Schlagwort: Vergütungsminderungen

  • Neue Klagen über Valora

    HAMBURG (DTZ/kdp). Der Name „Valora“ findet derzeit in vielen Bereichen auffällige Resonanz. Ob Händler, beim Lotto oder in verschiedenen Verbänden, Valora Retail in Hamburg, Tochter des Schweizer Konzerns Valora, liefert seit einigen Monaten mit ihren Geschäftspraktiken Anlass für kritische Äußerungen.

    DTZ berichtete bereits mehrmals über das Vorgehen des Handelsunternehmens, das sich mit seinen Geschäftsmethoden den Zorn vielen seiner Franchisenehmer zugezogen hat. Diese sorgen sich um ihre wirtschaftliche Existenz und wehren sich zum Teil erbittert gegen die neuen Franchiseverträge mit schlechteren Konditionen. Die Kritik der Valora-Handelspartner konzentriert sich darauf, dass die noch laufenden Partnerschaftsverträge der Convenience Concept GmbH (CC), hauptsächlich unter dem Firmenlogo Cigo und Tabakbörse von Tobaccoland und später von Lekkerland geschlossen, am Ende der Laufzeit nur mit einem Franchisevertrag der Valora zu neuen, ungünstigeren Bedingungen weiter geführt werden können. Neu ist der Protest einiger Händler gegen Vergütungsminderungen der Valora, die sich auf Werbezahlungen von 2012 beziehen.

    Valora-Partner wehren sich
    Davon betroffen ist etwa Michael Spiecker, Betreiber der Tabak-Börse im Plaza-Markt von Itzehoe. Er ist von seinem Rechtsanspruch überzeugt. Anwaltliche Unterstützung erhält er vom Lotto- und Totoverband Schleswig-Holstein, dessen Mitglied er ist.

    Zum neuen Ärger mit Valora Retail sagt er: „Mein mit Convenience Concept geschlossener Vertrag erlaubt Werbung innerhalb und außerhalb meiner Geschäftsräume. Dafür erhalte ich 1 000 Euro Vergütung zuzüglich der gesetzlichen Mehrwertsteuer. Diese Vereinbarung verlängert sich automatisch, sofern sie nicht mit einer Frist von einem Monat zum Kalenderjahresende gekündigt wird. Für mich ist diese Aussage eindeutig. Ich wehre mich gegen eine Minderung von 400 Euro, die Valora damit begründet, dass ein Anbieter bei seinen Zahlungen Abzüge in Anrechnung gebracht hat. Da ich keinen Vertrag mit dem Werbeanbieter sondern mit CC habe, bleibt mein Anspruch davon unberührt. Eine Auffassung, die auch in der Korrespondenz des Anwalts zum Ausdruck kommt. Die Nachzahlungsaufforderung ist in diesen Tagen verstrichen. Meinen Rechtsanspruch werde ich gerichtlich geltend machen.“

    Und Spiecker fährt fort: „Mein bestehender Vertrag läuft noch bis zum Jahresende 2015. Unter den derzeitigen Bedingungen sehe ich keine Chance zum Abschluss eines neuen Vertrages. Dieser enthält dann Franchise-Bedingungen, die mir jede unternehmerische Initiative nehmen. Verhandlungen zum Wareneinkauf würden komplett entfallen, da die zu führenden Waren und auch die Einkaufspreise über Valora laufen. Bisher akzeptierte Wareneinkäufe wie Lederwaren, Schmuck und Geschenkartikel, in aller Regel gut kalkuliert, dürften nicht mehr geführt werden. Und neue Gebühren und Abgaben kämen noch dazu. Valora erhebt eine Franchise-Gebühr auf alle Warenverkäufe von 0,6 Prozent und selbst beim Lotto sind 0,3 Prozent auf den Umsatz fällig. Ganz zu schweigen von Mietgebühren für ein neues Kassensystem und einer möglichen neuen Ladeneinrichtung, die auch nur zu mieten wäre, ohne Eigentum an ihr zu erwerben.“

