Schlagwort: Personalknappheit

  • „Unbedingter Wille zum Erfolg“

    RÖSRATH // Wenn der [link|https://www.tabakwelt.de/]Handelsverband Tabak (BTWE)[/link] ruft, dann eilt die Branche nach Rösrath, um sich im Speckgürtel Kölns über Probleme und Chancen auszutauschen. Rund 100 Teilnehmer waren diesmal der Einladung gefolgt und diskutierten im Rahmen des BTWE-Branchendialogs.

    Durchhaltevermögen beweisen
    Zur Begrüßung griff BTWE-Präsident Torsten Löffler das Sommer-Event schlechthin auf: die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland. Dort würden die Teams sich häufig „auch in aussichtslosen Situationen zum Sieg kämpfen“ und immer wieder Durchhaltevermögen beweisen. Das sei es auch, so Löffler, was den Handel auszeichne – und zudem der ausgeprägte Wille zum wirtschaftlichen Erfolg.

    Ein wichtiges Thema war für Löffler die fortschreitende Digitalisierung. Hersteller und Großhandel seien vermutlich wenig betroffen, der Handel zumindest immer dann, wenn er seine Produkte über Plattformen verkaufe. Aber: Der Einzelhandel könne als stationärer Anlaufpunkt der Konsumenten Lücken schließen, vor allem wenn es um die Beratung gehe, die nicht ersetzt werden könne. Auch den Aspekt des Jugendschutzes mahnte Löffler in diesem Zusammenhang an.

    Produktinnovationen und Personalknappheit
    Mit dem – durchaus an die bei dieser Tagung nicht allzu stark vertretene Industrie adressierten – Hinweis, Fachgeschäfte seien ein idealer Ort für die Einführung von Produktinnovationen und dem Blick auf die überall spürbare Personalknappheit leitete Löffler auf Keynote Sprecher Kilian Hampel über.

    Unter dem Titel „Arbeitsplatz der Zukunft“ präsentierte der Jugendforscher die Trendstudie „Jugend in Deutschland 2024“, bei der er als Co-Autor zeichnet. Dafür hatte Hampel gemeinsam mit seinen Kollegen über 2000 Menschen zwischen 14 und 29 Jahren, die sogenannte „Generation Z“ (Gen Z), aus allen sozialen Schichten nach Einstellungen, Trends und Perspektiven befragt.

    Jugendforscher sucht Antworten
    In Rösrath forderte der 28-Jährige sein Publikum auf, gemeinsam nach Antworten und Mustern zu suchen. Ob im direkten Dialog mit dem Forscher oder mittels digitaler Live-Umfrage konnten die Anwesenden sich bei Fragen wie „Was hat Ihre Jugend geprägt?“, „Woran unterscheiden sich Jugend und Alter“ oder „Wie wichtig ist die Work-life Balance?“ einbringen. Ihre Antworten und Einschätzungen stellte Hampel in Relation zu den Studienaussagen der Gen-Z-Teilnehmer und überraschte nicht selten sein Auditorium, wenn er beispielsweise feststellte, dass es keine großen Unterschiede zwischen den Altersgruppen gebe. Ob in den 1960er- (Boomer) oder in den 1990er-Jahren (Gen Z) Geborene – allen Altersgruppen sind laut Hampel, Werte wie Familie, Gesundheit, Freiheit, Gerechtigkeit und Sicherheit wichtig.


    Resilienz der Älteren

    Ähnlich verhält es ich bei Tugenden wie Respekt, Ehrlichkeit, Höflichkeit, Pünktlichkeit oder Zuverlässigkeit. Demgegenüber stellte Hampel fest, dass junge Menschen im Gegensatz zu ihren älteren Mitmenschen stärker unter psychischen Belastungen litten und dass die Resilienz der Älteren ausgeprägter sei, wenn es um allgemeine Belastungen – ob politisch oder sozial – gehe.

    Beim Themenkomplex „Arbeit“ stimmten etwa 42 Prozent der Anwesenden auf die Frage „Was motivierte junge Menschen in Deutschland am meisten für gute Leistung?“ für den Punkt „Etwas Sinnvolles tun“. Tatsächlich jedoch waren es knapp über 50 Prozent der Studien-Teilnehmer, die „Geld“ auf die Frage als Spitzenmotivation im Ranking auswählten.

    Im anschließenden „Thesen-Tango“ (Hampel) bei dem zwischen zwei Optionen, mit „ja“ oder „nein“ geantwortet wurde, bestätigten die Anwesende Kilian Hampels Schlussfolgerung, dass es kaum Unterschiede zwischen Boomern und Gen Z gebe. Etwa bei der These, dass die junge Generation vergleichsweise faul ist. Sowohl in Rösrath als auch in der Studie bewerteten die Befragten die Gen Z mehrheitlich als produktiv. Und beim Reizthema Work-Life-Balance zeigte sich sogar, dass diese für Junge wie für Alte mit über 90 Prozent „sehr wichtig“ sei, konstatierte Hampel. „Wir sollten künftig Arbeit mit allen Altersgruppen planen“, lautete sein persönliches Fazit und der Appell an die Zuhörer.

