Schlagwort: Gesundheitspolitik

  • Lichtaktion für E-Zigarette

    BERLIN // Die Pläne der Bundesregierung, Liquids für E-Zigaretten nach Nikotingehalt hoch zu besteuern, stoßen zunehmend auf Widerstand bei Konsumenten und in der Branche. Der Verband des E-Zigarettenhandels (VdeH) hat jetzt mit einer überdimensionalen Projektion vor dem Reichstag auf die fatalen gesundheits- und wirtschaftspolitischen Konsequenzen einer radikalen Besteuerung von E-Zigaretten aufmerksam gemacht.

    Vor den Toren des Reichstags
    Der Verband stieß nach eigenen Angaben damit auf reges Interesse bei den Parlamentariern, die sich auch persönlich ein Bild vor den Toren des Reichstags machten. Nach dem geplanten Tabaksteuermodernisierungsgesetz würde sich der Preis für Liquids laut VdeH um bis zu zehn Euro erhöhen, was einer Verdreifachung entspräche. Damit werde die 95 Prozent weniger schädliche E-Zigarette bald teurer sein als konventionelle Zigaretten und sich vom Ausstiegs- zum Luxusprodukt entwickeln.

    Das sei gesundheitspolitisch ein Desaster. Es sei damit zu rechnen, dass keine nennenswerten Steuermehreinnahmen generiert, allerdings Arbeitsplätze vernichtet und ein lukrativer Schwarzmarkt geschaffen würden.

    120 Quadratmeter großen Leinwand
    Um darauf aufmerksam zu machen, wurden auf einer 120 Quadratmeter großen Leinwand Aufnahmen von Konsumenten und Wissenschaftlern gezeigt. Begleitet wurden diese von Schilderungen des Verbandsvorsitzenden Michal Dobrajc: „Bei immer noch elf Millionen Rauchern in Deutschland ist die E-Zigarette die größte gesundheitspolitische Chance, die wir haben. Wir müssen sie nutzen. Die geplante ausufernde Besteuerung würde genau das Gegenteil bewirken.“

    E-Zigarette unterstützt Menschen
    Die E-Zigarette helfe vielen Menschen dabei, mit dem Rauchen aufzuhören. Mehrfach wissenschaftlich belegt sei auch, dass sie anderen Rauchausstiegsprodukten deutlich überlegen sei. Wie eine aktuelle Umfrage zeige, sei nun zu erwarten, dass sich der Konsum durch die horrende Preiserhöhung wieder auf die deutlich schädlichere Tabakzigarette verlagere.

    Dobrajc weiter: „Jede Steuer hat eine Lenkungswirkung. Wenn diese aber den Konsum wieder in Richtung der deutlich gefährlicheren Tabakzigarette treibt, läuft etwas gänzlich schief. Ich kann mir nicht erklären, warum wissenschaftliche Erkenntnisse und die Stimmen der Verbraucher und der Selbstständigen derart ignoriert werden. E-Zigaretten durch eine Tabaksteuer unattraktiv zu machen, ist, als würden Sie Ökostrom auf einmal wie Benzin besteuern.”


    Entwurf in der Kritik

    Der CSU-Steuerexperte Sebastian Brehm hatte gegenüber der Zeitung „Rheinpfalz“ erklärt: „Der Entwurf aus dem Finanzministerium ist nicht zustimmungsfähig, da er weder die versprochene Lenkungswirkung noch die erhofften Steuermehreinnahmen bringen wird.“ Ob sich jedoch auch die CDU-Parlamentarier der Fraktion dieser Sichtweise anschließen, stand bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht fest.

    vi / red

  • Mehr Aufklärung zur E-Zigarette

    BERLIN // Etwa 61 Prozent der Deutschen glauben, dass E-Zigaretten mindestens genauso schädlich sind wie Tabakzigaretten. 15 Prozent der Befragten gehen sogar davon aus, dass das gesundheitliche Risiko von E-Zigaretten viel höher sei als bei Tabak. Dies sind Ergebnisse einer kürzlich veröffentlichten Studie des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR).

