Schlagwort: Sozialpartnerschaft

  • „Abschluss mit Weitsicht und Vernunft“

    HAMBURG // Die Tarifverhandlungen zwischen der der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) und der Interessensvertretung Arbeitgeber der Cigarettenindustrie (AdC) wurden nach einer Runde Anfang Dezember abgeschlossen. Im Januar 2024 war noch eine Schlichtung nötig. Zu dem Ergebnis äußert sich Ulf Zedler, AdC-Vorstandschef und Verhandlungsführer der Arbeitgeber sowie Leiter Personal und Kultur Deutschland bei Japan Tobacco International in Deutschland.


    Herr Zedler, erst schlichten, dann verhandeln und das alles in nur einem Jahr? Geht Ihnen da der Spaß am Verhandeln nicht aus?

    Ulf Zedler: Das Jahr 2024 war dahingehend schon intensiv, das stimmt. Und es ist auch nicht immer ein Spaß. Aber es freut mich schon, wenn wir uns austauschen, auch mal in der Sache lauter werden, aber im Endeffekt dann sagen können: Wir haben zusammen einen Abschluss mit Weitsicht und Vernunft erzielt.

    Erklären Sie uns das genauer.
    Zedler: Zunächst einmal ist es uns zum ersten Mal seit fünf Jahren wieder gelungen, einen Abschluss über eine Laufzeit von 24 Monaten zu erzielen. Das bedeutet eine längere Sicherheit und eine gewisse Weitsicht aller Beteiligten. In dieser Zeit werden wir die Entgelte und Ausbildungsvergütungen jetzt einmal um drei Prozent und zum Januar 2026 um weitere 2,3 Prozent erhöhen. Das ist ein vernünftiges Ergebnis, da es unsere wirtschaftliche Lage, das gesunkene Inflationsumfeld und unsere substanziell höheren Verhandlungsergebnisse 2022 und 2023 als Vorleistung achtet.

    Wie kann es gelingen, in nur einer Runde fertig zu werden?
    Zedler: Ehrlich gesagt, haben auch wir damit nicht gerechnet. Aber wir haben es geschafft, sehr schnell aus einem Kreis vieler Stimmen und Meinungen in einen kleineren Gesprächskreis zu kommen. In dem haben wir vieles, was man vielleicht als übliche Rituale bezeichnen kann, beiseitegeschoben und sofort Tacheles gesprochen. Das hat uns sehr geholfen und viel Zeit gespart. Aber das bedarf der Zustimmung aller und das notwendige Vertrauen. Das war diesmal da.

    Jetzt haben Sie 24 Monate Ruhe an der Tariffront. Was wird Sie in der Sozialpartnerschaft beschäftigen?
    Zedler: Die Ruhe bei Tarifen wird uns die Zeit geben, andere Aspekte aufzugreifen. Schon im April 2025 kommen wir wieder alle mit der NGG auf ihrem Branchenforum Cigarette zusammen. Ein Top-Thema dort: Wie kann die Sozialpartnerschaft genutzt werden, wenn es darum geht, den Beschäftigten in Deutschland und Europa eine aktive und relevante Stimme zu geben, zum Beispiel im Rahmen der ja alsbald wieder anstehenden, weitreichenden Regulierungsvorhaben aus der EU.

    Herzlichen Dank, Herr Zedler, für das Gespräch.

    red

  • „Im Ergebnis akzeptabel“

    HAMBURG // Die [link|https://adc-online.de/]Arbeitgeber der Cigarettenindustrie (AdC)[/link] haben dem Vorschlag des Schlichters vom 18. Januar zugestimmt. Damit steigen zum 1. Januar die Löhne in allen Tarifgruppen um 250 Euro, in allen Ausbildungsjahren um 140 Euro. Mit DTZ hat AdC-Geschäftsführer Ulf Bauer gesprochen.

    Deutschland protestiert, Deutschland streikt. Das war schon 2023 vielfach so. Und es sieht Anfang 2024 wahrlich nicht anders aus. Unser persönliches Gespräch und die dazu nötigen Zugfahrten fallen aus. Die Tarifverhandlungen in der Cigarettenindustrie sind abgeschlossen, bei Ihnen aber ohne Streik – wieder einmal. Wie schaffen Sie das?
    Ulf Bauer: Vielleicht ist nach über 70 Jahren Sozialpartnerschaft irgendwann einmal das erste Mal. Aber 2024 nicht. Das freut uns, aber es hat auch ein Preisschild. Wir haben zweimal intensiv verhandelt. Und wie 2021 ging es auch 2024 nicht ohne den neutralen Schlichter, den die Gewerkschaft angerufen hat. Der hat allerdings aus meiner Sicht einen guten Job gemacht, beide Parteien auch mal an den Ohren gezogen, um zum Ergebnis für alle zu kommen.

