Schlagwort: Pressefachhandel

  • Presse Roundtable: Viele kleine Puzzleteile ergeben ein Bild

    DTZ-Runde: Suche nach konstruktiven Ansätzen zur Verbesserung der Situation im Facheinzelhandel

    MAINZ (DTZ/kh/fok). Zugegeben: Es war keine paritätisch ausbalancierte Runde, die sich am vergangenen Donnerstag auf Einladung der Tabak Zeitung in Mainz auf dem Lerchenberg traf, um die Situation des Presseeinzelhandels zu beleuchten und darüber nachzudenken, wie und wo Stärken des Fachhandels besser genutzt, Schwächen innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette Presse ausgemerzt und Ideen für gemeinsame Strategien entwickelt werden können.

    Die eingeladenen Vertreter von Verlagen, Nationalvertrieben, Grossobetrieben und natürlich Pressefacheinzelhändler haben eines gemeinsam: Sie setzen sich im Eigeninteresse für einen gut sortierten, kompetenten und verkaufsaktiven Pressefacheinzelhandel ein. Gemeinsame Interessen, aber auch gemeinsame Antipathien waren also durchaus vorprogrammiert, ja sogar gewollt, um Ansatzpunkte für ein strategisches Miteinander auszuloten.

    Drei verschiedene Wertschöpfungsstufen – viele unterschiedliche Meinungen: Wenn Vertreter aus Verlag, Grosso und Einzelhandel an einem Tisch sitzen, kann keine absolute Einigkeit herrschen. Das spiegelte sich auch an diesem Nachmittag beim Presse-Roundtable der Tabak Zeitung wider. Uneinigkeit herrschte vor allem bei den Themen, welche Aktionen von Grosso und Verlagen dem Einzelhandel wirklich und langfristig helfen können oder wer das Geld dafür in die Hand nehmen muss. Und obwohl sich jede Partei darüber bewusst ist, dass es Probleme gibt – sei es durch Wirtschaftskrise oder andere Faktoren – wurde auch in dieser Runde das Grosso-System nicht ansatzweise in Frage gestellt, sondern von allen geschützt. Nun aber von vorne. In einem waren sich die Teilnehmer des Presse-Roundtable nämlich einig: Sie sprachen unisono ein großes Lob für einen Großteil der Einzelhändler aus und zeigten viel Verständnis für deren Lage.

    Einzelhändler sind „Verkäufer“, die sich oft nicht mehr in ausreichendem Maß auf ihre eigentliche Verkaufsarbeit konzentrieren können, hieß es. Die Bürokratie, der „Papierkram“ nehme inzwischen einen Großteil ihrer Arbeitszeit in Anspruch. „Einzelhändler klagen darüber zurecht“, so der Grossist Hans-Dieter Müller, „es hilft ihnen nur nichts. Es ist chancenlos, denn zu viele verzichtbare Vorgänge halten sie nach wie vor von der optimalen Präsentation und vom aktiven Verkaufen ab“.

    Unternehmer Dr. Adam-Claus Eckert: „Es ist eine Zumutung, dass Einzelhändler jetzt sogar an einigen Orten Deutschlands von mehreren Grossisten gleichzeitig beliefert werden. Das bedeutet für den Fachhändler Mehrarbeit. Es muss einen einzigen Grossisten für ein Gebiet geben.“ Unter diesen Umständen leide oftmals nicht nur die „Qualität“ des Verkaufens, sondern auch die Bereitschaft der Einzelhändler sich darüber hinaus zu engagieren.

    Das Hauptproblem, so scheint es, ist, dass Einzelhändler sich gegen vielerlei wehren müssten, schleichende Spannenkürzungen etwa, doch dazu fehlten den Facheinzelhändlern schlicht die nötige Zeit und das Geld – und daher auch die Motivation. Und dies wiederum ist Hauptursache dafür, dass der Einzelhandel bisher nicht den notwendigen Organisationsgrad erreichen konnte, der zur Durchsetzung seiner Interessen notwendig wäre.

    Daher existierte in der Runde der Vertreter von Verlagen, aus dem Grosso und dem Einzelhandel starke Skepsis an dem Gelingen eines solchen Interessen-Zusammenschlusses. Dr. Eckert, der diese Forderung nach einer Bündelung der Interessen schon seit langem verfolgt, auch wenn er an ein Gelingen kaum noch zu glauben wagt: „Grosso und Einzelhandel müssen sich eben gemeinsam gegen schleichende Spannenkürzungen wehren. Sie müssen sich verbünden.“ Und Gertrud Schäfer ergänzt: „Jeder Einzelhändler ist auch ein Unternehmer und muss sich überlegen, woran er verdient.“ Auch ihrer Ansicht nach fehle Einzelhändlern die Gegenwehr, und es mache durchaus Sinn sich als Pressefachhändler in einem Verband zu organisieren.

