Schlagwort: Strategie

  • „Deutschland ohne Plan“

    BERLIN // Akzept – der „Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit & humane Drogenpolitik“ hat zum zehnten Mal den [link|https://cutt.ly/qwIVsAXI]Alternativen Drogen- und Suchtbericht[/link] vorgelegt. DTZ hat sich das knapp 200 Seiten umfassende Werk genauer angeschaut.

    Schwerpunkt Cannabis
    In dem Bericht bildet Cannabis – auch wegen der aktuellen Legalisierungsdebatte – einen Schwerpunkt. Ein spannendes Thema haben die Autoren des Beitrags „HHC – legale Cannabisprodukte am Kiosk?“ unter die Lupe genommen. Dabei handelt es sich um Erzeugnisse, die Hexahydrocannabinol erhalten, das dem psychoaktiven THC ähnelt. Solche Waren seien online, aber auch in „vielfältigen Verkaufsstätten“ erhältlich – von Berliner „Spätis“ über andere Kioske, Hanfläden, den Tabakhandel und Tattoo-Studios bis zu Automaten. Das Fazit der Autoren: Der Verkauf entsprechender Waren sei grundsätzlich legal, unterliege aber daneben den Restriktionen etwa für die Abgabe von E-Liquids an Minderjährige. Und: „Der offene Verkauf zumindest eines Teils der HHC-Waren könnte mittels aktueller Gesetze (Betäubungsmittelgesetz, Lebensmittelrecht und anderer Vorschriften) ohnehin unterbunden werden.“

    Thema Tabak
    Auch Tabak ist ein wichtiges Thema für Akzept. Bei der Vorstellung des Berichts wies der bekannte Suchtforscher Heino Stöver, der Akzept vorsteht, darauf hin, dass Deutschland gemäß „Tobacco Control Scale“ aktuell Platz 34 von 37 einnehme und damit im europäischen Vergleich weit abgeschlagen sei. Er forderte einer stärker wissenschaftsbasierte Politik mit einer Harm-Reduction-Strategie, die zurzeit nicht zu erkennen sei. Ein Grund für die fehlende Akzeptanz für medizinisch unterstützte Rauchentwöhnungsversuche liege in strukturellen Barrieren wie einem „Mangel an Zeit, das Fehlen einer Ausbildung in der Durchführung der Tabakentwöhnung, fehlende Überweisungsmöglichkeiten zu Entwöhnungskursen und ein Mangel an Kostenerstattung sowohl für das ärztliche Angebot als auch für die Inanspruchnahme evidenzbasierter Therapien“.

    Hilfe zum Rauchausstieg
    Stöver machte auch deutlich, dass sich Einrichtungen in Deutschland bei der Hilfe zum Rauchausstieg nur darauf konzentrierten, die Entzugssymptome zu lindern, während etwa in Großbritannien – von den Autoren des Reports immer wieder als positives Gegenbeispiel hervorgehoben – die Strategie der Harm Reduction ausgerufen worden sei, bei der E-Zigaretten eine wichtige Rolle spielten.

    Auch Bernd Werse von der Goethe-Universität Frankfurt, Mitverfasser des Berichts, wies auf die Bedeutung von E-Zigaretten, Tabakerhitzern und Nikotin-Pouches für die Harm-Reduction-Strategie hin. Grund sei die in vielen Studien nachgewiesene geringere Schädlichkeit der Artikel gegenüber klassischen Tabakzigaretten.

    Thema Disposables
    Allerdings machte Werse auch deutlich, dass Einweg-E-Zigaretten, die die sogenannten Disposables, weitreichende Probleme verursachten. Er führte aus, die Bundespolitik sei hier stärker als bisher steuernd gefordert. So würden Verbraucher in Deutschland derzeit nicht ausreichend vor Plagiaten geschützt. Die seien wegen eines zu hohen Nikotingehalts oder wegen anderer Spezifikationen in der Europäischen Union nicht marktfähig. Zudem seien die Einweg-E-Zigaretten aufgrund ihrer Aromen und Anmutungen besonders ansprechend für Jugendliche. Werse: „Dabei scheint im Gegensatz zu E-Zigaretten bei Disposables ein gezielt an Kinder und Jugendliche gerichtetes Marketing stattzufinden, mit dem sowohl die sozialen Netzwerke selbst als auch die zustän‧digen Aufsichtsbehörden weitestgehend überfordert sind.“ Beispielsweise würden Disposables in Geschmacksvarianten von unter Kindern äußerst beliebten Wassereis-Sorten angeboten.