    Diskrepanz in der Wahrnehmung
    Das Bündnis für Tabakfreien Genuss (BfTG) sieht eine erhebliche Diskrepanz zwischen der subjektiven Wahrnehmung von elektrischen Zigaretten in der Bevölkerung und den wissenschaftlichen Fakten und fordert die gesundheitspolitischen Stellen in Deutschland auf, die Bevölkerung angemessen aufzuklären. Besonders Raucher sollten die Fakten kennen. Nur so lässt sich die Raucherquote in Deutschland nach Vorbild Großbritannien entscheidend senken.

    Experten sind einig in der BewertungNur sechs Prozent der Bundesbürger wissen, dass Dampfen erheblich weniger schädlich ist als Rauchen. In der Pressemeldung zur Studie schreibt das Bundesinstitut für Risikobewertung: „Das BfR weist darauf hin, dass der Konsum von konventionellen Zigaretten ein deutlich höheres Gesundheitsrisiko mit sich bringt als der Konsum von E-Zigaretten.”

    Potenzial ausschöpfen
    Die Einschätzung des BfR wird von keinem ernstzunehmenden Wissenschaftler weltweit bestritten. Das Potenzial zur Schadensminimierung (Harm Reduction) ist bei E-Zigaretten im Vergleich zu Tabakzigaretten sehr hoch. Dies ist auch das Ergebnis eines hochkarätig besetzten Online-Symposiums des Instituts für Suchtforschung an der Frankfurt-University of Applied Sciences vom 27.05.2020. Der Initiator der Veranstaltung war der renommierte Suchtforscher Professor Heino Stöver. Sein Fazit: „Es ist in der Wissenschaft Konsens, dass Raucher mit dem Umstieg auf die E-Zigarette die Schadstoffaufnahme um bis zu 95 Prozent senken können. Die Chancen, die die E-Zigarette für die Rauchentwöhnung bietet, müssen auch die künftige Gesundheitspolitik bestimmen.”

    Dieser Bewertung schließen sich auch andere Teilnehmer des Symposiums an. „Nur mit gezielter Aufklärung ist es möglich, ähnlich wie in Großbritannien, deutlich mehr Raucher zum Tabakstopp mit E-Zigaretten zu motivieren“, erklärt Dustin Dahlmann, Vorsitzender des BfTG.

    red

  • E-Zigarette besser als ihr Ruf

    FRANKFURT // Nach den jüngsten Todesfällen im Zusammenhang mit so genannten „E-Joints“ in den USA haben rund 50 Wissenschaftler und Gesundheitsexperten die E-Zigarette gegen Kritik verteidigt und den Unterschied zu „E-Joints“ betont.

    Die Klarstellungen erfolgten im Rahmen der 2. Fachtagung „E-Zigaretten und ihre Bedeutung für Rauchentwöhnung“ an der Frankfurt University of Applied Sciences (FUAS). Dort verwiesen die Fachleute auf die gesundheitspolitischen Chancen, die die E-Zigarette für den Rauch-Stopp biete – und stellten das deutlich geringere Gesundheitsrisiko im Vergleich zur herkömmlichen Tabakzigarette heraus.

    Undifferenzierte Auseinandersetzung in Deutschland
    Tagungsveranstalter Heino Stöver, Suchtforscher an der FUAS: „Die Todesfälle in den USA sind bestürzend. Gleichwohl beobachten wir in der deutschen Öffentlichkeit eine sehr undifferenzierte Auseinandersetzung mit dem Phänomen. Denn Schuld tragen nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen spezielle Substanzen, mit denen die THC-Öle der ‚E-Joints‘ gestreckt wurden. Die herkömmliche E-Zigarette hat damit gar nichts zu tun. E-Zigaretten-Liquids unterliegen in Deutschland einer strengen Regulierung. Gefahr geht dagegen vor allem von Flüssigkeiten und Geräten aus, die auf dem Schwarzmarkt gehandelt werden.“