    Dörte Grube, die ein Cigo-Geschäft gemeinsam mit Ehemann Horst im Sky-Markt in Kiel betreibt, verweist auf ähnliche Erfahrungen. „Wir haben eine Jahreswerbevereinbarung in Höhe von 2 000 Euro geschlossen. Ohne Begründung sind uns 600 Euro zuzüglich Umsatzsteuer abgezogen worden. Auch für eine bis 2012 gezahlte Umsatzvergütung von 0,5 Prozent haben wir bisher vergeblich nachgefragt, ob diese Zahlung auch für 2013 gewährt wird. Wir vermissen Beratung, und wir stellen fest, dass es kein Interesse für unsere Probleme gibt“, moniert die Händlerin. „Unser Vertrag für die aktuelle Laufzeit wurde mit der Convenience Concept GmbH in Ratingen und nicht mit Valora geschlossen. Die Freiheit, ergänzende Sortimente zu führen, gehörte hier zum unternehmerischen Prinzip und wurde umfassend toleriert und genehmigt. Die Folge wäre jetzt ein Sortiments- und Preisdiktat“, kritisiert Dörte Grube.

    Auch Erich Feldle, der insgesamt vier Geschäfte mit einer Zentrale in Mutterstadt betreibt, hat Ärger in der Zusammenarbeit mit Valora, die Rechtsnachfolger der Convenience Concept GmbH ist. Dazu seine Darstellung: „In dem mit CC abgeschlossenen Partnervertrag ist eine Werbevergütung innerhalb und außerhalb der Geschäftsräume vereinbart. Für Cigo-Geschäfte in Frankenthal sind 2 000 Euro und in Haßloch 1 250 Euro zzgl. Mehrwertsteuer vereinbart. Insgesamt wurde eine Kürzung von 650 Euro zzgl. Mehrwertsteuer vorgenommen. Beide Geschäfte befinden sich in Realkaufmärkten. Ich habe den Zahlungsausgleich umgehend angemahnt und eine Antwort auf das Schreiben vom 27. Februar 2013 bis heute nicht erhalten.“

    Darüber hinaus hat der Inhaber noch einen weiteren Punkt der Zusammenarbeit angesprochen: „Ich verfüge über zwei freie Geschäfte ohne Lieferanten- und Vertragsbindung und über zwei Cigo-Geschäfte. In beiden Fällen arbeite ich mit den Lieferanten Lekkerland und ilo-proFit zusammen. Der Unterschied in den Einkaufspreisen durch die gewährte Rückvergütung beträgt im Schnitt 2,5 Prozent. Diesen Unterschied halte ich für ziemlich hoch und habe darum gebeten, den Cigo-Preis auf ein akzeptables Niveau zu senken. Dazu hat der Valora-Außendienstmitarbeiter mitgeteilt, dass alle Reklamationen zentral bearbeitet werden.“

    Verzicht auf Zusammenarbeit
    Dort wo Neuverhandlungen zur Umwandlung in einen Franchise-Vertrag anstanden, haben verschiedene Händler auf eine weitere Zusammenarbeit mit Valora Retail verzichtet. Das betrifft etwa die Standorte Bordesholm, Burg Dithmarschen, Bad Schwartau, Brunsbüttel und Schleswig. Die Standorte werden bis zur Neuvermietung zum Teil von Valora selbst geführt. Auch über „Immobilien‧scout24“ lassen sich bundesweit Geschäfte aus dem Valora Bestand anmieten. Aktuell sind 15 Geschäfte und Kioske im Angebot.

    Stellvertretend bringt Britta Krüger, ehemals Partnerin in Bordesholm, die Situation auf den Punkt: „Wir haben kein Mitspracherecht auf unsere Artikel. Selbst Raucherbedarf verschwindet bei der neuen Ladeneineinrichtung irgendwo in der Ecke. Das ist für mich keine Basis einer fairen und existenziellen Zusammenarbeit. Ich hätte jetzt mein zehnjähriges Jubiläum gehabt. Doch immerhin noch das Glück in der Nachbarschaft einen neuen Laden zu finden, der gerade im Bau ist, wo ich mit echter Selbständigkeit wieder neu anfangen werde.“

    Valora Retail reagiert auf Kritik mit Aussagen wie: „Wir möchten ein klar strukturiertes Betreibermodell. Daher erfolgt der Abschluss neuer Verträge ausschließlich als Franchisevertrag. Der Partner/Unternehmer ist in seiner Entscheidung, ob er mit uns in die Zukunft geht, selbstverständlich frei.“
    Und weiter heißt es: „Die Verdienstchancen sind in erster Linie immer vom Partner abhängig – schließlich ist der Händler auch im Franchising ein eigenständiger Unternehmer. Seine individuelle Planung und auch sein persönlicher Einsatz sind ausschlaggebend dafür, wie erfolgreich er ist.“

