Schlagwort: Bundesdruckerei

  • Kein normales Verfahren

    MAINZ // Das System zur Rückverfolgbarkeit von Zigaretten und Feinschnitt ist gestartet. Seit 10. Mai läuft die Registrierung und werden die Codes vergeben. Ab 20. Mai muss EU-weit jede Zigarettenschachtel lückenlos zurück zu verfolgen sein. Ein Mammutprojekt, das im Vorfeld nicht nur wegen des straffen Zeitplans harsche Kritik hervorgerufen hat. Waren die Befürchtungen gerechtfertigt?

    Die nette Frauenstimme am anderen Ende der Leitung lässt dem Anrufer zwei Optionen offen: „Wenn Sie Hersteller, Importeur oder Großhändler sind, drücken Sie die 1. Sind Sie eine Verkaufsstelle, drücken Sie die 2.“ Doch gleichgültig, welche Ziffer man drückt, der Anrufer landet in der Warteschleife. Wer die Service-Hotline 0 30 / 25 98 40 44 der Bundesdruckerei wählt, muss in diesen Tagen Geduld mitbringen. Fragen zur Track & Trace (T & T), Codes oder den Abläufen im Allgemeinen beantwortet ein Help-Desk (deutsch: eine Beratungsstelle) telefonisch oder per E-Mail, verspricht das Staatsunternehmen auf seiner [link|https://www.bundesdruckerei.de/de/Rueckverfolgungssystem-fuer-Tabakwaren]Homepage[/link].

    Industrie ist vorbereitet
    Keine Frage, für eine erste umfangreiche Bestandsaufnahme ist es noch zu früh. Die Mehrheit der Teilnehmer in Industrie und Großhandel haben laut DTZ ihre Hausaufgaben gemacht und sind im Zeitplan. Der Erwartungsdruck ist dennoch immens. „So etwas habe wir noch nicht erlebt“, sagt ein Insider gegenüber DTZ. Die Gründe liegen auf der Hand. „Die späte Anpassung auf die finale Datenstruktur – in Verbindung mit dem Starttermin zur Registrierung bei der Bundesdruckerei erst zum 10. Mai – zeigen die große Herausforderung für Industrie und Handel“, kritisiert ein Hersteller. Das geschehe unter äußerst schwierigen Rahmenbedingungen, ärgert sich ein anderer Branchenteilnehmer. „Die zuversichtliche Auffassung des Bundesministeriums für Landwirtschaft und Ernährung (BMEL) in Bezug einer fristgerechten Umsetzung können wir nicht nachvollziehen“, spottet ein Industriemanager. Man arbeite aktuell überall mit Hochdruck. „Das ist sehr zeitaufwendig, binde viele Ressourcen und ist außerdem sehr kostenintensiv.“


    Appell an den Handel

    Die Umsetzung der EU-Richtlinie fordert alle Beteiligten bis zum Äußersten. Daher auch der Appell an den Handel: Wer es bisher noch nicht getan hat, sollte so schnell wie möglich seine IDs (EOID und FID) beantragen und an die Hersteller melden. Denn wenn der Überbrückungszeitraum abgeschlossen ist und nur noch neue T & T-konforme Ware produziert wird, benötigen die Produzenten diese IDs. Ohne diese Codes darf keine Ware ausgeliefert werden.

    Großhändler und Einkaufsgenossenschaften haben dem Handel ihre Unterstützung, die Codes zu beantragen, angeboten – vorausgesetzt, es liegen die notwendigen Einverständniserklärungen vor.

    EU-Datenbank gefordert
    Das System ist auf Kante genäht, aber die Branche krempelt sprichwörtlich die Ärmel hoch. Doch das Problem sehen viele woanders. „Wir hören, dass es an der Kommunikation mit Dentsu Aegis hackt“, sagt Jan Mücke, Geschäftsführer des Deutschen Zigarettenverbandes (DZV). An den Betreiber der EU-Masterdatenbank (Secondary Repository) müssen alle Daten gemeldet werden. Aber auch Dentsu Aegis ist erst seit 10. Mai am Start. „Das System war von Anfang an viel zu ambitioniert“, so Mücke. „Die Bundesdruckerei wollte ursprünglich mindestens sechs Wochen vor dem 20. Mai mit der Registrierung beginnen und bereits vor dem offiziellen Termin Codes vergeben, ist aber genauso wie die Hersteller und der Handel von dem rechtzeitigen Funktionieren der technischen Schnittstellen des EU-weiten Datenbankbetreibers abhängig.“ Abgesehen davon stellen sich die gleichen Probleme nicht nur für Deutschland, sondern auch für alle anderen EU-Staaten. „Ich bin zuversichtlich, dass wir es schaffen – aber ein normales Verfahren ist das nicht“, betont der DZV-Geschäftsführer.