    E-Zigarette bietet große Chance für die Gesundheitspolitik
    Tatsächlich biete die E-Zigarette weiterhin große Chancen für die Gesundheitspolitik. Die E-Zigarette, so die einhellige Meinung der anwesenden Tagungsreferenten, ermögliche es vielen Rauchern, von der klassischen Tabakzigarette loszukommen. „Jährlich sterben in Deutschland mehr als 100 000 Menschen an den Folgen des klassischen Rauchens“, so Stöver. „Das darf die Gesundheitspolitik nicht hinnehmen. Ziel muss sein, dass möglichst niemand mehr zur Tabakzigarette greift. Die E-Zigarette kann dabei helfen, da sie vielen Rauchern den Rauch-Stopp erleichtert und die Gesundheitsrisiken minimiert.“

    Zu dieser und ähnlichen Einschätzungen kamen neben Stöver zahlreiche weitere Referenten der Fachtagung. Zu ihnen zählten unter anderem Ute Mons, Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), der Gesundheitsjournalist Dietmar Jazbinsek, Leonie Brose vom UK Centre for Smoking and Alcohol Studies, die über die Rolle der E-Zigarette in der britischen Gesundheitspolitik berichtete, sowie Frank Henkler-Stephani vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR).

    Keine erhöhten Risiken erkennbar
    Der in dieser Behörde zuständige Toxikologe Henkler-Stephani sieht auch nach den beunruhigenden Entwicklungen in Übersee keinen Grund, die Bewertungen hinsichtlich der Schadstoff- und Suchtrisiken von E-Zigaretten zu ändern. „Es sind keine erhöhten Risiken für Produkte aus dem deutschen und dem europäischen Fachhandel erkennbar“, erklärte der Experte zum Auftakt der Fachtagung. „Das heißt aber nicht etwa, dass wir die E-Zigarette empfehlen.“ Henkler-Stephani weiter: „Ich denke, wir sollten die Serie schwerer Erkrankungen nicht herunterspielen, aber auch nicht in unnötige Sorge verfallen.“

    Unabhängig von der Fachtagung hat sich inzwischen ein weiterer renommierter Wissenschaftler zu Wort gemeldet. Martin Dockrell, der Leiter der Tabakkontrolle bei Public Health England, machte in einem TV-Interview deutlich: „Der Ausbruch der Erkrankungen in den USA hat überhaupt nichts mit regulären E-Zigaretten zu tun, sondern mit ‚E-Joints‘. Das ist ein gewaltiger Unterschied.“

    In den vergangenen Wochen waren die Umsätze der Branche auch in Europa teils um bis zu ein Drittel eingebrochen.

    red

    (DTZ 43/19)

  • Dampfen ist nicht Rauchen

    BERLIN // Am 31. Mai findet der internationale Weltnichtrauchertaq statt. Bis 2025 wird es laut WHO noch über 16 Millionen Tabakraucher in Deutschland geben. Eine staatliche Förderung der elektrischen Zigarette nach dem Vorbild anderer europäischer Staaten, allen voran Großbritanniens, könnte diese Quote senken, betont das Bündnis für Tabakfreien Genuss (BfTG).

    Staatliche Förderung
    Im Vereinigten Königreich sei die Zahl der Raucher in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen. Großbritannien habe mit 15 Prozent im Jahr 2018 eine der niedrigsten Raucherquoten im europäischen Vergleich gehabt. Nach einem Report der britischen Gesundheitsbehörde Public Health England (PHE) sei es naheliegend, dass der verstärkte Rückgang mit dem Aufkommen der E-Zigarette zusammenhänge: „In der ersten Hälfte des Jahres 2017 waren die Erfolgsquoten bei Rauchstopps in England die höchsten, die bisher beobachtet wurden. … Es ist naheliegend, dass E-Zigaretten dazu beigetragen haben", zitiert das BfTG den Leiter für Tabakkontrolle bei PHE, Martin Dockrell.

