[head]Parteien noch in Sondierungsphase in Sachen Gastrorauchverbote[/head]
In vielen Bundesländern Bereitschaft für eine Lockerung der Gesetze
BERLIN (DTZ/pnf/fok). Vier Wochen nach dem richtungweisenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Gastrorauchverboten, demzufolge die bestehenden Nichtraucherschutzgesetze in nahezu allen Bundesländern aufgrund ihrer einschneidenden Folgen für kleinere Gastronomiebetriebe nicht verfassungskonform sind, wogt der Meinungsstreit auf politischer Ebene und in den Medien kräftig hin und her. Die vom Gericht aufgezeigten Wege sind eine Erweiterung der Ausnahmen von den Gastrorauchverboten auf inhabergeführte Gastrobetriebe unter 75 qm Fläche einerseits oder ein totales Gastrorauchverbot nach bayerischem Muster andererseits. Zwischen diesen beiden Alternativen haben die Bundesländer bei der Neuformulierung ihrer Nichtraucherschutzgesetze die Wahl. Bis Ende 2009 müssen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes durch entsprechende Gesetzesänderungen umgesetzt sein.
Raucherprotest zeigt Wirkung
Hatten sich die Medien in der monatelangen Diskussion über die Nichtraucherschutzgesetze im vergangenen Jahr in ihrer überwiegenden Mehrzahl auf die Seite der Rauchverbotsbefürworter geschlagen, hat sich das Meinungsbild seither deutlich geändert: Das Verständnis für die in ihrer Existenz bedrohten Gastronomiebetriebe und die Sympathien für den Erhalt klassischer Kneipentradition haben spürbar zugenommen, der sich formierende Unwillen der ausgegrenzten Raucher wird ernst genommen, wobei die Unterstützung der Raucheraktionen durch Unterschriftenlisten und Öffentlichkeitsarbeit seitens Initiativen des Fachhandels und der mittelständischen Industrie erfolgreich gefördert wurden. Und die Politik hat diese Änderung der öffentlichen Meinung sehr wohl zur Kenntnis genommen. Die Einbrüche der CSU bei den bayerischen Kommunalwahlen und spätestens der Spruch des Bundesverfassungsgerichts haben viele Politiker nachdenklich gemacht und das Bewusstsein geweckt, dass Radikallösungen nicht zur optimalen Resonanz der Wählerpotenziale führen.
Sich treu geblieben ist sich nur die FDP, die von Beginn an in nahezu allen Bundesländern aktiv für liberale Lösungen eintrat und die Wahl, ob Raucher oder Nichtraucherlokal, dem Wirt überlassen will. Während die SPD derzeit für möglichst einheitliche bundesweite Regelungen trommelt, hält sich die CDU in etlichen Bundesländern deutlich zurück.
Möglicherweise will man dort erst die bayerischen Landtagswahlen abwarten, um zu sehen, ob die Wähler die CSU erneut für ihr striktes Total-Gastrorauchverbot im Freistaat abstrafen. Mehrere CDU-geführte Länder, allen voran Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, erklärten, an einem von der Vorsitzenden des Gesundheitsministerkonferenz, der schleswig-holsteinischen Gesundheitsministerin Gitta Trauernicht für den 5. September vorgeschlagenen Treffen zur Koordinierung der Länder in Sachen Überarbeitung der Nichtraucherschutzgesetze nicht teilnehmen zu wollen, weil sie beabsichtigten, die Thematik zuvor durch Expertenrunden klären zu lassen.
Trauernicht geht übrigens davon aus, dass die Mehrheit der Bundesländer, darunter auch Schleswig-Holstein, sich für die vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigte Variante einer Ausweitung der Ausnahmen von Gastrorauchverbot für Gastronomiebetriebe mit weniger als 75 qm Fläche entscheiden werden. Probleme sieht sie vor allem bei der klaren Definition der für die Ausnahmen vorgegebenen Kriterien. Die Extremposition eines Totalverbots des Rauchens in der Gastronomie wird vor allem von der Berliner Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher (Linke) vertreten. Sie stößt jedoch z.B. bei der Berliner CDU-Fraktion auf heftigen Widerstand. Der Sprecher der Fraktion, Mario Czajy, wies darauf hin, dass die Senatorin nicht die durch das Bundesverfassungsgericht errungene Wiederherstellung der Wahlfreiheit aushebeln dürfe. Inhaber von Einraumkneipen müssten selbst entscheiden können, ob geraucht werden solle oder nicht. Die SPD hat sich in Berlin noch nicht festgelegt.
In Hessen entzündet sich der Parteienstreit vor allem an den Details, die aber letztlich große Praxisbedeutung haben. Während die Grünen das Arbeitsschutzgesetz ändern wollen, um ein Rauchverbot in allen nicht ausschließlich inhabergeführten Gastrobetrieben durchzusetzen, bezeichnete die CDU-Fraktion den Vorschlag als voreilig. Die FDP hingegen will das Rauchverbot in Einraumkneipen und Raucherclubs aufheben und außerdem auch technische Vorrichtungen als Schutz vor dem Rauch gesetzlich als Alternative zulassen. Die hessische SPD spricht sich weiter für ein Totalverbot aus. Eine Anhörung vor dem hessischen Landtag wird am 11. September stattfinden.
In Niedersachsen hat das Kabinett von CDU und FDP einen Entwurf für eine Änderung des Nichtraucherschutzgesetzes auf den Weg gebracht, der die Erweiterung der Ausnahmen auf Eckkneipen vorsieht, nicht jedoch für Festzelte und geschlossene Gesellschaften, wie es die FDP gefordert hatte. In Baden-Württemberg geht der Riss sogar durch die einzelnen Fraktionen: CDU-Generalsekretär Thomas Strobl wetterte gegen „Gutmenschen“, „raucherfeindliche Eiferer“ und „Totalitarismus“ und setzt sich damit in bewussten Gegensatz zu seiner Parteikollegin und Gesundheitsministerin Monika Stolz, die sich für strenge Rauchverbote stark gemacht hatte.
Gegen bayerische Radikallösung
Auf Bundesebene spricht vor allem die FDP klare Worte: Detlef Parr, Drogenbeauftragter der FDP-Bundestagfraktion: „Wo die FDP regiert, ist die bayerische Radikallösung nicht zu machen. In Baden-Württemberg nicht, in Nordrhein-Westfalen nicht und in Niedersachsen nicht. Und in Bayern wird es auch anders werden, weil die FDP bei der Landtagswahl erfolgreich sein wird.“
(DTZ 36/08)