    Bei der Bundesdruckerei (BDr) in Berlin ist man dagegen optimistisch. Alles laufe nach Plan: Dentsu Aegis, der Betreiber der zentralen EU-weiten Datenbank, „hat planmäßig am 10. Mai seinen Betrieb gestartet und nimmt die Meldungen der Daten von den Wirtschaftsteilnehmern und den Ausgabestellen der Mitgliedsstaaten entgegen“, betont eine BDr-Sprecherin. In Berlin habe man wie geplant die Tätigkeit als Ausgabestelle im Sinne der Durchführungsverordnung EU 2018 / 574 aufgenommen, heißt es. Seit dem 10. Mai habe sich ein Großteil der Wirtschaftsteilnehmer aus Industrie und Handel erfolgreich bei der Bundesdruckerei registriert.

    „Das Feedback der Wirtschaftsteilnehmer nach den ersten Tagen des Go-Live-Betriebes (deutsch: Start) ist positiv“, informiert die Sprecherin der Bundesdruckerei.

    kes

    (DTZ 21/19)

  • Im Strudel der Bürokratie

    MAINZ // In knapp drei Wochen ist es soweit: Dann läuft die Frist für die Einführung eines EU-weiten elektronischen Rückverfolgungssystems, kurz Track & Trace (T & T), ab. Wer am 20. Mai seine Hausaufgaben nicht gemacht hat, läuft Gefahr aus der Lieferkette herauszufallen.

    Das Thema betrifft nicht nur Industrie und Handel, sondern auch die 28 EU-Mitgliedsstaaten im Besonderen: „Verzögert sich der T&T-Zeitplan bei einem oder mehreren Mitgliedern, ist die Funktionalität des gesamten Projekts in Gefahr und die Ware kann die Landesgrenzen nicht passieren. Nehmen Sie einen Hersteller in Polen, der den Auftrag eines deutschen Großhändlers erhält“, erläutert ein Brancheninsider gegenüber dem Netzportal Euractiv: „Vorausgesetzt, dass das T&T-System in Deutschland erfolgreich installiert ist, muss die Ware durch Tschechien nach Deutschland transportiert werden. Ist Tschechien nicht kompatibel mit dem System, kann die Ware den Hersteller nicht verlassen. Die Lieferkette wird in diesem Fall zum Erliegen kommen und den Binnenmarkt stören.“ Vor diesem Hintergrund würden die EU-Mitglieder nicht nur Steuergelder aus dem Verkauf der Tabakwaren verlieren, sondern die Konsumenten würden sich verstärkt im illegalen Tabakhandel versorgen.

    Faktenlage lange klar
    Dabei liegen die Fakten schon seit April 2014 auf dem Tisch und spätestens mit der Umsetzung der TPD 2 im Mai 2016 tickt in Deutschland die Uhr: Ab dem Stichtag dürfen Zigaretten- und Feinschnittpackungen nur noch mit einem individuellen Verpackungscode, dem Unique Identifier (UI), und einem fälschungssicheren Sicherheitsmerkmal hergestellt werden. Jeder Standort, jedes Lager, jedes Geschäft, jeder Kiosk und jeder Automat muss darüber hinaus über einen Facility Identifier (FID) identifiziert werden können.

    Jeder, der mit Tabak handelt, ob Hersteller oder Händler, muss sich als Economic Operator außerdem mit einer Economic Operator ID (EOID) registrieren lassen. Das sind allein in Deutschland rund 90  000 Händler mit bis zu 400  000 Standorten. In Deutschland übernimmt die Bundesdruckerei die Rolle der zentralen Ausgabestelle der Codes. Die Händler müssen aber nicht nur bei der Bundesdruckerei registriert sein, sondern auch in die IT-Systeme der Hersteller und Großhändler eingepflegt werden. Das kostet Zeit.

    Packungen, die vor dem 20. Mai hergestellt wurden, können noch bis Mai 2020 verkauft werden. Für alle anderen Tabakerzeugnisse wie Pfeifentabak, Zigarren sowie E-Zigaretten-Liquids oder Tabaksticks für Tabakerhitzer – auch mit Nikotin – gilt die Regelung erst ab dem 20. Mai 2024.