    Betroffene Händler bezeichnen diese Einschätzung als „Augenwischerei“ und stören sich an der Formulierung „eigenständiger Unternehmer“, da nach ihrer Überzeugung jegliche Einkaufsspielräume verloren gehen, Preise und Sortimente von Valora ohne Mitsprache vorgegeben und mit „schnelldrehenden“ Tabak- und Presseprodukten keine Alleinstellung zu erzielen sei. Mit Übernahme des Franchisekonzeptes werden erhebliche Ertragseinbußen befürchtet. Laut Musterberechnungen der verärgerten Valora-Franchisenehmer sollen sie durch die Vertragsverschlechterungen mindestens ein Drittel ihres Einkommens verlieren.

    Gefahr für Rauchkultur
    Heinz und Bernd Strohkark, Raucherbedarfsartikel-Großhändler mit breiter Sortierung für Feuerzeuge, Zigarren und in der Sommersaison für Geschenkartikel in Itzehoe, fühlen sich auch von der Varola-Geschäftspolitik nachhaltig betroffen. „Wir haben keine Kunden verloren, weil alle ausgestiegenen Partner neue Geschäfte anmieten konnten und wir als Lieferant erhalten blieben. Die alten Geschäfte jedoch, die nun nach dem Franchise-Konzept geführt werden, sind uns als Kunden nicht mehr zugänglich. In diesen Geschäften hat sich auch ein erheblicher Wandel vollzogen, weil man sich im Fachbereich Tabakwaren auf die Schnelldreher Zigarette und Tabak konzentriert.

    Damit müssen wir mit einem Typ ,uniformierter Geschäfte’ leben, die austauschbar sind und überall gleich aussehen. Das macht mir noch mehr Angst um die Branche, weil die RBA-Produkte weiter in den Hintergrund treten und in unserer ländlichen Region Verbraucher ohne vernünftige Versorgung auskommen müssen, die dann nur noch in Städten erfolgen kann. Wir sehen Gefahr für Rauchkultur, Sortiment, Eigenständigkeit und letztlich für unsere Existenz“, ziehen beide ein sorgenvolles Fazit.

    Wie es weiter geht, bleibt abzuwarten. Mittlerweile haben Gespräche der Spitze des Bundesverband der Lotto-Toto-Verkaufsstellen (BLD) mit leitenden Mitarbeitern von Valora Retail stattgefunden. Alle offenen Fragen speziell zur Vergütungsthematik sollen zügig bearbeitet werden. Entscheidungen und Vereinbarungen sind aber noch nicht zu verkünden.

    „In der schönen Schweiz“
    In den Kreisen der Valora-Partner kursiert derzeit ein Artikel, der in der Zeitung der Schweizer Gewerkschaft „work“ am 28. Februar 2013 erschienen ist. Unter der Überschrift „Vogel friss oder stirb“ wird hier über die Praktiken von Valora in der Schweiz beim Aufbau eines Kiosk-Agentur-Systems berichtet. Am Beispiel von Anna Gerber, einer langjährigen Kioskmitarbeiterin des Unternehmens, wird die Vorgehensweise beschrieben. Der 63-Jährigen wurde nach einer Betriebszugehörigkeit von 25 Jahren gekündigt, ein Jahr vor der Rente. Der Kiosk im Berner Oberland, den sie als Geschäftsführerin geleitet hat, soll in eine Agentur umgewandelt werden. Das neue Agentur-Modell propagiert Valora für alle ihre Kioske in der Schweiz. Wer seine eigene Kiosk‧agentur übernehmen möchte, muss eine GmbH gründen und 20 000 Franken Startkapital mitbringen. Die Agenturleiterin erhält eine Provision, abhängig vom Umsatz. Aus dieser Provision bezahlt sie den Lohn ihrer Angestellten und sich selbst. Ende 2012 zählte die Valora in der Schweiz 300 solcher Agenturen; bis 2015 sollen es 800 sein. Dazu meinen frustierte Valora-Partnern aus Deutschland: „Irgendwie kommt einem das bekannt vor…“

    (DTZ 15/13)