Schlagwort: Packungsvarianten

  • Lust und Last der Markenvielfalt

    MAINZ (DTZ/fok). „Die Umsätze mit Tabakwaren stagnieren oder sind sogar rückläufig, doch das Angebot an neuen Marken- und Packungsvarianten bei Zigaretten und Feinschnitt nimmt ständig zu. Die Regale des Einzelhandels können das wachsende Angebot gar nicht mehr fassen, gleichzeitig nimmt die Kapitalbindung zu.

    Markenvielfalt und Innovationen sind wichtig, gerade für den Fachhandel. Wenn aber mit immer mehr Packungsversionen ein Verdrängungswettbewerb auf dem Rücken des Groß- und Einzelhandels ausgetragen wird, hört der Spaß auf.“ So lautete der Tenor einer aktuellen Umfrage im Handel zur Sortimentspolitik der Hersteller.

    Weniger Marken – mehr PackungsvariantenNimmt man diese Entwicklung für die vergangenen zehn Jahre unter die Lupe, zeigt sich folgendes Bild: Die Zahl der eigenständigen Marken/Markenfamilien geht sowohl bei der Zigarette als auch beim Feinschnitt zurück. Im Jahr 2000 ermittelte DTZ eine Zahl von 152 eigenständigen Marken, 2005 waren es 126 und im Jahr 2010 (Stand Oktober) 112.

    Innerhalb eines Jahrzehnts war dies ein Markenschrumpfen um 26,3 Prozent. Demgegenüber stieg in diesen zehn Jahren die Zahl der angebotenen Geschmacksvarianten beim Feinschnitt von 269 auf 284, ein Plus von 5,6 Prozent.

    Entgegen der „gefühlten“ Inflation von Packungsvarianten stieg diese auch nur um 5,8 Prozent (359 in 2000; 380 in 2010). Dieses „nur“ rechtfertigt sich aus der Tatsache, dass im gleichem Zeitraum die Absatzmenge des Feinschnitts in Tonnen um schätzungsweise 109 Prozent stieg, sich also mehr als verdoppelte.

    Markenabnahme auch bei FabrikzigaretteUnd wie sieht die Entwicklung bei der Fabrikzigarette aus? Auch hier reduzierte sich die Zahl der eigenständigen Marken, und zwar von 128 in 2000 über 120 in 2005 auf 108 in 2010 (Stand April); im Zehnjahreszeitraum ergibt das ein Minus von 15,6 Prozent.

    Die Zahl der Geschmacksvarianten stieg dagegen um 2,8 Prozent (von 288 auf 298). Und bei den Packungsvarianten ging die Zahl von 420 in 2000 auf 482 in 2010 nach oben (plus 14,8 Prozent). Im Gegensatz zum Feinschnitt reduzierte sich aber das Marktvolumen bei der in Deutschland versteuerten Fabrikzigarette innerhalb von zehn Jahren um schätzungsweise 40,7 Prozent.

    Verändertes Verhalten der Verbraucher ausschlaggebendDer massive Volumenrückgang hat den ohnehin schon harten Wettbewerb verschärft. Die Aktivitäten gehen neben forcierten Angeboten in Alternativprodukten (vor allem Feinschnitt) überwiegend in drei Felder: Preismarketing, Verbesserung des Packungsdesigns und Abdecken aller potenziellen Teilmärkte und Nischen, um ein möglichst breites Spektrum von tatsächlichen oder vermuteten Verbraucherwünschen auf die jeweilige Markenfamilie zu lenken. Letztlich ist dieser Prozess auch durch die starke Einschränkung der Tabakwerbung in Gang gesetzt worden, die die frühere Pflege des Markenimages durch PoS-fokussierte Verbraucheransprache ersetzt und dabei die Verbreiterung der Wahlmöglichkeiten als Instrument einsetzt.

    Im Hintergrund steht, das stellen Industrie und Handel gleichermaßen fest, eine grundlegende Änderung des Verbraucherhaltens. Neben der deutlich gestiegenen Preissensibilität stehen Aspekte der Preisoptik im Vordergrund.

    Vorratshaltung und DualverwenderWeiter spielen die Vorratshaltung (u.a. aufgrund des weniger convenienten Zugangs zum Automaten), die Lockerung der Bindung an eine bestimmte Marken-/Packungsvariante und die zunehmende Zahl der Dualverwender von Fabrikzigaretten und Feinschnitt eine Rolle. Trotz zunehmender Produktions- und Handlingskosten führt dies zu einem Anstieg der Angebotsvielfalt.

    Eines der hieraus entstehenden Probleme für den Handel resultiert aus oft eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen für Markenpräsentation (Stichwort Blockbildung), die bei fast jeder Angebotserweiterung einen Umbau der Regalbestückung notwendig macht und damit für Verdrängungswettbewerb im Regal sorgt. Dabei fallen kleinere eigenständige Marken, die als Spezialitäten für den Facheinzelhandel oft wichtig sind, häufig zumindest aus der optisch wahrnehmbaren Präsentation.

    Handel: Grenzen bei Vielfalt des Angebots klar überschrittenDass nicht jede Neueinführung ein Erfolg wird, ist eigentlich nichts Neues. Aber es spricht schon eine Menge Frustration mit, wenn beispielsweise ein Großhändler sagt: „Wir stellen fest, dass bei acht von zehn neuen Versionen, die über das Streckengeschäft in den Markt gebracht werden, jede Menge Retouren wieder in unseren Lägern landet.“

    Vor allem die Vielzahl der Packungsvarianten steht in der Kritik des Handels. Aber auch hier gibt es Nachdenkliche, die feststellen, dass zum Beispiel beim Feinschnitt die 55-g-Volumenvarianten von einem anderen Kundenkreis gekauft werden als die 80-g-Dosen.

    Glatter 5,00-Euro-Preis fördert NachfrageBei den Zigaretten wurden die Softpacks als verzichtbar genannt, in der Praxis könne man die Kunden der betreffenden Marken immer zum Kauf der etwas teureren Hardbox bewegen. Bei der Zigarette hatte die Ausweitung der Packungsvarianten vor allem mit dem starken Wachstum der Großpackungen zu tun, wobei nach Handelsbeobachtungen hier der effektive Stückpreis eine geringere Rolle spielt als die attraktive Packungspreisoptik. So findet ein glatter 5,00-Euro-Preis offensichtlich besonders gute Nachfrage.

    Fazit aus Handelssicht: „Regalgrößen und Kapitaleinsatz geben Grenzen für die Angebotsvielfalt vor, und die sind aktuell klar überschritten. Die Hersteller müssen erkennen, dass ausufernde Variantenvielfalt nicht zu höheren Erträgen führt.“

    (DTZ 51/10)