MAINZ // Die Zigarrenbranche kommt nicht zur Ruhe: Erst die Umsetzung der EU-Tabakproduktrichtlinie (TPD 2) – ein riesiger Kraftakt für die überwiegend mittelständisch geprägten Unternehmen der Branche – nun die Auswirkungen der Corona-Krise. Und das nächste Bürokratiemonster, Track & Trace, also die Rückverfolgbarkeit der Tabakerzeugnisse vom Hersteller bis zum Einzelhändler, wirft bereits seine Schatten voraus.
Track & Trace
Bis Mai 2024 muss auch bei der Warengruppe Zigarren / Zigarillos Track & Trace umgesetzt werden. Das sind zwar noch knapp vier Jahre, doch die Weichen werden bereits heute gestellt. So mancher kleinerer Anbieter macht sich große Sorgen, ob er alle diese Mammutaufgaben bewältigen kann. Angesichts der Herausforderungen rechnen Branchenbeobachter damit, dass es zu einer Marktbereinigung kommen wird, und zwar sowohl auf der Anbieterseite als auch beim Markenangebot.
Produktvielfalt
Derzeit ist die Produktvielfalt indes noch gewaltig. So finden sich in der diesjährigen DTZ-Dokumentation „Zigarre“ wieder mehrere tausend Marken und Sorten. Und das bei einem absoluten Nischenmarkt für erwachsene Raucher.
Klassische Zigarren und Zigarillos
„Klassische Zigarren und Zigarillos werden überwiegend von männlichen Konsumenten gehobenen Alters geraucht, und das auch nur gelegentlich“, betont Peter Wörmann, Vorsitzender des Bundesverbandes der Zigarrenindustrie (BdZ). So gebe es weder ein Problem mit dem Jugendschutz noch mit dem Schmuggel, zu dessen Eindämmung eigentlich Track & Trace von der EU gedacht ist. Deshalb fordert Wörmann im Hinblick auf die strengen Regulierungen des gesamten Tabakmarktes Ausnahmen von weiteren Maßnahmen für das Kulturgut Zigarre / Zigarillo.
Absatz stabil bis rückläufig
Der Absatz klassischer Zigarren und Zigarillos ist seit Jahr und Tag stabil bis leicht rückläufig. Das war auch im vergangenen Jahr so. Bei einem Volumen von zirka 1,1 Milliarden Stück war der Markt in einer stabilen Verfassung. Ob sich diese konstante Entwicklung im laufenden Jahr fortsetzen wird, steht derzeit noch in den Sternen. Denn die Corona-Krise, einhergehend mit Zwangsschließungen von Ladenlokalen, hat auch bei der Zigarre ihre Spuren hinterlassen.
So verzeichneten etwa die Mitglieder des Bundesverbandes der Zigarrenindustrie, die zirka 75 bis 80 Prozent des traditionellen deutschen Zigarren- und Zigarillo-Marktes auf sich vereinigen, im April 2020 einen Absatzrückgang von mehr als elf Prozent.
Abverkauf in Tabakwarengeschäfte
Ähnlich sah die Situation beim Abverkauf in den Tabakwarengeschäften aus. Zwar durften zahlreiche Tabak-Shops während des Lockdowns öffnen, weil sie Zeitungen und Zeitschriften führen und damit systemrelevant gewesen sind, aber vielerorts mussten Fachhändler ihre Läden schließen. Ob man aufmachen durfte oder nicht, war von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich geregelt. Dabei wichen die Ordnungsämter vor Ort in ihren Entscheidungen nicht selten stark voneinander ab. Mal durften Tabakläden öffnen, auch wenn sie keine Presseerzeugnisse verkauften, andernorts wiederum durften Händler nur Zeitungen und Zeitschriften anbieten (beispielsweise in Bayern), und nicht selten musste das Tabaksortiment abgetrennt werden.