    Schließlich entstehe durch den hohen Marktanteil von Disposables am gesamten Markt für E-Zigaretten – laut Bündnis für Tabakfreien Genuss rund 40 Prozent – ein großes Umweltproblem, da die Geräte nach 400 bis 500 Zügen „vor allem über den Restmüll oder sogar in der Natur entsorgt“ würden. Das erhöhe die Waldbrandgefahr und belaste das Ökosystem insgesamt.

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  • „Wir sehen großes Potenzial“

    HAMBURG // BAT macht jetzt auch in Deutschland mit Glo dem Wettbewerbsprodukt Iqos Konkurrenz. DTZ sprach mit Andreas Thoma, nationaler Verkaufsleiter von BAT Germany.

    Mit Glo tritt BAT in Deutschland in einen Markt ein, der derzeit durch das Produkt eines Wettbewerbers besetzt wird. Wie wollen Sie den Handel von Glo überzeugen?
    Andreas Thoma: Zunächst freuen wir uns sehr, dass Glo nun endlich auch auf den deutschen Markt kommt. Bei Handel und Konsumenten ist unser BAT Portfolio der PRR-Produkte, also der Potential Risk Reduced Products, sehr gut aufgestellt, und Vype …

    … Ihre E-Zigarette.
    Thoma: … konnte im Zeitraum von Januar bis April 2020 sowohl im Segment der geschlossenen Systeme als auch im Gesamtsegment eindeutig seine Marktführerschaft behaupten. Wenn wir diese Entwicklung weiter ausbauen können, ist Vype auf dem Weg, in den nächsten Monaten die 50-Prozent-Marke zu knacken.

    Das Produkt kommt gut an?
    Thoma: Ja, diese hervorragende Marktposition von Vype zeigt, dass Handel und Konsumenten unserem Angebot vertrauen. Auch unser Tabakerhitzer Glo wurde in Großbritannien in einem langen Forschungs- und Entwicklungsverfahren erarbeitet, an dem mehr als 100 Experten aus fünf Kontinenten beteiligt waren, darunter Wissenschaftler, Ingenieure, Produktdesigner, Tabakspezialisten und Toxikologen.

    Können Sie Glo kurz beschreiben?
    Thoma: Glo ist ein leistungsfähiges Device mit Induktionstechnologie, einer leistungsstarken Batterie, einer Boost-Funktion sowie einfacher Bedienung – Features, die viele Konsumenten von diesem Tabakerhitzer überzeugen werden. Die Induktionstechnologie besitzt gegenüber anderen Verfahren den Vorteil, dass das Device sehr schnell erhitzt, das heißt im Boost-Modus in nur 15, im Standard-Modus in 20 Sekunden.

    Was unterscheidet diese Modi noch?
    Thoma: Für Glo sind zwei Bedienungsmodi, Standard und Boost, verfügbar. So kann der Konsument entscheiden, ob er eine zirka vierminütige Standard-Session oder eine etwa dreiminütige Boost-Session genießen möchte. Die Bedienung von Glo ist dank des Kapselsystems denkbar einfach. Nur den Schiebeverschluss zur Seite schieben und einen Neo-Stick mit dem Filter nach oben einsetzen; er muss weder aufgespießt werden, noch muss mit zwei Elementen hantiert werden.

    Wie leistungsfähig sind die Akkus der Geräte?
    Thoma: Die Premium-Tabakmischungen für die Neo-Sticks bieten Genuss nonstop, denn es können bis zu drei Neo-Sticks hintereinander konsumiert werden. Die lange Akkulaufzeit ermöglicht bis zu 20 Sessions ohne Recharge. Und selbstverständlich entstehen weder Zigarettenrauchgeruch noch Asche. Auch die Reinigung des Gerätes ist einfach und unkompliziert.

