie sinnvoll sind die Maßnahmen?
Dies gilt auch bei einem weiteren Thema: der Einführung von Track&Trace (T&T) in der Lieferkette. Hier verlangt die TPD, dass bis 20. Mai 2019 für Zigaretten und Feinschnitttabake entsprechende Systeme aufgebaut werden, damit alle Warenbewegungen in der legalen Lieferkette anhand eines individuellen Erkennungsmerkmals auf der Einzelverpackung erfasst und verfolgt werden können.
„Die Sinnhaftigkeit eines solchen Ansatzes zur Schmuggelbekämpfung muss grundsätzlich in Frage gestellt werden. Den Schmuggel aus Nicht-EU-Ländern, der außerhalb der legalen Lieferkette stattfindet, wird man dadurch nicht bekämpfen können. Keine einzige Schmuggelzigarette weniger wird es deshalb in Deutschland geben. Denn illegale Produzenten und Schmuggelhändler entziehen sich naturgemäß einer Kontrolle. Stattdessen werden den legalen Herstellern und Händlern unverhältnismäßige Lasten und Kosten aufgebürdet“, beurteilt Jan Mücke die neuen Regelungen.
Partner rechtzeitig einbinden
Damit eine Rückverfolgbarkeit bis auf Einzelpackungsebene nicht an der immensen Datenflut von Billionen von Datensätzen scheitert, ist Sachverstand von Experten gefragt. Eine operable Umsetzung setzt Fachkenntnisse auf den Gebieten des Supply Chain Management, der IT-Technologie und der Besteuerungsverfahren für Tabakerzeugnisse voraus. Die Industrie sollte – wie die Erfahrungen auf europäischer Ebene mit komplexen IT-Projekten wie EMCS oder ATLAS gezeigt haben – frühzeitig in die Beratungen einbezogen werden.
Wie die technischen Standards und Kernelemente für die Inbetriebnahme des Track & Trace-Systems aussehen sollen, steht bislang noch in den Sternen. Jan Mücke fordert: „ Warenerfassung, Datenübermittlung und -speicherung müssen auf offenen Standards beruhen, damit eine Interoperabilität mit bereits in der Tabakindustrie eingesetzten T&T-Systemen gewährleistet ist. Nur elektronische Systeme basierend auf Packungscodierung garantieren eine sichere und verlässliche Lösung zur Kontrolle der Lieferkette. Sie könnten zukünftig auch für Zwecke der digitalen Steuererhebung sowie zur Produktauthentifizierung eingesetzt werden.“
Knapper Zeitplan
Die EU-Kommission hat angekündigt, dass die entsprechenden Durchführungsbestimmungen erst im 2. Quartal 2017 zu erwarten sind. „Dann wird es wirklich knapp“, befürchtet Jan Mücke, „denn ein solches Großprojekt lässt sich ohne langfristige Planungssicherheit nicht von heute auf morgen umsetzen, insbesondere nicht für die kleinen und mittleren Hersteller und Händler. Auch bei diesem Thema sollte sich die Bundesregierung gegenüber der Kommission für eine zügige Ausarbeitung der Durchführungsbestimmungen einsetzen.“
red
(DTZ 04/15)