HAMBURG // Ein sonniger Frühlingstag. Die Jalousien des Konferenzraums im Reemtsma-Gebäude in Hamburg-Bahrenfeld sind ein gutes Stück hinuntergelassen. Draußen zwitschern die Vögel. Eigentlich sollte neben Stefanie Birtel, Market Managerin Germany, auch David O’Neill hier sitzen, der Head of Next Generation Products. Doch der Brite musste kurzfristig wegen eines wichtigen Termins rund um den Launch der neuen E-Zigarette MyBlu absagen.
Frau Birtel, was bewegt Sie bei Reemtsma derzeit besonders?
Stefanie Birtel: Ich würde mich sehr freuen, wenn wir besseres Wetter hätten.
Nanu, der Himmel ist strahlend blau.
Birtel: Aber im März war das Wetter unglaublich schlecht.
Stimmt, ungefähr ein Grad kälter als das langjährige Mittel, dabei verbreitet nass und windig.
Birtel: Genau, das merken wir natürlich und das spielt uns der Handel auch zurück. Dazu kamen die vielen Grippefälle. Das merkt die gesamte Branche an den Absätzen. Wir hatten selten so einen schlechten März wie 2018. Jetzt hoffe ich auf einen sehr guten Sommer. Nach einer Bauernregel könnte es heiß werden.
Auch die Fußball-WM spielt Ihnen in die Karten.
Birtel: Das kann man so sagen: Dann sind wieder viele Leute unterwegs, es gibt Public Viewings – und es wird sicher wieder ordentlich geraucht …
Das macht sich so deutlich bemerkbar?
Birtel: Ja. Vor vier Jahren war das Wetter auch extrem gut. Und wenn dann die Kneipen auf den Straßen Bildschirme aufbauen, verkauft die Branche mehr Zigaretten. Schon der Auftakt zur Grillsaison hilft uns. Aber Großereignisse sind natürlich noch besser.
Was wird die Branche in den kommenden Monaten noch bewegen?
Birtel: Die – leider – ungebremste Nachfrage nach Großformaten.
Sie sagen „leider“?
Birtel: Schauen Sie mal, wie wenig Regalplatz die Händler zum Teil haben. Natürlich fragen die sich, wo sie die immer größeren Formate hinstellen sollen. Und das gilt auch für die großen Zigarettenformate, die es mittlerweile gibt. Da merkt man: Das wird ganz schön eng. Allerdings: Der Konsument fragt diese Großformate nach. Man kann sagen: Großformate werden auch im laufenden Jahr weiter im Trend liegen.
Setzen Sie auf Eimer oder auf eckige Boxen?
Birtel: Eckig! Die sind leichter stapelbar und einfacher zu gestalten. Außerdem haben wir festgestellt, dass die Konsumenten in den Dosen einen Zweitnutzen sehen. Das sind hervorragende Behälter etwa für Handwerkerbedarf wie Schrauben und Nägel.
Wie halten die Konsumenten den Tabak frisch?
Birtel: Eine spannende Frage. Durch unsere Click-Deckel haben die Konsumenten eher ein Gefühl der Frische als bei anderen OTP-Produkten. Und aus der Marktforschung wissen wir, dass die Konsumenten ihre eigenen Tricks entwickeln, indem sie Brot mit in die Packung tun, Apfelschalen oder kleine Tonkügelchen, die die Feuchtigkeit speichern.
Ich vermute, es gibt ein weiteres großes Thema?
Birtel: Sie spielen auf Track & Trace an. Da freue ich mich, wenn wir endlich etwas mehr Klarheit für die Umsetzung im Markt bekommen. Immerhin betrifft das Verfahren die gesamte Wertschöpfungskette – und eben nicht nur die Industrie. Heute wissen wir immer noch nicht, was die Umsetzung letztlich für Konsequenzen haben wird. Da sehe ich zurzeit vor allem ein paar Fragezeichen.
Haben Sie trotzdem schon Möglichkeiten, sich darauf vorzubereiten?
Birtel: Viel können wir nicht machen, weil so vieles noch unklar ist. Wir können uns auf die schmaleren Steuerzeichen vorbereiten, die uns – wie andere Hersteller auch – vor Herausforderungen in der Produktion und in der Umsetzung stellen. Auf manchen Packungsformaten wird es schwierig, diese Zeichen aufzubringen. Grundsätzlich brauchen wir und der Handel schnell Planbarkeit und wir versuchen – insbesondere über die Arbeit im Verband …
Also den Deutschen Zigarettenverband.
Birtel: … manche Vorhaben für uns und den Handel einfacher zu gestalten.
Zum Beispiel?
Birtel: Zum Beispiel die Frage, wie unter dem erheblichen Zeitdruck bis Mai 2019 alle Prozess-Anforderungen an Track & Trace zwischen Handel und Industrie erfüllt werden können.
Also, da gibt es noch Einiges zu tun.
Birtel: Und wir müssen ja auch noch unseren Außendienst vorbereiten, damit die Kollegen dort den Handel informieren und unterstützen können.
Der Außendienst hat derzeit auch viel zu tun, weil Sie ein neues Produkt in den Markt bringen.
Birtel: Ja, unsere E-Zigarette. Richtig, wir stecken mitten im Launch. Deswegen kann David O’Neill bei diesem Gespräch leider nicht dabei sein. Aber wir befinden uns da in einer sehr spannenden Phase mit einem Produkt, das für Reemtsma sehr wichtig ist. Obwohl wir unser Geld noch ganz klassisch mit Tabakprodukten verdienen. Und wir werden das auch in den nächsten Jahren noch tun.
