Schlagwort: Handel und Industrie

  • „Nikotin-Familie“ in Bewegung

    RÖSRATH // Endlich wieder unbeschwert beisammen sein, das gelang in diesem Jahr bei der zweiten Veranstaltung nach der Corona-Pause, zweifellos. Die diesjährige Ausgabe der BTWE-Jahrestagung fand wieder in der traditionellen Seminarstätte in Rösrath statt. Etwa 120 Vertreter aus Handel, Industrie und Verbänden nahmen teil. Und viele Themen kamen auf den Tisch. Für den Bundesverband des Tabakwaren-Einzelhandels war das ein echter Erfolg.

    Im Rahmen der BTWE-Delegiertenversammlung wurde Johannes von Bötticher von den Delegierten einstimmig zum BTWE-Schatzmeister gewählt. Johannes von Bötticher ist Geschäftsführender Gesellschafter der Firma M. Niemeyer in Bremen, die 107 Tabakfachgeschäfte umfasst. Der bisherige BTWE-Schatzmeister, Martin Jonas, hatte sein Amt zur Verfügung gestellt. Das BTWE-Präsidium und die -Geschäftsführung dankten Jonas für sein langjähriges ehrenamtliches Engagement und wünschten ihm alles Gute.

    Sonst bleibt das Präsidium unverändert und setzt sich zusammen aus dem Präsidenten Torsten Löffler, dem 1. Vizepräsidenten Hieronymus Joußen sowie dem 2. Vizepräsidenten Johannes Lomberg.

    BTWE-Präsident regt Terminanpassung an
    „Liebe Nikotin-Familie“, BTWE-Präsident Torsten Löffler begrüßte die Gäste in diesem Jahr wieder persönlich, nachdem er 2022 wegen eines Unfalls nicht hatte teilnehmen können. Löffler regte zunächst an, die Veranstaltung noch weiter Richtung Wochenmitte zu verschieben. Danach zog er ein kurzes Resümee.

    Er wünsche sich mehr Vernunft, sagte der Präsident. Man müsse sich wundern, warum die Politik Cannabis legalisiere, während Tabak immer weiter eingeschränkt beziehungsweise beschränkt würde. Und das alles angeblich im Sinne der Gesundheit, wie er betonte. „Wenn man Karl Lauterbach glauben darf, dann gibt es bald eine Art Abwrackprämie, wenn man mit dem Rauchen aufhört“, trug Löffler kopfschüttelnd vor.

    „Wer morgen mitspielen will, muss sich mit Neuem beschäftigen“
    „Man kann sich vorstellen, dass Cannabis hier irgendwann stattfindet“, konnte der BTWE-Präsident nur vermuten, „man weiß es nicht.“ Er führte weiter aus: „Wir erleben die sogenannten Einwegthemen, die dem Handel das Leben gerettet haben“. Wer morgen noch mitspielen wolle, müsse sich mit Neuem beschäftigen, so sein Fazit und deshalb wählte er auch nicht mehr die vielleicht ausgediente Begrüßung „Tabak-Familie“, sondern die „Nikotin-Familie“.

    „Die Corona-Pandemie, gestiegene Energiekosten und Kaufzurückhaltung der Konsumenten – der Handel braucht einen langen Atem“, begrüßte BTWE-Geschäftsführer Steffen Kahnt die Tagungsgäste und eröffnete das auch 2023 vielfältige Programm. Bereits seit 20 Jahren findet die Tagung im Geno-Hotel statt – mit zweijähriger Unterbrechung durch die Corona-Pandemie.

    „Kunde erwartet Kauferlebnis und Bedürfnisbefriedigung“
    Bernd Lutter, Marketing-Manager Deutschland bei Reemtsma, rief den Handel und die Industrie zu noch mehr Bewegung auf. „Ein ‚Weiter wie bisher‘ geht nicht mehr. Wir müssen noch aktiver werden.“ Der Kunde erwarte Kauferlebnis und Bedürfnisbefriedigung. „Wir bieten dem Handel viel, der Kunde verlangt aber auch deutlich mehr als früher“, so Lutter.

    Die Industrie erwartet aber auch viel vom Handel, wie deutlich wurde. „Pay for Performance versus Kostenexplosion – Was erwartet die Industrie vom Handel?“, lautete die Überschrift der Vorträge von Lutter und Andreas Thoma, Commercial Director Deutschland und Mitglied der Geschäftsleitung bei British American Tobacco (BAT). „Je mehr Sie tun, umso mehr können Sie auch von uns erwarten beziehungsweise verdienen“, so der gemeinsame Appell an den Fachhandel. „Nur den Stellplatz für unsere Produkte zur Verfügung zu stellen, reicht nicht mehr aus“, betonte Lutter, der sich laut eigener Aussage auch nicht scheut, selbst hinter der Ladentheke zu stehen, wie einige Fachhändler besonders im Gedächtnis behielten – und das natürlich gerne in die Tat umgesetzt sehen wollen.

