BRÜSSEL (DTZ/fok). Ende vergangener Woche hat die EU-Kommission – Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher – ein öffentliches Konsultationsverfahren für eine mögliche Überarbeitung der Tabakproduktrichtlinie 2001/37/EG eröffnet. Schon seit Monaten kocht in der Tabakbranche die Gerüchteküche, ob Radikalregulierungen, wie schwarz-weiße Einheitspackungen oder das Verbot, Tabakwaren am Verkaufsort auszustellen und zu bewerben, in diesen Vorschlägen enthalten sind und wie das Konsultationsverfahren insgesamt abläuft.
Um es gleich vorweg zu sagen: Die genannten Radikalregulierungen sind als Optionen in dem Vorschlagkatalog enthalten, allerdings neben einer Vielzahl anderer, meist weniger gravierender Pläne bis hin zum Erhalt des heutigen Status quo.
Zur Erinnerung: Die EU-Tabakproduktrichtlinie regelt seit 2001 den Höchstgehalt für Teer, Nikotin und Kohlenmonoxyd in Zigaretten, die Text-Gesundheitswarnhinweise und Etikettierungsanforderungen. Weiter die Pflicht zu Meldung von Inhaltsstoffen durch die Hersteller an die Behörden, das Verbot bestimmter Begriffe wie mild oder Light auf den Packungen und das Verbot von Snus in der EU außerhalb Schwedens.
„Neue Entwicklungen auf internationaler Ebene“Die EU begründet die jetzt geplante Überarbeitung der Richtlinie damit, dass „neue Entwicklungen auf internationaler Ebene, in der Wissenschaft und im Markt ein Nachdenken darüber erfordern, ob die Richtlinie immer noch in vollem Umfang ein ordnungsgemäßes Funktionieren des Binnenmarktes gewährleistet und dabei ein hohes Niveau an Gesundheitsschutz sichert.“ Als Hintergrund nennt die Kommission das Ziel, den Tabakkonsum in der gesamten EU zu verringern.
Die jetzt von der Kommission vorgelegten Optionen sind die Basis für eine öffentliche Diskussion für eine Überarbeitung der Tabakproduktrichtlinie. An der Konsultation kann sich jeder Bürger der EU, jedes Unternehmen, natürlich auch Verbände und Nichtregierungsorganisationen beteiligen.
Stellungnahme bis 19. NovemberAbgabeschluss für die jeweiligen Stellungnahmen ist der 19. November 2010. Die Informationen zu den optional vorgeschlagenen Maßnahmen und die Konsultationsbögen zur Beteiligung sind im Internet auf dieser [linkn|http://ec.europa.eu/health/consultations/index_en.htm ]Website der EU[/link] abrufbar. Leider sind diese bisher nur in englischer Sprache einsehbar (Übersetzung auf Die Tabak Zeitung online), die Stellungnahmen hierzu können jedoch auch in deutscher Sprache abgefasst werden.
Nun zu den von der EU-Kommission vorgeschlagenen Optionen zur Änderung der Richtlinie im Detail. Diese sind in insgesamt sechs Bereiche aufgeteilt.
Anwendungsbereich der RichtlinieBereich 1 ist der Anwendungsbereich der Richtlinie. Hier wird zur Diskussion gestellt, ob nikotinhaltige Produkte wie elektronische Zigaretten, Nikotindrinks u.ä. sowie Kräuterzigaretten weiter unter die jeweilige nationalen Bestimmungen fallen sollen oder künftig die EU-Tabakrichtlinie auch für diese Produkt Geltung haben soll, bis hin zum Verbot neuartiger Formen von Tabak zum oralen Gebrauch.
Rauchlose TabakprodukteDerzeit ist Snus in allen EU-Ländern, außer in Schweden verboten, andere rauchlose Tabakerzeugnisse, wie Kautabak, in vielen Ländern erlaubt. Die EU-Kommission stellt die Optionen, entweder diese Regelung beizubehalten oder das Snus-Verbot aufzuheben oder alle rauchlosen Tabakerzeugnisse zu verbieten.
