DORTMUND // Uli Kotschenreuther, Chef des Großhandels-Unternehmens Akra, freute sich: Dass das Unternehmen Porsche Raucher-Accessoires wie Zigarren-Cutter und Feuerzeuge im Design des Sportwagenbauers lizensiere, zeige, dass die Tabakbranche sich wieder aus dem „Schmuddel-Image“ befreie. Tatsächlich gehen die Konsumenten entspannt mit dem Genussmittel Tabak um. Dafür droht neuer Ärger aus Brüssel und Berlin, wie die wichtigen Branchenverbände auf der InterTabac-Pressekonferenz deutlich machten.
Stabiler Markt
Der Markt für Tabakprodukte habe sich im ersten Halbjahr weitgehend stabil entwickelt, hieß es dort. Die deutschen Konsumenten zeigten sich bislang von den neu eingeführten Schockbildern auf den Packungen von Zigaretten und Feinschnitttabak beziehungsweise den neuen Textwarnhinweisen bei Zigarren, Zigarillos und Pfeifen- sowie Schnupftabak kaum beeindruckt. Aber: Insbesondere die mittelständische Tabakwirtschaft wird durch die deutlich gestiegenen bürokratischen Verpflichtungen vor erhebliche Probleme gestellt.
Risiko für die Konsumgüterindustrie
Jan Mücke, Geschäftsführer des Deutschen Zigarettenverbands (DZV), formulierte die Erwartungen der Tabakwirtschaft an die nächste Bundesregierung: „Die vergangenen beiden Jahre haben für die Branche mit der Einführung von Schockbildern, umfangreichen Zusatzstoffverboten, fehlenden Produktionsumstellungsfristen und rechtswidrigen Vorschriften für die Warenpräsentation gravierende Markteingriffe gebracht, mit deren Auswirkungen die Unternehmen der deutschen Tabakwirtschaft bis heute zu kämpfen haben. Im Interesse des Wirtschaftsstandorts Deutschland, der 100 000 Beschäftigten in der Wertschöpfungskette Tabakwirtschaft und unserer Kunden ist jetzt ein Innehalten nötig. Wir brauchen dringend ein Regulierungsmoratorium für die kommende Legislaturperiode und keine neuen Verbote und bürokratischen Lasten.“ Die neue Bundesregierung müsse die Folgen des neuen Rechtsrahmens über einen längeren Zeitraum beobachten und überdenken. Andernfalls bestehe nicht nur ein Risiko für die deutsche Tabakwirtschaft, sondern auch für andere Konsumgüterindustrien wie die Hersteller alkoholischer Getränke oder zucker-, salz- oder fetthaltiger Lebensmittel.
Schlicht nicht finanzierbar
Die Europäische Kommission bereitet indessen mit einem neuen Gesetzespaket einen weiteren massiven Eingriff mit schwer abschätzbaren Folgen für den Tabakmarkt vor. Am 4. September präsentierte sie ihre Pläne für ein Tracking & Tracing-System für Tabakprodukte, mit dem ab 2019 der Weg jeder einzelnen Packung über die gesamte Lieferkette, vom Hersteller bis zum Handel, erfasst werden soll. Patrick Engels, Vorsitzender des Verbands der deutschen Rauchtabakindustrie (VdR) kommentierte das Vorhaben aus Brüssel: „Das geplante Tracking & Tracing-System für Tabakwaren geht vollständig am Ziel der Schmuggelbekämpfung vorbei: Produkte wie Feinschnitt, Pfeifentabak, Zigarren und Schnupftabak werden nicht illegal gehandelt.“ Ursprüngliches Ziel sei das Bekämpfen des Schwarzmarktes gewesen, nun wolle die Kommission eine lückenlose Totalüberwachung der gesamten legalen Tabakwertschöpfungskette. Die vorgesehenen Maßnahmen reichten von Videoüberwachung in den Fabriken, über bis zu 50-stellige Packungscodes, die auf viele Verpackungsformate wie beim Schnupftabak gar nicht passten, bis hin zur Registrierung aller Herstellungsmaschinen, Lager und Verkaufsstellen einschließlich des „Kiosks um die Ecke“. Engels führte weiter aus, dass die legale Wertschöpfungskette in einem Maße überwacht werden solle, das gerade mittelständische Betriebe vor existenzielle Herausforderungen stelle.
Die Kosten für Einrichtung und Betrieb der technisch hochkomplexen Überwachung müssten von der Tabakwirtschaft getragen werden. Gerade für kleine und mittelständische Betriebe sei dieser Eingriff aus Brüssel schlicht nicht finanzierbar.
Verhältnismäßigkeit im Blick
Bodo Mehrlein, Geschäftsführer des Bundesverbands der Zigarrenindustrie (BdZ), appellierte: „Die Bundesregierung darf nur Regelungen zustimmen, die einer Verhältnismäßigkeitsprüfung standhalten – dies ist bei den durch die EU vorgelegten Entwürfen nicht der Fall. Eigentlich müssten Zigarren und Zigarillos vom System der Rückverfolgbarkeit ausgenommen werden; zumindest müsste ein solches System aber die Besonderheiten der mittelständischen Zigarrenindustrie berücksichtigen und gewisse Ausnahmen enthalten.“
Für den Handel mahnte Rainer von Bötticher, Präsident des Bundesverbands des Tabakwaren-Einzelhandels (BTWE), ein auf internationalen Standards basierendes System an, mit dem teure Sonderlösungen für das Tabaksortiment auf Handelsebene vermieden werden: „Die zu findende Systemlösung muss für alle Unternehmensgrößen kompatibel sein, um Insellösungen und Parallelstrukturen zu vermeiden. Im Idealfall sollte das offene System nicht nur tabakspezifisch, sondern produkt- und sortimentsübergreifend, national und international einsetzbar sein.“
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(DTZ 39/17)