    Das System schien gut aufgestellt – zumindest auf dem Papier. Wie sich jetzt zeigt, hinkt es in der Praxis weit hinterher. Industrie und Handel reagieren mit massiver Kritik. Neben der Tabakbranche geht auch der Lebensmittelhandel auf die Barrikaden.

    Rolle der Bundesdruckerei
    Erst am 12. April hat der Bundestag dem Gesetzgebungsvorschlag des Bundestages zugestimmt. Laut Mitteilung des Bundesrates soll das System den Behörden zeitnah zur Verfügung stehen. Ein konkreter Zeitpunkt wurde nicht genannt. In Deutschland habe es im Vorfeld viele Unklarheiten zwischen dem Bund und den Ländern gegeben, was die Zuständigkeit der Überwachungsbehörden betreffe, sagt die EU-Abgeordnete Renate Sommer (CDU) auf DTZ-Anfrage. In diesem Zusammenhang wird auch die Rolle der Bundesdruckerei hinterfragt. Diese hat sich vom ursprünglichen Zeitplan verabschiedet: Statt im April werden die Codes erst ab 10. Mai ausgegeben. Und erst dann lässt sich auch testen, ob das System überhaupt funktioniert.

    „Diese kurze Umsetzungszeit sorgt natürlich für Unsicherheit bei den Herstellern“, sagt Sommer: „Nach wie vor gibt es große Unsicherheiten entlang der Lieferkette, insbesondere bei kleinen und mittelständischen Unternehmen. Die Frage ist nämlich, ob und wie diese Unternehmen ab dem Stichtag ihrem geregelten Betrieb überhaupt weiter nachgehen können.“

    Ähnlich kritisch beobachtet der Deutsche Zigarettenverband (DZV) die Entwicklung. „Nach wie vor stehen die Beteiligten unter einem enormen Zeitdruck“, sagt DZV-Geschäftsführer Jan Mücke. Aufgrund von Verzögerungen im Gesetzgebungsverfahren und kurzfristigen Änderungswünschen der EU-Kommission an der Code-Struktur sei nicht sicher, ob die technische Umsetzung bis zum Stichtag überhaupt funktioniere.

    Praxistauglichkeit fraglich
    Bei diesem Thema steht zudem der Betreiber der EU-weiten sekundären Datenbank (Secondary Repository) im Fokus: die Dentsu-Aegis Agentur-Gruppe. EU-Abgeordnete Renate Sommer stellt dabei die Frage, ob dieses System überhaupt praxistauglich sei: „Eine zentrale Datenbank zum Austausch und zur Speicherung für die Rückverfolgbarkeit von Tabakprodukten gibt es auf nationaler Ebene noch nicht. Über eine sekundäre Datenbank sollen die EU-Mitgliedstaaten sowie die EU-Kommission Zugriff auf Informationen über alle europaweiten Bewegungen von Tabakprodukten haben. Die Kommission hat aber mitgeteilt, dass die sekundäre Datenbank erst frühestens zum 10. Mai in Betrieb gehen wird. Auch hier ist ein Vorlauf von lediglich zehn Tagen einfach zu knapp bemessen, denn Dienstleister und Unternehmen müssen ihre Prozesse auf das neue System einstellen.“

    Seitens der Industrie seien alle notwendigen Anstrengungen unternommen worden, damit das T & T-System fristgerecht funktioniere, betont Mücke: „Die Bundesdruckerei wollte ursprünglich mindestens sechs Wochen vor dem 20. Mai mit der Registrierung beginnen und bereits vor dem offiziellen Termin Codes vergeben, ist aber genauso wie die Hersteller und der Handel von dem rechtzeitigen Funktionieren der technischen Schnittstellen des EU-weiten Datenbankbetreibers abhängig. Die gleichen Probleme stellen sich nicht nur für Deutschland, sondern auch für alle anderen EU-Länder.“

    Keinen Grund zur Aufregung sieht man dagegen beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Von dort heißt es: „In Deutschland hat am 12. April der Bundesrat den deutschen Umsetzungsrechtsakten zum europäischen Rückverfolgbarkeitssystem Track & Trace zugestimmt. Damit steht das Umsetzungsverfahren kurz vor seinem Abschluss. Das BMEL ist daher zuversichtlich, dass der Start des Rückverfolgbarkeitssystems für Tabakerzeugnisse in Deutschland rechtzeitig zum 20. Mai 2019 erfolgen kann“. kes

    (DTZ 18/19)