    Wie sieht es mit den Preisen aus?
    Thoma: Hier kommt eine wettbewerbsfähige Preisstrategie zum Tragen. Der Einführungspreis für das Glo-Device beträgt 29,90 Euro, die passenden Neo-Sticks gibt es für fünf Euro für 20 Stück. Dies wird dem Handel helfen, Umsteiger zu Glo zu gewinnen. Glo bedeutet ein hochgradig relevantes Portfolio, das unsere Handelspartner nun ihren Konsumenten bieten können, um so mit der Erschließung von neuen Konsumenten sowie mit attraktiven Margen Absatz und Umsatz zu steigern.

    Mit welcher Unterstützung Ihrerseits kann der Handel rechnen?
    Thoma: Wir unterstützen unsere Handelspartner mit umfangreichen Informationsmaterialien, die das Verkaufsgespräch erleichtern. Konsumenten werden über eine flächendeckende Out-of-Home-Werbekampagne sowie über Social Media auf Glo aufmerksam gemacht.

    Dabei ist Glo nicht Ihr einziges Produkt der neuen Kategorien …
    Thoma: Das stimmt, die British-American-Tobacco-Gruppe verfolgt seit geraumer Zeit eine Multikategorien-Strategie. Diese umfasst Fabrikzigaretten über Feinschnitt und weitere OTP-Produkte wie Filterzigarillos bis hin zu einem breiten PRRP-Angebot mit den E-Zigaretten Vype und den Nikotin-Pouches Velo, die ebenfalls bereits Marktführer sind.

    Und da hat Glo gefehlt?
    Thoma: Mit dem Tabakerhitzer Glo wird eine wichtige Lücke geschlossen. Wir sind überzeugt, dass diese Strategie „alles aus einer Hand“ dem Handel im Dschungel von Herstellern und Angeboten hilft, ein vertrauenswürdiges und qualitatives Sortiment für das Geschäft zu erstellen. Mit Glo geben wir ihm ein neues Produkt an die Hand, das ein gutes Sortiment vervollständigt und optimiert. Wir vertrauen sehr auf das gute Urteilsvermögen unserer Handelspartner und sind überzeugt, dass wir mit Glo gemeinsam auf Erfolgskurs gehen.

    Gibt es einen schrittweisen Roll-out oder wird Glo von Beginn an flächendeckend vertrieben?
    Thoma: Glo wird in drei Phasen gelauncht. Im ersten Schritt erfolgt die Distribution über ausgewählte Verkaufspunkte, darunter unsere BAT Top-Partner, Tankstellen wie Shell, Esso oder Agip und unter anderem über die Valora-Gruppe. Hinzu kommen Online-Plattformen oder viele Online-Angebote des Handels. Damit können wir bereits ab der Phase 1 eine flächendeckende Distribution garantieren. Konsumenten können sich über die offizielle Website www.discoverglo.com im Store Finder über den nächsten Verkaufspunkt informieren.

    Wie schätzen Sie generell das Potenzial von Tabakerhitzern in Deutschland ein?
    Thoma: Immer mehr Konsumenten sind auf der Suche nach risikoärmeren Alternativen zur Tabakzigarette. Mit der Erweiterung unseres Portfolios um Glo bieten wir nun neben den drei Vype-Devices ePen 3, ePod und eTank ein Produkt aus einem anderen Segment und mit anderer Technik an. Wenngleich die Markteinführung von Glo in Deutschland länger als erwartet gedauert hat, sind wir der Überzeugung, dass nun der richtige Zeitpunkt gekommen ist, das Potenzial von Tabakerhitzern auf dem deutschen Markt richtig auszuschöpfen. Und dieses halten wir für groß.

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  • Neue Herausforderungen

    GUMMERSBACH // Vanessa Nürnberg verlässt die Gizeh Raucherbedarf GmbH Ende September, um sich neuen beruflichen Herausforderungen zu stellen.

    Sie verantwortete 18 Jahre lang die Marketing-Strategie der Marke Gizeh. Geschäftsführer Christian Hinz würdigt ihre Leistungen: „Vanessa Nürnberg hat die Marketing-Abteilung des Unternehmens als Führungskraft aufgebaut und wesentlich geprägt. Sie initiierte und steuerte die strategische Neuausrichtung des Sortiments mit der überaus erfolgreichen Gizeh Black-Linie. Sie hat die Marke nach innen und außen gestaltet, vom Logo über Produkt und Packaging bis hin zum kompletten Kommunikationsprogramm. Wir haben ihr viel zu verdanken.“

    Vanessa Nürnberg wird sich auf der InterTabac 2017 in Dortmund von Geschäftspartnern und Kunden verabschieden. Die Gizeh Raucherbedarf GmbH ist ein führender Markenhersteller im Bereich feinster Blättchen zum Drehen, Eindrehfilter und Filterhülsen. Gizeh ist Teil der Mignot & De Block-Gruppe, die an fünf europäischen Standorten rund 600 Mitarbeiter beschäftigt.