Das sehen Wettbewerber anders …
Birtel: Die Marktrealität zeigt, dass 97 Prozent des Tabakmarktes noch immer klassischer Tabak sind. In Deutschland darf – wenn man die Situation international vergleicht – an ziemlich vielen Orten noch geraucht werden. Der soziale Druck ist hier noch längst nicht so groß. Obwohl die Lage also vergleichsweise entspannt ist, werden tabakfreie Alternativen, E-Zigaretten, immer wichtiger. Und ich freue mich, dass wir mit MyBlu ein überzeugendes Produkt am Start haben.
Und dabei geht es um einen bundesweiten Roll-out?
Birtel: Wir beginnen mit Großstädten wie Hamburg, München, Berlin … Dort sammeln wir erste Erfahrungen, stellen fest, wie das Produkt beim Handel und natürlich beim Konsumenten ankommt. Wir haben da ganz unterschiedliche Konzepte, die vom Web-Shop über Pop-up-Stores bis zum klassischen Handel reichen. Das ist ganz anders als im klassischen Business und damit auch für uns neu. Aber unser Ziel ist es natürlich, MyBlu bis zum Jahresende flächendeckend zu vertreiben.
Die ersten Feedbacks?
Birtel: Sind sehr positiv. Blu ist in den USA die zweitgrößte E-Zigarettenmarke und jetzt hier erhältlich. Sowohl Groß- als auch Einzelhandel sind sehr interessiert und wollen loslegen. Das freut mich besonders, denn eines ist klar: Auf unseren Produkten steht überall Reemtsma, wir sind ein Unternehmen.
Und Sie selbst?
Birtel: Ich bin keine Dampferin, habe aber selbstverständlich die Produkte probiert. Und ich muss sagen: Einige Geschmacksrichtungen haben mich wirklich überzeugt. Daher habe ich – obwohl leidenschaftliche Raucherin – zu Hause und im Büro jetzt auch immer eine MyBlu in Reichweite.
Wird die E-Zigarette irgendwann der klassischen Zigarette den Rang ablaufen?
Birtel: Wenn ich mir die Rauchhistorie ansehe, komme ich zu dem Schluss: Es wird immer geraucht werden. Tabak ist ein Kulturprodukt seit mehr als 500 Jahren. Aber heute wird anders geraucht, bewusster und vielleicht auch weniger. Da werden tabakfreie Alternativen wie die E-Zigarette natürlich immer wichtiger. E-Zigaretten machen heute zwei Prozent des Marktes aus – und das wird mehr werden. Aber die klassische Zigarette wird noch sehr lange eine Rolle spielen.
Ein ganz anderes Thema: Viele Händler sind verunsichert, wenn es um das Thema „Produktkarten“ geht. Wie gehen Sie damit um?
Birtel: Es gibt ja ein aktuelles Urteil des Landgerichts Berlin, demzufolge die Warnhinweise der Packungen am POS durch Produktkarten verdeckt werden dürfen. Das war schon immer auch unsere Auffassung. Daher stellen wir diese Karten weiter her und sie sind bei uns abrufbar. Das haben wir auch die ganze Zeit über so gehalten.
Dem Handel helfen die Karten?
Birtel: Ja, zum einen sind sie eine gute Orientierungshilfe. Nehmen wir das Plain-Packaging-Land Großbritannien: Dort herrscht große Verunsicherung bei den Händlern und bei den Konsumenten. Ich habe in meiner Zeit dort mehrfach beobachtet, dass die Kunden das Geschäft mit völlig anderen Produkten verlassen haben, als sie eigentlich erwerben wollten. Man sieht es einfach nicht, wenn man es in die Hand gedrückt bekommt. Und andererseits sieht das Regal dadurch natürlich attraktiver aus als mit den Schockbildern. Also: Es gibt sie nach wie vor, und ich finde sie gut.
Ist die Nachfrage groß?
Birtel: Sie hat etwas abgenommen, weil viele Händler sie ja bereits nutzen. Aber: Wir werden jetzt mit den neuen Preisen auch aktualisierte Karten anbieten.
Was bieten Sie dem Handel noch an Unterstützung?
Birtel: Wie Sie wissen, betreiben wir zwei Händler-Portale, nämlich einmal das Business-Team mit 900 bis 950 Nutzern, sowie meinreemtsma.de, das wir gerade überarbeiten. Dort geben wir dem Handel Informationen dazu, was gerade rund um alle Branchenthemen geschieht oder welche politischen Entwicklungen unsere Branche betreffen, aber auch Markttrends, praktische Tipps oder einen Feiertagskalender. Und natürlich gibt es noch eine ganze Reihe weiterer Maßnahmen.
Und Sie sind stolz auf die Beratung, die Ihr Außendienst leistet.
Birtel: Ja, wir haben drei Funktionsgruppen im Außendienst – für den Lebensmitteleinzelhandel, für Tankstellen und den Fachhandel und eine dritte für den freien Bereich. Das werden wir auch in Zukunft so handhaben. Und damit bieten wir eine hohe Beratungsqualität – diesen Mehrwert spürt der Handel, der das als partnerschaftliche Beratung auf Augenhöhe versteht. Unser Außendienst ist schon sehr gut – nicht nur innerhalb der Industrie, sondern generell.
max
Lesen Sie das vollständige Interview in der Printausgabe DTZ 15/18.