Schlagwort: Wettbewerbsverzerrungen

  • Liebe Leserinnen, liebe Leser,

    der Handelsverband Deutschland (HDE) hat die erschreckende Zahl von 50.000 möglichen Insolvenzen im Einzelhandel genannt. 30 Milliarden Euro seien der Branche in vier Wochen Stillstand verloren gegangen. Solche Summen finden zunehmend in der Bundespolitik Gehör. Der Schutz der Gesundheit sei gegenüber dem Schutz der Wirtschaft womöglich „überpriorisiert“ worden, war zuletzt zu hören.


    Wettbewerbsverzerrungen

    Umso wichtiger sind – nicht nur für den Handel – die finanziellen Hilfen, die Berlin den Unternehmen zugesagt hat. Doch angeblich tritt Brüssel massiv auf die Bremse. Die EU möchte Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Ländern verhindern, wenn diese ihre ökonomische Landschaft mit unterschiedlichen Beträgen fördert.

    Spannende Erlebnisse
    Hatten auch Sie schon spannende Erlebnisse mit Blick auf die Maskenpflicht? Als ich gestern in Mainz unterwegs war, fiel mir ein Mann an der Bushaltestelle auf – Rollator, schwer übergewichtig, Latexhandschuhe, Mundschutz überm Kinn hängend und eine Zigarette im Mund. Den Bus hat er übrigens nicht genommen, er blieb auf den Metallstühlen sitzen. Und ein sehr alter Mann, der – offenbar von seinem Sohn – in eine Arztpraxis gebracht wurde. Dort wollte man ihm den Zutritt verwehren, weil er keine Gesichtsmaske hatte. Kurzerhand legte der Sohn ihm seine um: „Komm, nimm meine…“

    Datenschutz
    Einem unbestätigten Gerücht zufolge, gibt es bei Lidl keinen einzigen bestätigten Corona-Fall beim Ladenpersonal. Falls das wirklich stimmt, würde es die Begründung für den Lock-down zumindest in den Grundfesten erschüttern. Aber wir werden es vermutlich nie erfahren – wegen des Datenschutzes, nicht aufgrund einer Verschwörung.

    Ich wünsche Ihnen einen guten und erfolgreichen Tag.

    Herzlich,
    Marc Reisner,
    Chefredakteur DTZ

  • Leichtes Aufatmen bei kleineren Betrieben

    BERLIN // Nach dem gestrigen Beschluss von Bund und Ländern über erste Lockerungen in der Coronakrise können einige Wirtschaftszweige etwas aufatmen. Dazu zählt auch der Tabakwaren-Fachhandel.

    Jene Tabakwarenläden, die keine Presseerzeugnisse oder nur wenige Zeitungen und Zeitschriften führen und deshalb in einigen Regionen Deutschland seit fast einem Monat wegen der politischen Entscheidungen zur Eindämmung der Corona-Epidemie schließen mussten, dürfen ab 20. April wieder öffnen.

    Ob sich dann die erhoffte Kundenfrequenz in ihren Läden schnell einstellen wird, ist aber eher fraglich, denn viele Bürger sind wegen der Angst an Covid-19 zu erkranken sowie wegen Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit äußerst verunsichert. Darüber hinaus fehlt vielen Konsumenten der Anreiz zum Stadtbummel, weil ja Restaurants und Cafés weiterhin geschlossen bleiben müssen.

    Kritik und Zustimmung für die Beschlüsse
    Auf Unverständnis stößt in Teilen des Handels die Entscheidung, dass lediglich Geschäfte mit einer Verkaufsfläche von bis zu 800 Quadratmetern wieder öffnen dürfen. Das kritisiert denn auch Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE). Aus seiner Sicht gebe es keinen sachlichen Grund, nur kleineren Läden die Wiedereröffnung zu erlauben und größeren Geschäften nicht.

    Auch dem Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) gehen die Lockerungen nicht weit genug. Verbandspräsident Mario Ohoven verweist darauf, dass viele Selbstständige von der Insolvenz bedroht seien.

    Bei vielen kleineren Betrieben herrscht hingegen eine gewisse Erleichterung – vom Autohandel über das Friseurhandwerk bis hin zum Tabakwareneinzelhandel.

    Gemeinsames Exit-Szenario
    Im Vorfeld der gestrigen politischen Entscheidung hatte der Bundesverband des Tabakwaren-Einzelhandels (BTWE) mit den Landesverbänden und dem Handelsverband Deutschland unter Hochdruck an einem gemeinsamen Exit-Szenario für die Wiederaufnahme des gesamten Geschäftsbetriebs im Einzelhandel gearbeitet. Steffen Kahnt, BTWE-Geschäftsführer: „Unser Signal an die Landes- und Bundespolitik ist eindeutig: Wir sind bereit und können auch unter verschärften Bedingungen wieder öffnen. Bereits in den letzten Wochen liefen die politischen Kanäle in Bund und Ländern heiß." Jetzt werden die ersten Öffnungs-Szenarien auch in der Öffentlichkeit diskutiert. Lockerungen, die zum Beispiel nach Einzelhandelsbranchen differenzieren, führen zu Wettbewerbsverzerrungen, Rechtsunsicherheit und kollektiver Verunsicherung. Unklare, komplizierte Regelungen gilt es unter allen Umständen zu vermeiden.