    Wie sieht das Ergebnis aus?
    Bauer: Wir haben für eine Laufzeit von einem Jahr abgeschlossen. Gerne hätten wir Arbeitgeber mal wieder eine längere Dauer vereinbart. Aber die wirtschaftlichen Unsicherheiten führten bei der NGG und den Betriebsräten dazu, erneut eine kurze Laufzeit anzustreben. Sie wollten Risiken für die Beschäftigten minimieren, lieber Ende 2024 wieder mit uns zusammenkommen. Wir haben das akzeptiert, weil auch wir wissen, Prognosen über ein Jahr hinaus sind zurzeit nicht einfach.

    Und wie sieht es monetär aus? Was kommt bei den Beschäftigten auf dem Konto an?
    Bauer: Wir haben vereinbart, im ersten der zwölf Monate keine Erhöhung durchzuführen, in den anderen elf erhalten Azubis 140 Euro mehr pro Monat, alle Tarifgruppen bekommen 250 Euro. Das macht auf ein ganzes Jahr berechnet 232 Euro mehr pro Monat …

    … bei einer Gewerkschaftsforderung von …
    Bauer: … 490 Euro pro Monat für eine Laufzeit von zwölf Monaten. An den Zahlen könnte man ablesen: gut gemacht, Arbeitgeber. Im Ergebnis nicht einmal die Hälfte der Gewerkschaftsforderung. Aber auch diese Medaille hat eine zweite Seite.

    Was steht auf der anderen Seite der Medaille?
    Bauer: Sie müssen die 232 Euro ins Verhältnis setzen. Das macht runde sieben Prozent in unteren ETV-Gruppen und immer noch rund 3 Prozent in den oberen Gruppen. Daran allein merken Sie, die Forderung von 490 € war wenig realistisch. Im Schnitt zahlen unsere Unternehmen jetzt knapp über vier Prozent mehr Lohn in 2024. Nach den sechs Prozent im Jahr 2022 plus Inflationsausgleichsprämie von über 2000 Euro ist der Abschluss jetzt noch akzeptabel, aber doch grenzwertig.

    Wieso grenzwertig? Ist es nicht gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ein gutes Zeichen, als Unternehmen niedrigere Gehaltsgruppen stärker zu stützen?
    Bauer: Ja, das stimmt. Und da waren wir uns mit der NGG und den Betriebsräten auch einig. Das geht heute in Ordnung. Wir dürfen aber nicht aus den Augen verlieren: In unserer Industrie wird traditionell sehr gut bezahlt. Das heißt, vier Prozent in der Zigarette ist deutlich mehr Geld als vier Prozent in den allermeisten Branchen. Und eine Industrie, die wirtschaftlich zwar stabil handelt, aber seit Jahren konstant an Volumen verliert und gleichzeitig eine riesige Transformation vor der Brust hat, darf auch bei Löhnen nicht aus dem Ruder laufen. Andere Brachen haben im vergangenen Jahr und für 2024 im Schnitt mit 3,4 Prozent abgeschlossen. Und das bei einer durchschnittlichen Erwartung aller führenden Wirtschaftsinstitute an die Inflation 2024 von 2,6 Prozent.

    Sie sprechen jetzt stets von der Industrie. Hatten Sie nicht 2022 als einzelne Firmen allein verhandelt? Wie war das in diesem Jahr?
    Bauer: Das einzelne Verhandeln 2022 hatte Vor- und Nachteile. Ein großer Vorteil lag darin, dass der Tarifkommission der Arbeitnehmer wieder einmal bewusst geworden ist, es gibt nicht nur Gemeinschaft der Industrie, sondern auch sehr berechtigte einzelne Interessen. Dazu haben wir im August 2023 einen großen, gemeinsamen Sozialpartnerdialog der Arbeitgeber und Arbeitnehmer durchgeführt. Der ergab gemeinsame Ergebnisse und Aufgaben für 2024, die wir mit der NGG jetzt gemeinsam angehen. Aber ich meine, wer das gemeinsam will, sollte auch beim Tarif zusammen verhandeln. Das haben wir gemacht und auch bei dem Prozess mit Pro und Contra. Also eigentlich: wie immer im Leben.

    Herzlichen Dank, Herr Bauer, für das Gespräch.

    max