    Dockrell sehe in der Verwendung von E-Zigaretten für Raucher „eine der besten Möglichkeiten, das Rauchen aufzugeben“. Die positive Entwicklung in Großbritannien würde durch eine gesundheitspolitische Förderung der E-Zigarette eingeleitet. Neben Public Health England bewerten auch renommierte Organisationen wie Cancer Research UK und die Nichtraucher Organisation Action on Smoking and Health die E-Zigarette als hilfreiche Alternative und empfehlen den Umstieg, so das BfTG.

    Europäische Beispiele
    Auch in der Schweiz, Frankreich, Belgien und den Niederlanden werde von staatlicher Seite Aufklärungspolitik zugunsten der E-Zigarette betrieben. Raucher erfahren auf diese Weise von den Vorteilen, die ein Umstieg auf die weniger schädliche Alternative für sie biete, so das BfTG. Laut einer Studie von 2018 wisse nur ein Drittel (31,1 Prozent) der Bevölkerung in Deutschland, dass E-Zigaretten weniger gesundheitsschädlich seien als Tabak.

    „Jedes Jahr rufen die deutschen Gesundheitsorganisationen die Raucher dazu auf, ihren Tabakkonsum einzustellen", sagt Dustin Dahlmann vom Bündnis für Tabakfreien Genuss. Doch die Raucherquoten verringern sich nur marginal. Mit einer staatlichen Förderung der E-Zigarette nach dem Vorbild anderer europäischer Aufklärungskampagnen könne endlich der Durchbruch erzielt werden. „Dazu fordern wir am Weltnichtrauchertag die Verantwortlichen in der deutschen Gesundheitspolitik auf. Denn: Dampfen ist nicht Rauchen", sagt Dahlmann.

    pi

    (DTZ 22/19)

  • Frust und Meinungsvielfalt

    BERLIN // Was wird denn nun aus dem Tabakwerbeverbot? Fest steht: So viel Hin und Her war selten. Immer neue Beteiligte melden sich zu Wort, und die Politik wird sich nicht einig. DTZ bringt Sie auf den aktuellen Stand.

    „Dampfen mit Nikotin und Tabak führt in die Abhängigkeit, genau wie bei herkömmlichen Zigaretten. Deshalb fordern wir ein umfassendes Werbeverbot für Tabak, Zigaretten und für E-Zigaretten.“ Das postulierte jüngst Andreas Storm, Chef der Krankenkasse DAK. Ins gleiche Horn stößt auch Marlene Mortler (CSU): Das Werbeverbot müsse E-Zigaretten einschließen, so die Drogenbeauftragte der Bundesregierung.

    Doch ob mit oder ohne Next Generation Products (NGP) – schon in Sachen Tabak sind sich die Parteien nicht einig und häufig sogar innerhalb der Fraktionen unterschiedlicher Meinung. Beispiel CDU/CSU: Während der gesundheitspolitische Flügel ein weitgreifendes Verbot anstrebt, sträuben sich die Wirtschaftspolitiker. Werbung in Fachgeschäften, Kinowerbung vor Filmen ab 18 und andere Punkte könnten daher ausgeklammert werden. Dem „Spiegel“ sagt ein „Insider“: „An diese Themen traut sich kein Gesundheitspolitiker in der Union ernsthaft ran; die innerparteilichen Widerstände wären zu groß.“

    Hüh und hott
    Beispiel SPD: Noch am 3. April machte sie in einer Stellungnahme deutlich, bei der E-Zigarette verdampfe eine Flüssigkeit, dies habe mit der Zigarette, an der gezogen werde, um Sauerstoff hineinzubringen, nichts zu tun; die Fraktion habe sich jedoch klar für ein Verbot der Außenwerbung für Tabakprodukte positioniert. Dagegen setzt sich der zuständige Berichterstatter der SPD, Rainer Spiering, vehement für ein umfassendes Werbeverbot ein, das auch E-Zigaretten und Liquids einschließen soll.