    Diskussionsrunde mit Branchenvertretern
    Es folgte eine Diskussionsrunde, an der Markus Oberwalleney von Lekkerland, Dürninger-Geschäftsführer Matthias Steckbauer, Wolsdorff-Chef Thomas Vollmer und Mohammad Reza Amiri, Geschäftsführer des E-Zigaretten-Großhändlers Intrade Concepts, teilnahmen. Zum Einstieg zitierte BTWE-Geschäftsführer und Moderator Steffen Kahnt die berühmte Einleitung des Manifests der Kommunistischen Partei: „Ein Gespenst geht um in Europa.“

    Doch er bezog sich nicht auf die geistigen Erben von Karl Marx und Friedrich Engels, sondern auf den allgegenwärtigen Arbeitskräftemangel. Nahezu einstimmig beklagten die Diskutanten, dass es immer schwieriger werde, geeignete Kräfte zu gewinnen. Bei Dürninger setzt man mittlerweile auch auf Internet-Portale wie LinkedIn oder Indeed und postet offene Arbeitsstellen in den Sozialen Netzwerken.


    Vorstellungsgespräche

    Immerhin, so erklärt Steckbauer: „Wer einen Vertrag hat, kommt – meist – auch.“ Demgegenüber stellte Vollmer fest, dass rund 40 Prozent der Eingeladenen gar nicht erst zum Vorstellungsgespräch erschienen. Die Auseinandersetzung mit dem potenziellen künftigen Arbeitgeber sei bestenfalls rudimentär und die Wechselneigung innerhalb der Probezeit enorm: „Nach der Probezeit bleibt vielleicht die Hälfte der neuen Angestellten wirklich im Unternehmen.“

    Bedeutung des Arbeitsumfelds
    Dagegen sind die Bedingungen für die Rewe-Tochter Lekkerland äußerst komfortabel. Oberwalleney berichtete, er suche fast nur noch Mitarbeiter mit drei bis fünf Jahren Berufs-Know-how und habe damit gute Erfahrungen gemacht: „Die Abbruchquote ist nicht sehr hoch.“ Dabei spiele nicht nur das Einkommen eine Rolle; von Bedeutung sei nicht zuletzt das Arbeitsumfeld.

    Tatsächlich sind Benefits für alle Beschäftigten bedeutend. Daher lockt etwa Wolsdorff mit Prämien, einer Pensionskasse und einem Notfonds für unverschuldet in Probleme geratene Mitarbeiter. Auch Dürninger setzt auf Zusatzanreize, betont aber vor allem, wie wichtig das Miteinander innerhalb der jeweiligen Filial-Teams sei. Die Führungskräfte würden angehalten, die Filialen zu führen, als seien es ihre eigenen Geschäfte – ohne direkt ins wirtschaftliche Risiko gehen zu müssen.

    Nach zwei Jahren ein E-Auto
    Bei Intrade ist die Lage bei den Arbeitskräften entspannter, die meisten identifizierten sich mit dem Produkt und blieben meist lange dabei. Das mag auch daran liegen, dass Intrade den Angestellten – laut Amiri keiner älter als 40 Jahre – nach zwei Jahren ein E-Auto zur Verfügung stellt.

    Das Thema „Tabak“ drückt übrigens ebenfalls die Begeisterung möglicher Kandidaten. Oberwalleney bezeichnete es als „Herausforderung“. Vollmer attestierte dem Tabak „einen gewissen Malus“ und bezeichnete 60 Prozent des Personals als tabakaffin. Große Bedeutung haben für alle Betriebe Arbeitszeitmodelle. So sagte Steckbauer, Flexibilität sei der Schlüssel zum Erfolg. Bei Dürninger passe man inzwischen gelegentlich sogar die Öffnungszeiten ans verfügbare Personal an. Oberwalleney wies zugleich darauf hin, dass die Beschäftigten aufgrund der hohen Lebenskosten inzwischen auf Vollzeit-Jobs angewiesen seien.

    Wunschliste für Berlin
    Von Kahnt nach ihren drei Wünschen für das geschäftliche Wirken befragt, nannten die Teilnehmer der Runde abschließend Kompetenz in Berlin, größere Planungssicherheit, berechenbare Lieferanten und Partner, differenzierte und verantwortungsbewusste politische Entscheidungen und – nicht zu vernachlässigen – ein bisschen Glück.

    Statt des im Programm angekündigten Musikers Joey Kelly folgte ein Vortrag des Comedy-Redners Professor Franz Hansen, der nur unter seinem Alias genannt werden möchte. Mit Verve widmete er sich dem Thema „Die Zukunft der Tabakindustrie“. Die in Tweed gekleidete selbsternannte „Koryphäe der Tabakforschung“ (Hansen) erörterte mit Augenzwinkern die „Analytische Konsolidierung betriebswirtschaftlicher Komponenten zur Integration partieller Tabakwaren im Einzelhandel unter mikroökonomischen Gesichtspunkten nach der HDUS-Methode“. HDUS steht bei Hansen übrigens für „Hauptsache der Umsatz stimmt“. 


    kes / max