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    (DTZ 36/17)

  • Unterschiedliche Positionen und doch im selben Boot

    MÜNSTER (DTZ/red). Der Lotto- und Toto-Verband der Annahmestelleninhaber in NRW (LTV) mit Geschäftsführer Tobias Buller und WestLotto mit Prokurist und Vertriebschef Hans-Jürgen Gärtner, Prokurist und Vertriebschef – da stehen sich im Gespräch zwei Persönlichkeitengegenüber, deren Interessen nicht deckungsgleich sind, die sich aber andererseits bewusst sind, dass sie gleichwohl in einem Boot sitzen.

    Schließlich geht es darum, in einem schwierigen Umfeld Spielumsätze zu generieren. Gelder für gemeinnützige Zwecke, für Steuereinnahmen, aber auch Provisionen für die Annahmestellen. Friede und Freude aller Orten? Weit gefehlt. Die Probleme und Positionen beider Seiten sind auch kontrovers. Der eine kann aber nicht ohne den anderen. Schließlich muss ja das Produkt „Spiel“ zum Kunden.

    Frage: Wie steht es um das Miteinander, wie ist denn die Zusammenarbeit wirklich?

    Tobias Buller: Aus meiner Sicht partnerschaftlich, offen, ehrlich, natürlich auch kontrovers und optimierbar. Das war aber nicht immer so. Heute fühlen wir uns ernst genommen, finden Gehör. Der Dialog funktioniert. Die Ergebnisse sind natürlich nicht immer in unserem Sinn.

    Hans-Jürgen Gärtner: Als alter Hase kann ich nur sagen: Die Zeiten des „kalten Krieges“ sind lange vorbei. Auch von unserer Seite denkt man heute dialogorientierter, offener und nach Verlegung des Verbandssitzes nach Münster auch unmittelbarer. Wir hören zu, schließlich sind trotz der notwendigen Suche nach neuen Vertriebswegen unsere Annahmestellen der Vertriebspartner Nr. 1. Lassen Sie mich auch sofort deutlich machen: Sie werden es auch bleiben!

    Frage: In beiden Organisationen vollzieht sich ein Generationswechsel nicht nur bei den handelnden Personen. Wie sieht die Zukunft aus?

    Hans-Jürgen Gärtner: Der LTV hat den Generationswechsel, zumindest was das Hauptamt angeht, vollzogen. Auch bei uns ändert sich vieles. Nicht nur handelnde Personen, sondern Entscheidendes rund um die Annahmestellen. Die Fluktuation ist groß. 13 Annahmestellen haben im letzten Monat vorwiegend aus wirtschaftlichen Gründen entweder selbst das Handtuch geworfen oder sind insolvent gegangen. 153 neue Annahmestellen sollen in diesem Jahr neu dazu kommen, dabei wird aber die Anzahl der Annahmestellen nicht erhöht. Rund 3 640 Annahmestellen haben wir zurzeit, deutlich weniger als noch vor Jahren. Die Standorte verändern sich, die stark frequentierten Lagen sind für uns unverzichtbar. Sie entwickeln sich nachweislich wirtschaftlich besser und sind zukunftsträchtig. Bestehende Vertragspartner sind aufgefordert, sich über ihr zukünftiges Sortiment ernsthafte Gedanken zu machen. Die traditionellen Annahmestellen mit dem Sortiment Lotto, Zeitschriften und Tabak an einem frequenzarmen Standort haben jedenfalls aus meiner Sicht kaum eine Zukunft.

    Tobias Buller: Ich bin jetzt seit über zwei Jahren im Amt. Was sich allein in den letzten zwei Jahren verändert hat, lässt mich vermuten, dass in einigen Jahren nichts mehr so ist wie heute. Klar ist: Es wird für die Annahmestellen nicht einfacher.