    Bündnis 90 / Die Grünen möchten in einem neuen Gesetz „Regelungen für die E-Zigarette“ enthalten wissen. Das stellt sich die Fraktion der Linken anders vor. Sie möchte zunächst die Tabakrahmenkonvention der Weltgesundheitsorganisation WHO umgesetzt wissen, bevor über die E-Zigarette gesondert diskutiert werden könne.

    Rolle der Branchen-Verbände
    Dass die Verbände der Tabakwirtschaft, allen voran der Deutsche Zigarettenverband und der Verband der Rauchtabakindustrie sowie für E-Zigaretten das Bündnis für Tabakfreien Genuss und der Verband des E-Zigarettenhandels, sich zumindest für zurückhaltende Eingriffe der Politik einsetzen, liegt auf der Hand. Sie verweisen unter anderem auf ein im Februar vorgelegtes Gutachten der Kanzlei Redeker / Sellner / Dahs, dass ein Tabakwerbeverbot verfassungswidrig sei. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat dazu eine Gegenexpertise verfasst, die zum gegenteiligen Schluss kommt.

    Auch der Zentralverband der Deutschen Werbewirtschaft, der Markenverband sowie der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde setzen sich laut „Spiegel“ für die Belange der Industrie ein. max

    (DTZ 18/19)

  • WHO nimmt Zusatzstoffe bei Tabakprodukten ins Visier

    PUNTA DEL ESTE (DTZ/fok). Am 20. November 2010 beschloss die WHO-Versammlung zur Tabak-Kontrolle (FCTC) auf ihrer diesjährigen Tagung in Punta del Este, Uruguay, ein Papier, wonach die 172 Unterzeichnerstaaten darauf hinwirken sollen, die Verwendung von Geschmacks- und Zusatzstoffen für Tabakprodukte einzuschränken oder sogar ganz zu verbieten. Dem Abkommen wurde auch von der EU im Namen ihrer Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, zugestimmt.

    Rechtlich unverbindliche Leitlinie Gegenüber dem ursprünglichen Entwurf wurde die zunächst vorgesehene Definitionsbeschränkung allein auf zigarettenähnliche Produkte gestrichen, so dass die rechtlich unverbindliche Leitlinie nun für alle Tabakprodukte gelten soll. Herausgestellt wurde, dass es sich um eine unvollständige und vorläufige Leitlinie handelt, die künftig konkretisiert werden soll. Verstärkt in den Vordergrund gerückt wurde, dass Maßnahmen in diesem Sektor wissenschaftlich basiert sein müssen. Einschränkende oder verbietende Maßnahmen sieht die Leitlinie bei Zusatzstoffen vor, die eine leichtere Aufnahme des Rauchs ermöglichen sollen.

    Zusatzstoffe, die für die Herstellung zwingend notwendig sind und nicht mit zusätzlicher Attraktivität für den Endverbraucher verbunden sind, sollen von den Regulierungen nicht erfasst werden. Vor allem China und etliche afrikanische Staaten drängten auf eine unverbindlichere Formulierung der Zusatzstoff-Regulierung, letztere vor allem, weil sie sonst enorme Probleme für ihre Rohtabakproduktion befürchten, die wichtige Bestandteile der auf Zusatzstoffe angewiesenen American Blend Zigaretten liefert.

    Proteste der Tabakpflanzer
    Ähnliche Probleme mit Zusatzstoffregulierungen haben auch die Tabakpflanzer in Brasilien. 200 von ihnen demonstrierten gemeinsam mit lokalen Politikern und Vertretern der internationalen Tabakpflanzervereinigung ITGA vor dem Tagungsgebäude. Sie übergaben der Kongressleitung eine Liste mit 230 000 Protestunterschriften und erhielten von zahlreichen Delegationen, darunter auch die EU, Unterstützung für ihre Forderung, künftig bei den diesbezüglichen Beratungen aktiv eingebunden zu werden.