    Eigentlich dürften Discounter als Presse-Verkaufsstellen keine Konkurrenten sein, so die Vertreter der Verlage und des Grosso. Fachhändler hätten es ihrer Meinung nach schließlich in der Hand, die eigenen Vorteile auszuspielen – den persönlichen Kontakt zum Kunden. „Discounter sind keine Verkäufer. Die kassieren nur“, ärgert sich der Frankfurter Einzelhändler Günther Kraus. „Ist es nicht scheinheilig vom Grosso, dass dem Einzelhändler einerseits neue Regale zur Umsatzoptimierung empfohlen werden und gleichzeitig in Discounter investiert wird? Ich behaupte, wir würden auch ohne Discounter den Umsatz machen, den wir heute zusammen machen. Presseeinzelhändler sind nämlich hoch motivierte Verkäufer.“

    Vertriebssystem ist gut aufgebaut und funktioniert
    Meistens werde auf hohem Niveau gejammert, findet Markus Klei: „Unser Vertriebssystem ist gut aufgebaut und funktioniert gut“, so der Vertriebsleiter bei Burda. Es hake lediglich an Kleinigkeiten. „Wir sollten uns hier nicht unnötig mit Basics aufhalten, die fast schon den Charakter selbstverständlicher Hygienefaktoren haben wie unter anderem kulante Gutschriften bei Spätremission, Zählfehler, transparentes Belegwesen, Servicebereitschaft bei Nachlieferungen und so weiter – der Einzelhandel ist hier von lästiger Administration frei zu halten, damit er sich auf das aktive Verkaufen und die optimale Präsentation konzentrieren kann“, fasste Hans-Dieter Müller zusammen.

    „Wir als Grosso sollten es schaffen, das zu verbessern, was tatsächlich vom Einzelhandel als Hilfe bei der Erzielung guter Renditen mit Presse empfunden wird und was rasch wirksam umgesetzt werden kann. Das sind ganz alltägliche Dinge, zum Beispiel tatsächlich nachfrageorientierte Liefermengen und Sortimente, Unterstützung bei lokalen Events, Optimierung von Größe und Struktur des Presseregals“, so der geschäftsführende Gesellschafter bei Emil Dittmann.

    Leidwesende sind oft vor allem die Einzelhändler
    „Das Grosso und die Verlage können sich weniger beschweren. Der Einzelhandel hat deutlich zu wenig Umsatz“, meinte Dr. Eckert. „Wenn Verlage und das Grosso uns nicht helfen, dann haben auch sie ein Problem.“

    Über diesen Punkt herrschte beim Roundtable Einigkeit. „Klar, wir sind auf den Facheinzelhandel angewiesen und auch wir heißen es nicht gut, wie einige Verlage mit ihm umgehen“, so Markus Klei. „Eine gemeinsame Aufgabenstellung aller Marktteilnehmer sollte die Förderung des Pressefachhandels sein“, sagte Kraus.

    Ein wichtiger Punkt ist die Motivation der Fachhändler. „Pro Titel sollte ein Mindestnutzen für den Einzelhandel definiert werden, um die Motivation der Einzelhändler als Presseverkäufer nicht aufs Spiel zu setzen. Zudem sollten Verlage den Facheinzelhandel auch am Abo-Vertrieb partizipieren lassen“, so der Fachhändler Kraus, der selbst fast jeden Tag hinter der Ladentheke steht und Zeitungen und Zeitschriften verkauft.

    Motivierte Verkäufer sind das A und O im Presseverkauf – hier herrschte große Einigkeit. „Verlage können geldwerte Vorteile bieten. Es sollte Belohnungen für den Einzelhandel geben, wenn dieser durch besondere Aktionen mehr verkauft. Auch der Facheinzelhandel freut sich über kleine Aufmerksamkeiten, die die Motivation steigern“, betonte Kraus. DTZ-Chefredakteur Folker Kling schloss sich dieser Meinung an und ergänzte: „Die Bereitschaft wächst, wenn der Einzelne seinen Nutzen sieht.“ Der Wille des Einzelhändlers spiele eine zentrale Rolle: „Vor allem der Wille muss bei den Fachhändlern da sein. Das Know-how muss man lernen. Wir müssen in Personal-Know-how investieren“, so Hermann Breitbach von der IPS Pressevertrieb GmbH.