    Unsere Aufgabe als Verband ist dabei, die Rahmenbedingungen zu verbessern, um das Überleben möglichst vieler Annahmestellen sicher zu stellen. Dies wird aber nur möglich sein, wenn auch die Mitglieder sich bewegen, Neues ausprobieren, mit der Zeit gehen. Um nur ein Thema anzusprechen: Der Online-Handel wird wachsen, die Annahmestellen müssen reagieren. Eine Mehrkanalstrategie ist unabdingbar.

    Hans-Jürgen Gärtner: Hier sind wir völlig einer Meinung. Es gilt unter Experten als gesichert, dass beide Vertriebskanäle einander stark beeinflussen, so dass ein moderner Händler auf einen Internetauftritt nicht verzichten kann. Wir werden die Annahmestellen bei der Errichtung eines Internetauftrittes tatkräftig unterstützen.

    Frage: Die veränderten Rahmenbedingungen wurden genannt. Wie steht es um das leidige Thema „Staatsvertrag“. Was hat sich nach der Verabschiedung verändert? Wohin geht die Reise?

    Tobias Buller: Eine unendliche Geschichte… Die Geburtswehen des Staatsvertrages haben wir hautnah erleben dürfen. Zu unserem Leidwesen allerdings erst nach massivem Einwirken. Die Anhörung im Landtag von NRW zum neuen Glücksspielstaatsvertrag war jedenfalls ernüchternd. Jugendschutz und Suchtbekämpfung, Wettbewerb über private Wettanbieter, illegales Spielgeschäft – um nur einige Kernprobleme zu nennen – sind nach langem Hick-Hack in einen neuen Vertrag gegossen worden. Der Stein der Weisen konnte nicht gefunden werden. Schon auf der politischen Ebene gab es widerstreitende Interessen zwischen den Bundesländern. Die jetzt im Nachgang in NRW verabschiedete Werberichtlinie gibt ein wenig Hoffnung auf Besserung. Andere Dinge werden auch weiter die Gerichte beschäftigen.

    Hans-Jürgen Gärtner: Lassen Sie mich das Stichwort Werberichtlinie aufgreifen. Hier wird man sehen müssen, inwieweit die Gerichte die aus Sicht der Lottogesellschaften dringend notwendige Möglichkeit mitmachen, wieder intensiver Werbung betreiben zu dürfen, wie die Privaten es unbehelligt seit Jahren tun. Nur so nebenbei: Schließlich geht es auch um rund 670 Mio. Euro, die jährlich durch WestLotto für gemeinnützige Zwecke zur Verfügung gestellt werden. Auch die Genehmigungspraxis zum Betreiben von Annahmestellen macht uns sehr viel Arbeit. Der heilige Bürokratius zwingt auch langgediente Annahmestellen, u. a. ein polizeiliches Führungszeugnis und einen aktuellen Gewerbezentralregister-Auszug vorzulegen. Bis heute sind auch die Lizenzen für Sportwetten noch nicht vergeben. Herr Buller hat uneingeschränkt recht: Eine unendliche und zudem in Teilen auch noch sehr unerfreuliche Geschichte…

    Frage: Das Thema Wettbewerb klang an. Das Internet gewinnt immer mehr an Bedeutung. Wo liegen die Grenzen? Ist Internetspiel Chance oder Risiko für die Annahmestellen?

    Hans-Jürgen Gärtner: Augenblicklich unterhalten wir uns um eine Größenordnung von unter 5 Prozent vom Gesamtumsatz. Wenn ich in die Zukunft blicken soll, so sind die Wachstumsraten sicher – wie im übrigen Einzelhandel auch – auf den ersten Blick bedrohlich. Dennoch: Ich glaube, dass eine Größenordnung von über 20 Prozent Umsatzanteil, die eine im Auftrag des Bundesverbands der Lottoannahmestellen erstellte Analyse nahelegt, nicht realistisch ist. Ich will das Internetspiel nicht klein reden, schließlich wachsen neue, international aufgestellte Anbieter wie Pilze aus dem Boden, eine Regulierung scheint kaum möglich. Das staatliche Lotto muss durch neue Spiele, durch Seriosität punkten. Abzocke sei den anderen überlassen!