    „Personal kann den Unterschied machen“
    „Der Fachhandel muss sich weiter differenzieren“, zielte Thoma in dieselbe Kerbe. Wichtig seien vor allem gut ausgebildete und geschulte Mitarbeiter, wie beide mehrfach betonten. „Man muss weiter investieren“, sagte Thoma und fügte hinzu: „Personal kann den Unterschied machen.“ „Pay for Performance“ sei ein Segen für engagierte Fachhändler.

    Auf den Einwand eines Fachhändlers, ob man nun des Geldes wegen die Kundenwünsche ignorieren solle, hieß es, dass man den Kunden noch umstimmen könne. „Wir wollen mit Ihnen das Optimum aus Ihrer Fläche herausholen“, sagte Thoma. Kritische Anmerkungen aus dem Publikum gab es auch bezüglich der schon längst ersehnten Rücknahmesysteme für Einwegzigaretten: „Wir hätten uns von Ihnen Rücknahmegeräte gewünscht, und Sie kriegen das nicht hin.“ Die Diskussion laufe seit vier Jahren, meinte ein Tagungsteilnehmer und fügte hinzu: „Seitdem werden wir vertröstet.“ Man sei dran, das Thema berge aber mehrere Probleme, lautete die Antwort beider Industrie-Vertreter: „Ein Rücknahmesystem ist noch äußerst kostspielig und die Kosten müssen gerecht aufgeteilt werden. Mir ist da noch kein Vorschlag bekannt. Wir sind aber offen“, sagte BAT-Mann Thoma.

    „Wir sind gar nicht so weit auseinander“, ergänzte Torsten Löffler, „die Frage ist nur, wer zuerst ins Risiko geht?!“

    Fachhändler üben Kritik
    Es ging munter zu an diesem Tag in Rösrath. Sowohl die Industrie als auch der Handel brachten bei der Tagung ihre Argumente und ihre Kritik vor. Der Fachhandel tat seinen Unmut kund. Es wurden Stimmen laut wie: „Der Einzelhandel wird nicht genug wertgeschätzt. Es wird ja nicht nur eine Fläche zur Verfügung gestellt, sondern das Produkt wird inszeniert und wir beraten den Kunden. Es droht ein massives Sterben der Einzelhändler.“ Und an die Industrie gerichtet: „Dann haben Sie ebenfalls ein Problem.“

    Es folgte ein Vortrag von Heike Maria Lau, Director Corporate Affairs & Communications bei JT International (JTI). Lau lobte den vorherigen „tatsächlichen Austausch“. Für JTI stünden ganz klar die Tabakerhitzer im Fokus, die seit 2021 in sechs Ländern eingeführt wurden. Sie kündigte den Marktstart des Tabakerhitzers „Ploom“ in Deutschland an. Lau persönlich kann und mag sich allerdings eine Branche ohne die klassischen Tabak(-produkte) nicht vorstellen.

    Philip Morris: „Zigarette gehört ins Museum“
    Jörg Zangen, Director Sales Deutschland, und Anne-Kathrin Freund-Koch von Philip Morris (PMI) sehen das gänzlich anders. „Die Zigarette gehört ins Museum“, betonten beide (DTZ berichtete). „Wir sehen großes Potenzial in den Produktalternativen“, betonte Zangen. Heets befinde sich auf Platz sechs der Top-Marken, hieß es: „Wir wollen Marlboro auf Platz 1 ablösen“. Philip Morris erziele 35 Prozent des Nettoumsatzes bereits mit Alternativprodukten. 25,8 Millionen Konsumenten nutzten Iqos weltweit.

    „Laut Debra-Studie gibt es 36 Prozent Raucher in Deutschland. Acht Prozent von ihnen haben bereits versucht, mit dem Rauchen aufzuhören“, referierte Anne-Kathrin Freund-Koch und weiter über PMI: „Zehn Milliarden Dollar wurden in den vergangenen Jahren die Forschung investiert mit über 1000 Angestellten in dieser Abteilung.“ Schädlich sei nicht das Nikotin, so Freund-Koch, sondern das Verbrennen. Darauf setze man auch bei der neuen „Iluma“ von PMI: „Erhitzen im Kern statt verbrennen. Es wird über Induktion statt durch Heizblättchen, die uns einige Probleme bereitet haben, erhitzt.“ Mehr wollte man zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht über die Produktneuheit verraten.