    Auch auf den Blauen Globus kam man in der lebhaften Runde zu sprechen: „Der Blaue Globus war im Ergebnis eine Fehlinvestition“, so Schlaghecken. „Das Konzept war gut gedacht, an der konsequenten Verfolgung der Ziele durch wirkungsvolle, verkaufsfördernde Maßnahmen hat es aber auf allen drei Stufen gemangelt.“

    Wenn man den Blauen Globus wiederbeleben wollte, bräuchte es klare Linien, so Kraus und zählte auf: „Sortimentsgestaltung, Servicebereitschaft, gutes Personal, Übersichtlichkeit, VMP-Kassen, aktives Verkaufen, Kundenansprache, Zweitplatzierung, die man wieder verwenden kann, gute Schaufensterdekoration, Frühremission vermeiden, Sortimentsoptimierung. Manche Titel müssen immer vorhanden sein, auch wenn sie dreimal nicht verkauf werden“, sagte er. „Durch diese Kriterien kann man auch die Presseverkaufsstellen minimieren.“

    Das Internetportal „www.pressefinden.de“ stieß beim Fachhändler Günther Kraus ebenfalls auf Kritik. „Da tut sich seit einem Jahr nichts.“ Und Markus Klei fügte hinzu: „Im Grosso tut man sich schwer mit Projekten, die einzelne Grossisten entwickelt haben.“ Und Schäfer ergänzte: „Da muss das Grosso Firmenegoismen überwinden.“

    Zu viele Presseverkaufsstellen oder nicht?
    Eine große Diskussion löste Hermann Breitbach mit seiner Aussage aus, dass es in Deutschland definitiv zu viele Presseverkaufsstellen gebe. „Auch Presse muss den Käuferströmen folgen und in Anbetracht der strukturellen Veränderungen im Einzelhandel Ersatz für die Geschäfte schaffen, die schließen“, relativierte Udo Schlaghecken. Die Zahl werde weiterhin zulegen, so Schlaghecken. Und Dr. Eckert fügte hinzu: „Jede Bäckerei hat inzwischen ihre drei Titel, jeder Baumarkt kriegt seine Bauzeitschriften geliefert. Dagegen wehre ich mich.“ Es sei nichts gegen die Belieferung von Discountern mit Presse einzuwenden, sagte Gertrud Schäfer. Ungerecht sei aber, dass nicht alle ein Vollsortiment führen müssten. Der Fachhandel habe mit seinem Vollsortiment eine erhebliche Kapitalbindung und hohe Kosten für Präsentation und Bearbeitung, während sich die Discounter die Rosinen heraus pickten und dem Fachhandel damit notwendige Basiserträge entziehen würden, hieß es aus der Runde.

    Ressourcen an andere Stellen umverteilen
    Natürlich war das Geld auch an diesem Tisch eines der wichtigsten Themen: „Die Entwicklung kann man nicht aufhalten“, so Hermann Breitbach. „Der Rohertrag schrumpft von der ersten bis zur letzten Stimme. Man muss den Kuchen gerecht umverteilen. Das ist aber schwierig, weil es eine Machtbarriere gibt.“ Breitbach weiter: „Wir müssen die Ressourcen verteilen an die Stellen, die es verdienen. Gelder, die in die Erschließung der Discounter fließen, müssten woanders hingehen. … Leider ist es utopisch, dass man Geld dort ausschütten kann, wo es sich lohnt. Die Leistungsbereitschaft muss sich aber auszahlen. Schließlich hängen wir alle von diesen engagierten Fachhändlern ab“, so Breitbach.

    Doch woher Geld nehmen, wenn nicht stehlen: „Wir können keine Geldversprechen machen. Das ist unrealistisch“, betonte Markus Klei. „Wir sind sonst zu allem bereit. Man kann mit uns über alles reden. Wir wären auch zu mehr gemeinsamen Sitzungen bereit, auch mit dem Einzelhandel. Die Frage ist nur, wie fruchtbar das ist. Wie soll das Ergebnis aussehen in dieser wirtschaftlich schweren Situation?“, gab er zu bedenken. „Wir sind froh über das gute Handelssystem und haben nicht zu klagen.“ Und Rüdiger Eichholz von Konradin ergänzte: „Es ist keine Riesenbaustelle. Das System funktioniert ja.“