    Kreative Lösungsansätze
    Trotz vieler engagierter und kreativer Lösungsansätze der Unternehmen, auch im Shutdown weiter Ware an ihre Kunden zu verkaufen, tragen die Fachhändler eine große Last. Torsten Löffler, BTWE-Präsident, schaut nach vorn: „Die Zeichen stehen jetzt auf Wiedereröffnung. Darauf haben wir seit Wochen mit aller Kraft hingearbeitet. Wichtig sind einheitliche, nicht-diskriminierende Vorgaben für den gesamten Einzelhandel. Es kann nicht sein, dass jetzt Branchen gegeneinander ausgespielt werden."

    Der BTWE arbeitet seit dem Shutdown daran, Handlungsspielräume für seine Händler zu erreichen. Löffler: „Viele Menschen in Deutschland erlebten in den letzten Wochen, wie es wäre, wenn es praktisch keinen stationären Fachhandel mehr gäbe. Inzwischen wächst die Sehnsucht nach Normalität von Tag zu Tag. Aber es gibt Licht am Ende des Tunnels."

    vi/da

  • Brasiliens Hersteller schlagen Alarm

    SAO PAULO // Brasiliens Zigarettenindustrie hat aktuell mit vielfältigen Herausforderungen zu kämpfen. Zum hat der Schmuggel ein Rekordniveau erreicht, zum anderen gibt es hohe Hürden für die Einführung von E-Zigaretten und Alternativprodukte wie iQos von Philip Morris.

    Laut dem Marktforschungsinstitut Ibope Inteligência hatten Schmuggelzigaretten in Brasilien 2016 einen Rekordanteil von 35 Prozent am Gesamtkonsum des Landes, der auf 90 Milliarden Zigaretten geschätzt wird. Das Gros der heißen Ware kommt aus dem Nachbarland Paraguay: Dort werden Schätzungen zufolge lediglich 5 Prozent der Zigarettenproduktion im Land konsumiert, 95 Prozent gelangen dagegen auf kriminellen Wegen in die benachbarten südamerikanischen Staaten. Darunter vor allem: Brasilien.

    Paraguays Präsident Horacio Cartes ist Miteigentümer des örtlichen Zigarettenherstellers Tabesa, von dem die meisten geschmuggelten Produkte stammen sollen. Doch auch auf brasilianischem Boden werden Schwarzmarktzigaretten hergestellt. Allein im ersten Halbjahr 2016 wurden vier illegale Fabriken von der Polizei aufgespürt und geschlossen.

    Jin-Ling-Pendant in Brasilien heißt Eight
    Die heiße Ware wird auf Märkten, zum Teil aber auch in Verkaufsstellen für legale Zigaretten verkauft. Von den zehn meistverkauften Marken in Brasilien werden drei illegal verkauft, darunter Eight, das Jin-Ling-Pendant in Brasilien. Die unfaire Konkurrenz wird deutlich, wenn man sich den Preisunterschied anschaut: Kostet die Packung einer illegalen Marke rund drei R$ im Verkauf, das sind rund 90 Cent, dürfen legale Marken laut Gesetz nicht unter fünf R$ pro Packung verlangen. Der Durchschnittspreis liegt sogar höher, bei rund sieben R$.

    Der florierende Schmuggel setzt den legalen Herstellern zu – allen voran Marktführer und BAT-Tochter Souza Cruz. Die Gesamtsteuerlast für reguläre Zigaretten beträgt rund 80 Prozent, bei den Schmugglern ist sie häufig gleich null. „Der Tabaksetor wird extrem hoch besteuert, das führt zur Wettbewerbsverzerrungen“, klagt Edson Vismona, Präsident des Nationalen Forums gegen Fälschungen (FNCP).

    Möglicher Ausweg: Neue, technologisch anspruchsvolle Produkte
    Ein Ausweg für die Industrie könnte die Einführung neuer, technologisch anspruchsvoller Produkte wie etwa iQos von Philip Morris sein, der Tabak erhitzt statt zu verbrennen. Laut einem Bericht der brasilianischen Tageszeitung Folha de São Paulo erwägt der US-Konzern die iQos-Einführung in Lateinamerika.

    Allerdings verbietet ein brasilianisches Gesetz von 2009 den Vertrieb von elektronischen Zigaretten im Land. Philip Morris argumentiert damit, iQos sei keine herkömmliche E-Zigarette. Das zweifelt etwa Tânia Cavalcante an, die für die Regierungskommission arbeitet, die die Implementierung von Anti-Tabak-Maßnahmen überwacht. In einem Zeitungsinterview hob sie die Ähnlichkeit von iQos mit normalen E-Zigaretten hervor. Einen Antrag für den Verkauf des neuen Produkts in Brasilien wurde von Philip Morris allerdings noch nicht eingereicht.

    Trotz aller Schwierigkeiten: Brasilien bleibt vorerst der wichtigste Absatzmarkt Südamerikas, mit einem Anteil von rund 42 Prozent am gesamten Zigarettenkonsum des Kontinents. Und das, obwohl der Anteil an der kontinentalen Bevölkerung lediglich 34 Prozent beträgt. mar

    (DTZ 4/2017)