    Cannabis-Legalisierung light
    Das Thema Cannabis-Legalisierung, das im vergangenen Jahr die BTWE-Tagung dominierte, wurde zwar wieder unter einem separaten Programmpunkt aufgegriffen, viel Neues gab es de facto aber nicht zu berichten – schon gar nicht zu Gunsten des Fachhandels. Benjamin Patock, Präsidiumsmitglied und Fachbereichskoordinator im Branchenverband Cannabiswirtschaft, sagte im Hinblick auf die politischen Entwicklungen: „Wir haben uns einen größeren Wurf gewünscht.“

    Geplant sei ein Zwei-Säulen-Modell. Drei Pflanzen pro Kopf dürften angebaut werden. Außerdem seien, zum Beispiel beim Jugendschutz, geschulte Anbaugemeinschaften erlaubt, die sich zusammenschließen dürfen, um Cannabis anzupflanzen. Die Anforderungen, um solch eine Gemeinschaft gründen zu dürfen, seien sehr hoch. Es dürfe bei den Clubs nicht gewerblich zugehen und beispielsweise nicht in der Nähe von Kindertagesstätten angebaut werden. Insgesamt eine große Herausforderung. Aber: „Die größte Herausforderung ist die Qualität“, verriet Patock. „Der Entwurf soll noch vor der Sommerpause abgenickt werden.“ Vieles sei noch zu klären.

    Fragen zur Bekämpfung des Schwarzmarkts
    Auch die Frage, ob durch die Vorhaben der Regierung der Schwarzmarkt zusätzlich befeuert oder aber eingedämmt werden könne, kam im Publikum auf. „Man weiß es nicht“, sagte Patock, „wir sind nicht zufrieden mit dem Entwurf. Er ist an vielen Stellen nicht sinnvoll. Er ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber so richtig zufrieden sind wir nicht.“ Es sei schwierig, Prognosen darüber zu machen, wann zum Beispiel die Industrie ins Spiel komme, da die Politik merke, dass der Schwarzmarkt nicht kleiner werde. Steffen Kahnt nannte die nun verhandelte Lösung „kleckerweise“.

    „Die EU-Kommission will ein rauchfreies Europa und ein Reduzieren der Raucherquote auf weniger als fünf Prozent bis 2024“, erklärte Jan Mücke, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Tabakwirtschaft und neuartiger Erzeugnisse (BVTE), bei seinem Vortrag mit dem Titel „TPD 3 – der nächste Angriff aus Brüssel“. Mücke nannte das „eine deutliche Bedrohung unseres Geschäftsmodells“ und rief zum Handeln auf: „Jetzt wird verhandelt Wir müssen als Branche jetzt reagieren!“ Die Brüsseler Behörde verfolge das ausdrückliche Ziel eines „tabakfreien Europas“. Mit einer verschärften Verbotspolitik wolle sie den legalen Verkauf von Tabak- und Nikotinprodukten immer stärker einschränken und erschweren.

    Die EU-Kommission wolle für alle Tabakwaren Einheitsverpackungen, strenge Einheitsregeln und neue Aromenverbote. So solle die E-Zigarette ohne aromatisierte Liquids nur noch geschmacklos angeboten werden. Außerdem drohten Werbeverbote sowie Beschränkungen bei der Warenpräsentation und damit zusätzliche Einnahmeausfälle und ein erhöhter Bedienaufwand. „Wir sollten uns alle unterhaken und gemeinsam gegen die Regulierungen vorgehen“, forderte Mücke die Anwesenden auf, „die Politik heizt mit neuen Verboten nur weiter den Schwarzmarkt an.“

    Gastredner Gregor Gysi
    Für den krönenden Abschluss des Tagungsprogramms hatte der BTWE den Politiker, Anwalt, Autor und Moderator Gregor Gysi als Redner gewonnen, der kritische Anmerkungen zu Wirtschaft und Politik trotz der Schwere des Themas amüsant vorbrachte. Der 75-Jährige, der als Anwalt vor zehn Jahren für die E-Zigarette gekämpft hatte und sich das Rauchen (50 Zigaretten pro Tag) nach seinem ersten Herzinfarkt
    abgewöhnt hat, sprach über die vielen Krisen in unserem und anderen Ländern – vieles, das nun gekommen sei, wie er es vorhergesehen und vorausgesagt habe. „Die Politik befindet sich bei all den Krisen in einer Überforderungssituation und gibt das nicht zu“, so Gysis Resümee, „ich wünsche uns Mut zur eigenen Stellung.“

    Gregor Gysi ist übrigens ausgebildeter Rinderzüchter, was ihm während seiner Karriere als Politiker häufig geholfen habe: „Ich kann melken, künstlich besamen und kenne mich mit Hornochsen aus.“ kh

  • Jahrestagung des BTWE 2013

    KÖLN (DTZ/vi). Der Bundesverband des Tabakwaren-Einzelhandels e.V. (BTWE) hat den Termin seiner Jahrestagung 2013 bekannt gegeben.

    Diese findet am Sonntag und Montag, 9. und 10. Juni 2013 im Geno-Hotel in Rösrath bei Köln statt und wird der Erörterung von Chancen und Risiken der Tabakbranche unter Berücksichtigung der regulatorischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der nächsten Jahre dienen.

    Namhafte Vertreter aus Handel und Industrie, Kollegen der Einzelhandelsorganisation sowie die Partnerverbände der Tabakbranche werden dort erwartet.

    (DTZ 41/12)