    Tobias Buller: Die Annahmestellen leiden unter den zunehmenden Angeboten im Internet. Sie würden auch gerne an den dort erzielten Umsätzen teilhaben. Die Frage des „Wie“ beschäftigt uns seit geraumer Zeit. Neidisch blicken wir auf die Kollegen in Bayern, die an den Umsätzen im Internet beteiligt werden. Einen Weg dahin sehe ich, wenn es den Annahmestellen – auf welchem Weg auch immer – gelingt, nachweislich im Internet Umsatz zu generieren. Ich wiederhole mich: Dazu ist es zunächst dringlich notwendig im Internet vertreten zu sein! Wir müssen lernen, den stationären und den Internethandel zu verzahnen, auch wenn ich für diese Meinung oft kritisiert werde. Wir müssen schauen, wo der Kunde ist und uns auf dieses Medium mit einstellen. Andernfalls spielen wir den privaten Anbietern in die Karten.

    Frage: Das Dauerthema Spielsucht und Jugendschutz klang an. Gibt es etwas Neues?

    Hans-Jürgen Gärtner: Leider ja. Die Tests werden jetzt im Verantwortungsbereich der jeweiligen Bezirksregierungen durchgeführt. Das „Leider“ bezieht sich auf die drohenden Sanktionen wie Ordnungsgelder und Lizenzentzug durch die staatliche Aufsichtsbehörde.

    Tobias Buller: Das „Leider“ gilt aber für uns auch! Anreizsysteme wie Prämien für diejenigen, die sich vorbildlich verhalten, gibt es künftig nicht mehr. Andererseits eröffnen Maßnahmen der Ordnungsbehörden auch den Weg zu den Gerichten – vom Einspruch bis zur Klage gegen drohende Schließungen. Gleichwohl hätte ich es für ein richtiges Signal den Annahmestellen gegenüber gehalten, die bislang gezahlten Prämien beizubehalten.

    Frage: Von der Einführung des Eurojackpots hat man sich viel versprochen. Konnten die Erwartungen erfüllt werden?

    Hans-Jürgen Gärtner: Hier kann ich mit einem uneingeschränktem „Ja“ antworten. Die Wachstumsraten sind sehr erfreulich, besonders bei dem derzeitig steigenden Jackpot. Über acht Prozent des gesamten Umsatzes in NRW entfallen bereits auf das neue Spielangebot. Das zeigt deutlich die wachsende Bedeutung dieses Produktes.

    Tobias Buller: Die Entwicklung zeigt, wie ungeheuer wichtig es ist, dass neue und zudem auch konkurrenzfähige Produkte das Geschäft beleben. Spieler wollen spannende und gewinnträchtige Anreize haben. Natürlich ist klar, dass das Damoklesschwert Spielsucht über allem schwebt. Neue Produkte zu kreieren, ist nicht das Problem, sie genehmigungsfähig zu machen, ist die weit schwerere Aufgabe.

    Frage: Eine abschließende Frage zum künftigen Miteinander: Was erwartet der LTV von WestLotto und wie ist die Erwartung von WestLotto?

    Hans-Jürgen Gärtner: Wir haben eine offene und faire Gesprächskultur entwickelt und sind weiterhin sehr daran interessiert, bei allen anstehenden Themen die Annahmestellen und insbesondere den LTV als deren Interessenvertreter einzubinden. Daran erkennt man auch, dass keine Annahmestelle in NRW Befürchtungen haben muss, eine Mitgliedschaft im Verband werde vom Unternehmen negativ gewertet. Wir erwarten aber von unseren Gesprächspartnern ein hohes Maß an Professionalität. Die komplexer werdenden Zusammenhänge lassen auf schwierige Fragen leider keine einfachen Antworten zu.

    Tobias Buller: Wir wollen nicht nur gehört, sondern stets auch ernst genommen werden. Wir wollen konstruktiv und – wenn notwendig auch mit kontroversen Positionen – mitwirken, um unsere berechtigten Interessen zur Geltung bringen. Wir sehen dabei die Lottogesellschaft nicht als natürlichen Feind, sondern als Partner – wir sitzen schließlich im selben Boot.

    Nachdruck mit freundlicher Genehmigung aus einer Broschüre des LTV NRW.

    (DTZ 42/13)