    „Wir müssen mehr und konsequenter miteinander reden, und zwar zu dritt – Facheinzelhandel, Grosso und Verlage“, sagte Udo Schlaghecken von der PVG. „Wir haben auch knappe Ressourcen. Folglich müssen wir den Facheinzelhandel fragen, welche Maßnahmen ihm im Rahmen des Möglichen am ehesten helfen, um so die knappen Ressourcen bestmöglich zu investieren. Das setzt natürlich auch auf Seiten des Facheinzelhandels Verbindlichkeit hinsichtlich der Umsetzung voraus.“

    „Wenn ein bestimmtes Objekt oder eine spezielle Warengruppe vom Groß- und einzelhandel mit beträchtlichem Aufwand besonders in den Fokus gerückt wird, sollten die betroffenen Verlage an der Gestaltung und Finanzierung des Mitteleinsatzes beteiligt werden“, sagte Müller. Auf alle Fälle müsse das Grosso den Einzelhandel beim Marketing durch Präsenz und Lieferung von nicht alltäglichen Verkaufsfördermitteln, wie etwa Handzetteln, Bistrotischen, Glücksrädern bis hin zu Promotion-Teams und ähnliches, unterstützen.

    „Es ist klar geworden, dass bei der Investition in das Geschäft beim Einzelhandel finanzielle Gründe die Hauptbremse sind“, resümierte Hans-Dieter Müller. Darum setzt der Grossist auf Hilfspakete des Grossos („am besten zusammen mit den Verlagen“), die rasch voran getrieben werden sollten. Wie in der Vergangenheit behält Müller dabei auch Regaloffensiven im Blick. Die Hilfe sei bei den inhabergeführten Geschäften, die sie in Anspruch genommen haben „in Euro und Cent unmittelbar positiv zu spüren“, so Müller. „Unsere 260 inzwischen umgestellten Händler können ein Lied davon singen. Dabei sind pauschal gleichförmige Konzepte gar nicht nötig – jeder Grossist ist kreativ genug, um individuelle Wege zu finden.“

    Einzelhändlern den Rücken für Verkauf freihalten
    „Wir glauben an eine Lösung“, betonte auch Leiter Einzelverkauf Frank Schröder. „Ganz wichtig, dass wir mit den Einzelhändlern sprechen. Das fällt unserer Erfahrung nach auf fruchtbaren Boden. Den Weg wollen wir fortsetzen“, so Schröder und an alle Teilnehmer gewandt: „Nehmen Sie uns und die Grossisten bitte in die Pflicht.“ Die Verlage werden nicht alle Probleme des Einzelhandels lösen können, wie Schröder betonte: „Auch wir können nur begrenzt Geld investieren, aber wir können mit vielen kleinen Aktionen helfen – wie beispielsweise mit Verkaufshilfen, Werbemitteln und besserer Kommunikation. Wir wollen versuchen dem Einzelhändler den Rücken für den aktiven Verkauf frei zu halten.“

    „Die Hauptinvestition des Verlages muss in die Titel gehen, das ist das A und O“, so Gertrud Schäfer: „Es braucht qualitativ hochwertige Objekte mit vernünftigen Copypreisen und auskömmlichen Rabatten. Jeder von uns muss seine Hausaufgaben machen.“ Und Kraus schloss sich an: „Wir müssen viele kleine Puzzleteile zu einem großen Bild zusammensetzen. Dann funktioniert es.“ DTZ-Chefredakteur Folker Kling ergänzte: „Gute und gelungen Aktionen können wir gerne über die Tabak Zeitung oder BTWE kommunizieren um Breitenwirkung zu erzeugen.“

    Bedeutung höher als aktive Einbindung des Einzelhandels
    Ein kurzes Fazit des Roundtable-Gesprächs: Die Bedeutung des Presseeinzelhandels für weite Teile der Verlags- und Grossolandschaft ist höher als die aktive Einbindung eben dieser entscheidenden Schnittstelle zum Konsumenten in die Verhandlungen über die künftige Struktur des Pressevertriebs. Wer die Motivation des Pressehandels verbessern will, kommt nicht daran vorbei, ihn aktiv in die Entscheidungs-Prozesse einzubinden. Die Diskussion zeigte puzzleartig die Probleme wie auch Lösungsansätze auf. Um daraus ein funktionierendes Ganzes zu machen, ist aber auch und gerade ein viel breiteres Engagement des Presseeinzelhandels erforderlich. Nur wenn viele Beteiligte punktuell und/oder generell am selben Strang ziehen, kann aus den Puzzleteilen ein vollständiges Bild eines zukunftsorientierten Miteinanders entstehen.

    (DTZ 09/09)