Kundenfrequenz
Aber selbst dort, wo der Verkauf von Tabakprodukten noch erlaubt war, war die Kundenfrequenz so gering, dass die Zigarrenumsätze sanken. „Viele Fachgeschäfte, besonders in Bahnhöfen, aber auch die Duty-Free-Shops wurden weniger bis gar nicht mehr aufgesucht, da die Reisetätigkeiten fast auf Null heruntergefahren wurden“, berichtet BdZ-Geschäftsführer Bodo Mehrlein.
Mittelständische Herstellungsbetriebe
Gegenüber DTZ erklärt Mehrlein, dass die mittelständischen Herstellungsbetriebe der Zigarrenindustrie auch in den eigenen Unternehmen stark von den Auswirkungen betroffen waren. „In einigen Bereichen musste Kurzarbeit angemeldet werden, Produktionsstätten in Drittstaaten wurden geschlossen, die Herstellungsabläufe mussten strengen Hygienemaßnahmen unterworfen werden und haben somit viel an Produktivität eingebüßt. Denn ein reibungsloser Produktionsablauf unterliegt dem Risiko unterbrochener Lieferketten und damit fehlender Rohmaterialien“, sagt der BdZ-Geschäftsführer. Und Mehrlein fügt hinzu: „Bedingt durch diese Faktoren hatten und haben die Mitgliedsfirmen des Bundesverbandes der Zigarrenindustrie auf der einen Seite mit Absatzschwierigkeiten zu kämpfen. Auf der anderen Seite konnten wir aber auch einen positiven Trend feststellen, der sicherlich durch das sehr gute Wetter und bedingt durch die Anti-Corona-Maßnahmen entstandene freie Zeit unterstützt wird.“
Kurzarbeit und Homeoffice
Da viele Arbeitnehmer in Kurzarbeit und / oder in Homeoffice sind, haben sie nicht nur mehr Zeit zum Rauchen von Zigarren, sie haben auch ihr Einkaufsverhalten geändert. So hat sich der Zigarren-Einkauf häufiger von den Innenstädten auf die Vororte und aufs Land verlagert, weil die Zigarrenraucher seltener in der Nähe ihrer Arbeitsplätze einkaufen, sondern mehr an ihren Wohnorten. Und der Online-Handel hat während des Lockdowns stark zugelegt. Er ist in Sachen Zigarreneinkauf einer der großen Gewinner der Krise.
Internet-Handel
Der Internet-Handel auf der einen Seite und die Tatsache, dass viele Tabakläden während des Shutdowns öffnen durften und Lebensmittelgeschäfte sowie Tankstellen-Shops nicht von den Zwangsschließungen betroffen waren, sorgten dafür, dass der Absatzrückgang im April nur leicht zweistellig war und somit der klassische Zigarren- und Zigarillomarkt in der Krise mit einem „blauen Auge“ davongekommen ist.
Absatzentwicklung
Im ersten Quartal 2020 stellte sich die Absatzentwicklung noch sehr unterschiedlich dar. Nach einem schwachen Start zum Jahresbeginn, der den BdZ-Mitgliedern einen Rückgang von fast 13 Prozent gegenüber Januar 2019 bescherte, folgte ein rund sechsprozentiges Plus im Februar und noch einmal eine Steigerung von über zehn Prozent im März, ehe dann von Bund und Ländern die Zwangsschließungen als eine von mehreren Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie beschlossen wurden.
Alltagsleben
Von Januar bis April verzeichneten die BdZ-Mitglieder gegenüber dem ersten Drittel 2019 einen Rückgang von 2,7 Prozent. Da inzwischen Schritt für Schritt die Normalität im Alltagsleben einkehrt, ist man in der Zigarrenbranche vorsichtig optimistisch, dieses Absatzminus im weiteren Verlauf des Jahres ausgleichen zu können. Ein warmer, trockener und lang anhaltender Sommer mit vielen Gelegenheiten, draußen Zigarren zu rauchen, wäre dabei natürlich sehr hilfreich.