Verbraucherinformation: Von Bildwarnhinweisen bis zur EinheitspackungHier geht's ans Eingemachte: Denn neben der Option „keine Änderung“ stehen gleich zwei harte Regulierungsvorschläge. Zum ersten ein Paket von Maßnahmen, bei dem obligatorische Bildwarnhinweise für beide Seiten der Packung vorgeschrieben werden sollen; ergänzt um Optionen, die Angabe der Werte von Rauchinhaltsstoffen durch allgemeine Informationen zu schädlichen Stoffen in den Produkten zu ersetzen; Angaben zu schädlichen Stoffen, die keinen Platz auf der Packungsaußenseite haben, durch Packungsbeilagen zu ergänzen; und auch auf Wasserpfeifen Gesundheitswarnhinweise zu platzieren.
Härteste Option auf diesem Feld ist der Vorschlag generischer Verpackungen, also schwarz-weiße Einheitspackungen, die die optische Unterscheidbarkeit der verschiedenen Marken auf ein Minimum begrenzen würde.
Meldung und Registrierung von ZusatzstoffenAuch hier schlägt die Kommission drei Optionen vor: Erstens Beibehalt der derzeitigen Regelung, wonach Informationen über Zusatzstoffe seitens der Tabakindustrie unter Verwendung unterschiedlicher Format in den verschiedenen Mitgliedsländern vorgelegt werden. Zweite Option: Verwendung eines EU-weit einheitlichen Meldeformulars für Zusatzstoffe, gegebenenfalls mit elektronischer Einreichung. Und darüber hinaus schlägt Option 3 eine jährlich zu zahlende obligatorische Registrierungsgebühr für die Hersteller und harte Strafen bei Nichtbefolgung der Datenzulieferpflicht vor.
Regulierung von Zusatzstoffen
Option 1 ist hier, dass es den EU-Mitgliedstaaten weiterhin frei steht, die Zusatzstoffe für Tabakerzeugnisse national selbst zu regeln.
Option 2 schlägt die Einführung von Grundkriterien auf EU-Ebene ohne gemeinsame Liste vor, bezogen auf Kriterien wie Toxizität, Attraktivität oder suchterzeugende Wirkung eines Tabakprodukts. Hiernach hätten die Mitgliedstaaten weiter das Recht, nationale Verbote je nach nationalen Gegebenheiten auszusprechen.
Option 3 sieht die Festlegung einer gemeinsamen Liste mit Tabak-Inhaltsstoffen vor. Danach dürften EU-weit nur noch solche Zusatzstoffe verwendet werden, die sich auf einer Positivliste befinden. Oder alternativ eine Negativliste aufzustellen für Zusatzstoffe, die nicht für die Herstellung von Tabakerzeugnissen verwendet werden dürfen.
Zugang zu Tabakerzeugnissen: Automaten-und Versandverbot sowie Display BanHier werden einige richtige Hämmer zur Diskussion gestellt. Neben der Option 1, alles beim alten zu lassen und den Mitgliedstaaten die Zuständigkeit für nationale Maßnahmen zur Begrenzung des Zugangs zu Tabakerzeugnissen zu belassen, sieht Option 2 eine Altersüberprüfung für Käufer sowie weitere rechtliche Bedingungen (z.B. Registrierung, Lizenzierung) für grenzüberschreitende Einzelhandelsverkäufe vor. Dazu der Vorschlag, den Zugang zu Verkaufsautomaten auf Erwachsene zu beschränken (wie in Deutschland bereits umgesetzt). Ein weiterer Vorschlag richtet sich gegen die Sichtbarkeit der Tabakprodukte am POS, denn danach soll die Ausstellung von Tabakerzeugnissen und die Verkaufsförderung an Verkaufsorten eingeschränkt werden, z.B. indem dort nur noch die Sichtbarkeit lediglich einer Packung pro Marke vorgeschrieben würde.
Verbot grenzüberschreitenden EinzelhandelsDie härtesten Optionsvarianten sehen Verbote von grenzüberschreitenden Einzelhandelverkäufen von Tabakerzeugnissen über das Internet vor; dabei wird auch ein generelles Verbot des Versandhandels zur Diskussion gestellt. Weiter ein EU-weites Verbot von Zigarettenautomaten. Und schließlich ein Verbot von Verkaufsförderungen und Displays im Einzelhandel.
DTZ wird in den nächsten Ausgaben detaillierter auf die Vorschläge eingehen und dabei Sinnhaftigkeit der Optionen, rechtliche Fragen sowie mögliche wirtschaftliche Folgen unter die Lupe nehmen und dem Handel damit Informationen für Stellungnahmen im Rahmen der Konsultation an die Hand geben.
(DTZ 39/10)