    WTO gegen „Persilschein“für Tabakregulierer
    Dem Gastgeberland Uruguay diente der Kongress als Forum, um eine Deklaration gegen Rechtsklagen wegen Regulierungen zu verabschieden. Das Land hatte im Zuge extremer Produktregulierungen u.a. angeordnet, dass nur noch eine Packungsvariante pro Marke angeboten werden darf.

    Während Philip Morris dies bei seiner Marke Marlboro umsetzte, tauften die heimischen Hersteller, die ohnehin schon gut drei Viertel des Inlandsabsatzes halten, ihre Packungsvarianten einfach um und nahmen Philip Morris erheblichen Marktanteil ab. Das Unternehmen reagierte nach vergeblichen Bitten um mehr Fairness mit einer Klage gegen die Regierung Uruguays.

    Mit der Deklaration versucht das Land sich und anderen Staaten einen Persilschein auszustellen, wenn sie im Zug der Tabakregulierung internationale Abkommen verletzen. Allerdings wies die erstmals bei einer FCTC-Versammlung aktive UNO-Organisation WTO (Welthandels-Organisation) darauf hin, dass eine Balance zwischen Handels- und Gesundheitspolitik gewahrt werden müsse. Ähnlich argumentierte auch die paritätisch besetzte UNO-Organisation ILO als Vertreterin der Arbeitnehmerinteressen, bei denen man nicht die Arbeitsplatzaspekte der Beschäftigten im Tabaksektor außen vor lassen dürfe.

    Ganz offen sprach dies auch ein Delegierter aus Mazedonien aus, der betonte, auch seine Regierung sei für Gesundheitsschutz, es gebe aber auch Verpflichtungen für die zahlreichen Arbeitsplätze bei der Tabakproduktion in Mazedonien. Insgesamt war die Tagesordnung der Konferenz heillos überfrachtet, so dass die 500 Delegationsteilnehmer (dazu kamen noch ca. 240 Vertreter tabakfeindlicher NGOs) das anvisierte Pensum bei weitem nicht abarbeiten konnten.

    Hinzu kommen die hohen Kosten der FCTC, die durch den Kongress im weit abgelegenen Uruguay sicher kräftig nach oben gepuscht wurden (übrigens wohl ein Dankeschön an den Ex-Präsidenten von Uruguay, der sich als Vorreiter im Kampf gegen den Tabakgenuss sieht).

    Großzügige Ausgabenpolitik
    Konkrete Auswirkungen hatte diese großzügige Ausgabenpolitik z.B. bei den geplanten WHO-Aktivitäten für weltweite Tabaksteuererhöhungen, für die eine Arbeitsgruppe gegründet wurde, die nun aus Geldmangel wohl ihre Arbeit auf unbestimmte Zeit nicht aufnehmen können wird.

    Die Arbeit an dem in Angriff genommenen Schmuggelprotokoll der WHO wird auch erst in 2012 vorangetrieben, und das auch nur, weil die EU, die zusammen mit Japan mehr als 80 Prozent des FCTC-Budgets von bisher 13 Mio. Euro finanziert, sich trotz des beschlossenen Nullwachstums ihrer Beitrage dann doch bereit erklärte, nochmals 1,5 Mio. Euro zusätzlich für dieses Aufgabenfeld zur Verfügung zu stellen.

    Nette Feststellung am Rande: Bei der Diskussion um Tabaksteuern ging es kaum um Steuerstrukturen oder -sätze; der Hauptfokus lag auf dem Wunsch nach einer Empfehlung für zweckgebundene Steuern, etwa als Prozentsatz aus dem Staatsbudget, um die Einkommensquelle der Kämpfer gegen den Tabak zu sichern. Die ebenfalls auf der Tagesordnung stehende Diskussion um e-Zigaretten und Smokeless Tobacco, die die Pharmaindustrie gerne als Konkurrenz zu ihren Nikotinkaugummis Beschuss genommen sähe, kam zu keinem Beschluss. Das FCTC-Sekretariat soll hierzu auf der nächsten Konferenz, die Ende 2012 in Südkorea stattfinden wird, lediglich einen Bericht vorlegen.

    (DTZ 48/10)