Dann besteht Hoffnung, dass am Jahresende der Absatz klassischer Zigarren und Zigarillos wieder auf dem Vorjahresniveau landen könnte. 2019 betrug er, wie gesagt, zirka 1,1 Milliarden Stück. Rund 90 Prozent davon entfiel auf Zigarillos.
Marktforschung
Die wichtigsten Vertriebsschienen für Zigarren und Zigarillos (ohne Ecozigarillos und Handelsmarken) sind einem führenden Marktforschungsinstitut zufolge Tankstellen mit einem Marktanteil von 50,5 Prozent, Tabakwaren-Fachgeschäfte (33,9 Prozent) und der Lebensmittelhandel (15,6 Prozent).
Anbieter und Hersteller
Größter Zigarillo-Anbieter und gleichzeitig Gesamtmarktführer im klassischen Zigarren- und Zigarillomarkt in Deutschland ist die Firma Dannemann. Mehr als jedes zweite verkaufte klassische Zigarren- und Zigarilloprodukt, also ohne Ecos und Handelsmarken, stammt laut Marktforschungsinstitut von dem Lübbecker Unternehmen. Auf Platz 2 liegt Arnold André mit einem Marktanteil von 17,2 Prozent, gefolgt von Royal Agio (10,2 Prozent) und Villiger (8,6 Prozent).
Präsenz im Handel
Die meistverkaufte Zigarre in Deutschland ist die Marke Tropenschatz von Arnold André, dem führenden Zigarrenhersteller Deutschlands. Bei Zigarillos liegt die Moods von Dannemann vorne, und zwar sowohl bei filterlosen Produkten als auch bei Erzeugnissen mit Filter. Ihre Präsenz ist vor allem in Tankstellen-Shops und im Lebensmittelhandel (ohne Discounter) ausgeprägt. Aber auch im Tabakwaren-Fachhandel belegen Moods-Filterprodukte unter den Top 10 insgesamt sieben Plätze, und zwar die ersten drei sowie die Ränge fünf bis sieben und Platz neun. Neben den Moods-Filterprodukten sind außerdem Villiger Green Mini (Platz 4), Al Capone Pockets Original Filter (Platz 8) und Villiger Red Mini (Platz 10) laut Marktforschungsinstitut unter den zehn meistverkauften Filterzigarillos im Tabakwaren-Einzelhandel vertreten. Auch bei filterlosen Zigarillos führt die Moods das Ranking im Tabakwaren-Fachhandel an, ist hier aber nur mit der Moods ohne Filter in der 20-Stück-Packung unter den Top 20 präsent.
Statistische Bundesamt
Neben den klassischen Zigarren und Zigarillos erfasst das Statistische Bundesamt (Destatis) in Wiesbaden die zigarettenähnlichen Ecozigarillos unter der Warengruppe Zigarren / Zigarillos. Laut Versteuerungszahlen von Destatis belief sich die Menge 2019 auf 2,7 Milliarden Stück. Das waren 12,1 Prozent weniger als im Vorjahr. Bei den Verkaufswerten gab es ein Minus von 10,5 Prozent auf 660,6 Millionen Euro. Diese Einbußen sind maßgeblich verursacht durch die deutlichen Rückgänge bei niedrigpreisigen Ecozigarillos. Dazu heißt es beim BdZ: „Dieses Segment wurde durch verschiedene finanzpolitische Maßnahmen seit 2007 mehr als halbiert. Dazu gehören unter anderem die Einführung beziehungsweise die Erhöhung der Mindeststeuer sowie die Änderung der Produktdefinition.“ Außerdem müsse man dabei berücksichtigen, dass es 2018 noch einen Mengenzuwachs von 6,5 Prozent gab.
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Die komplette Zigarrendokumentation liegt in der Printausgabe DTZ 26/2020 bei.